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Total vernetzt. In der digitalisierten Welt kursieren unzählige Daten. Nicht immer sind sie auch ausreichend geschützt.
© Rawpixel - Fotolia

Verbandsklagen gegen Facebook und Co.: Mehr Schutz vor den Datenkraken

Verbraucherverbände sollen künftig Unternehmen, die gegen Datenschutz verstoßen, verklagen dürfen. Die Firmen sind nicht begeistert - und argumentieren mit bereits vorhandenen Strukturen.

Berlin - Name, Alter, Konsumverhalten, Kontakte: Wer in der vernetzten Welt Geschäfte macht, kommt nicht umhin, persönliche Daten preiszugeben. Internetkonzerne wie Google oder Facebook, aber auch Onlinehändler wie Amazon nutzen die Informationen, um gezielt Kunden zu werben und an sich zu binden. Dass sie die Daten dabei für Zwecke nutzen, die nicht unbedingt im Sinne des Konsumenten sind, war Verbraucherschützern schon seit Langem ein Dorn im Auge.

Nun soll ein neues Gesetz Abhilfe schaffen. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den Entwurf für eine Regelung verabschiedet, die Unternehmen mit Blick auf den Datenschutz künftig stärker in die Pflicht nimmt: Verbraucherschützer sollen in Zukunft gerichtlich dagegen vorgehen können, wenn Firmen bei der Nutzung von persönlichen Daten gegen das Gesetz verstoßen. „Egal, ob wir surfen, eine App herunterladen oder ein Foto posten, bei nahezu jedem Klick und jeder Aktion werden Daten von Verbrauchern gesammelt“, sagte Bundesjustiz- und Verbraucherschutzminister Heiko Maas (SPD). „Ihre missbräuchliche Verwendung kann zu erheblichen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts führen. Deshalb ist es wichtig, dass die Datenschutzregeln auch durchgesetzt werden.“

Mehr Rechte für Verbraucherschützer

Schon jetzt können Verbände, etwa Verbraucherorganisationen oder Industrie- und Handelskammern, gegen Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Unternehmen klagen, die gegen das Datenschutzrecht verstoßen. Verwendet aber eine Firma personenbezogene Daten ihrer Kunden ohne die nötige Einwilligung oder aufgrund einer unwirksamen Einwilligung, muss der Betroffene selbst vor Gericht ziehen. Mit dem neuen Gesetz bekommen nun die Verbraucherschützer mehr Rechte: Sie sollen bei Verstößen gegen den Datenschutz künftig auch Abmahnungen aussprechen dürfen und Unterlassungsklagen erheben können. „Damit wird der Datensammelwut und dem Datenmissbrauch ein Riegel vorgeschoben“, meinte Gerd Billen, Staatssekretär im Verbraucherministerium.

Billen war selbst viele Jahre Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen(VZBV). Dass der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf all zu sehr den Forderungen seines früheren Arbeitgebers entsprechen könnte, weist der jetzige Staatssekretär entschieden von sich. „Der Vorschlag wurde schon im Koalitionsvertrag vereinbart - und es ist ein guter Vorschlag, denn er bedeutet einen effektiven Schutz gegen Datenmissbrauch“, sagte Billen dem Tagesspiegel. „Es geht nicht darum, frühere Kollegen zu bedienen, sondern um eine Stärkung der Verbraucher im Netz.“ Denn nicht nur Verbraucherorganisationen sondern auch die Wettbewerbszentralen bekämen mit dem Verbandsklagerecht ein Instrument für fairen Wettbewerb an die Hand.

Mit der Stärkung der Verbraucherschutzverbände will die Bundesregierung vor allem gegen Datenmissbrauch durch ausländische Firmen vorgehen. Die Erfahrungen mit in Deutschland ansässigen Unternehmen seien „in der Regel positiv, weil sie sich an das Bundesdatenschutzgesetz halten“, sagte Billen. Probleme bereiteten eher Unternehmen, „die ihren Sitz in anderen Ländern haben oder aus den USA kommen“.

Freude über geplante Neuregelung

Bei den Verbraucherschützern kommt die geplante Neuregelung erwartungsgemäß gut an. „Das Verbandsklagerecht ist endlich im digitalen Zeitalter angekommen“, kommentierte Klaus Müller, Chef des VZBV. Zugleich verwahrte er sich gegen Befürchtungen aus der Wirtschaft, es könne nun zu einer Welle von Klagen kommen. „Die Verbraucherorganisationen werden mit der neuen Klagebefugnis sorgsam, aber wirkungsvoll dafür sorgen, dass Verbraucherrechte auch in der digitalen Welt durchgesetzt werden können“, sagte Müller.

Die IT-Unternehmen sind da ganz anderer Auffassung. Ein starker Datenschutz sei zwar wichtig, sagte Dieter Kempf, Präsident des Branchenverbands Bitkom. „Aber das Verbandsklagerecht schafft mehr Probleme, als dass es den Verbrauchern tatsächlich nützt.“ Er verwies darauf, dass bereits die Datenschutzbeauftragten der 16 Bundesländer Verbraucher beim Kampf gegen Datenmissbrauch unterstützten. Durch die Neuregelung würden nun Parallelstrukturen aufgebaut, die am Ende die Datenschutzbeauftragten sogar schwächen könnten. Diese jedoch wollen sich nicht vor den Karren der IT-Lobby spannen lassen. „Parallele Strukturen sind durchaus sinnvoll, da diese ein flexibleres Vorgehen gegen Datenschutzverstöße ermöglichen“, sagte Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar.

Der Bitkom befürchtet, Verbände könnten das Gesetz dazu nutzen, einzelne Unternehmen exemplarisch und zu Unrecht an den Pranger zu stellen, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Die Folge könne eine enorme Rufschädigung sein, warnte Kempf. Datenschützer Caspar sieht durchaus eine Mitschuld bei den Unternehmen, wenn es so käme. „Es ist nicht verwunderlich, wenn große Internetdiensteanbieter die Neuregelung kritisch sehen“, sagte er. Gerade Facebook habe in der Vergangenheit die Geltung des nationalen Datenschutzrechts und damit auch die Zuständigkeit der hiesigen Datenschutzbehörden bestritten.

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