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Kritisch. Aktienhändler an der Wall Street und anderswo verfolgen gebannt die Schuldenkrise in den USA und Europa. Auch am Mittwoch sackten die Aktienkurse in Frankfurt ab.
© AFP

Nach dem US-Schuldenkompromiss: Märkte trotzdem in Alarmbereitschaft

Der US-Schuldenkompromiss überzeugt die Märkte nicht. Und in Europa geraten Italien und Spanien immer mehr unter Druck.

Berlin - Auch nach der vorläufigen Beilegung der Schuldenkrisen in den USA und in der Euro-Zone befinden sich die Finanzmärkte weltweit in Alarmbereitschaft. An den Börsen in Asien, Europa und in den USA rutschten die Aktienkurse am Mittwoch erneut ab. Der Dax verlor am sechsten Tag in Folge und fiel um 2,3 Prozent auf 6640 Punkte. Die Risikoprämien für spanische und italienische Anleihen stiegen derweil kräftig und weckten Sorgen vor einer erneuten Zuspitzung der Lage im Euro-Raum. EU- Kommissionspräsident José Manuel Barroso versprach eine rasche Umsetzung der schon beschlossenen Maßnahmen gegen eine Ausweitung der Schuldenkrise. Anleger flohen weiter in Gold-Anlagen – der Preis des Edelmetalls erreichte zeitweise bei 1672 Dollar ein neues Allzeithoch. Um die weitere Aufwertung des Frankens zu verhindern, senkte die Schweizer Notenbank den Leitzins.

US-RATINGS UNTER DRUCK

Den USA droht weiter eine Herabstufung ihrer Kreditwürdigkeit durch die Ratingagenturen. Moody's und Fitch bestätigten zwar die Bonitäts-Spitzennote „AAA“, machten aber Abstriche. Gespannt warten die Finanzmärkte nun auf eine Erklärung von Standard & Poor's (S&P), die im Juli mit einer Herabstufung der USA gedroht hatten. Die relativ neu im Markt tätige chinesische Agentur Dagong Global Credit Rating stufte die Kreditwürdigkeit der weltgrößten Volkswirtschaft am Mittwoch von A-plus auf A herunter. Moody's bezeichnete den in Washington gefundenen Kompromiss als ersten Schritt zu einer langfristigen Haushaltskonsolidierung. Es bestehe aber das Risiko einer Herabstufung, falls die Haushaltsdisziplin im kommenden Jahr nachlassen sollte oder 2013 weitere Konsolidierungsmaßnahmen ausblieben. Fitch mahnte eine stärkere Schuldenreduzierung angesichts der schwachen Konjunkturentwicklung an, erklärte aber, das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit der USA sei nach der Einigung „extrem niedrig“. An den Märkten war die Einigung auf eine Anhebung der Schuldenobergrenze sowie auf Ausgabenkürzungen mit Skepsis aufgenommen worden. Der Chefvolkswirt der japanischen Investmentbank Nomura, Richard Koo, fürchtet, dass die amerikanische Wirtschaft durch die vorgesehenen Einsparungen in eine erneute Rezession abrutschen könnte. „Bei weiteren Einsparungen droht den USA ein Double-Dip, wenn nicht sogar eine Deflationsspirale“, sagte Koo im Gespräch mit „Handelsblatt Online“. Auch der US-Ökonom Barry Eichengreen von der Universität Berkeley warnte davor, dass Einsparungen das Wachstum in den USA und der Welt weiter schwächen würden. Der Internationale Währungsfonds (IWF) dagegen begrüßte den Kompromiss. Dieser verringere die Unsicherheit an den Märkten und erhöhe die Glaubwürdigkeit der USA, sagte die neue IWF-Chefin Christine Lagarde. Der chinesische Zentralbank-Gouverneur Zhou Xiaochuan forderte „konkrete und verantwortungsvolle“ Schritte zur Wiederherstellung des Vertrauens in die USA. Sein Land werde die Umsetzung des Schuldenpakets eng begleiten.

SORGE UM ITALIEN UND SPANIEN

Grund für große Besorgnis ist nach Ansicht der Europäischen Kommission der Anstieg der Zinsen für italienische und spanische Anleihen. Diese Entwicklung sei angesichts der wirtschaftlichen Fundamentaldaten nicht gerechtfertigt, sagte Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwoch. Der Zinsanstieg signalisiere, dass die Märkte die Kapazität der Euro- Zone in Zweifel zögen, die Schuldenkrise zu bewältigen. Die Bundesregierung geht trotz des wachsenden Drucks der Märkte auf Italien und Spanien davon aus, dass die Beschlüsse des jüngsten Euro-Gipfels tragen. Man sehe keinen Grund zur Aufregung, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegmans am Mittwoch in Berlin.

Die Rendite für zehnjährige italienische Papiere stieg am Mittwoch bis auf 6,27 Prozent, bei spanischen Staatsanleihen waren es bis zu 6,49 Prozent. Jeder habe nun sieben Prozent im Blick, sagte Michael Leister, Rentenanalyst bei der WestLB. „Jeglicher Bruch der Marke von 6,5 Prozent wird wie ein Katalysator für noch höhere Renditen wirken.“

Weil die Anleger weltweit nach „sicheren Häfen“ suchen, war zuletzt der Schweizer Franken sehr gefragt. Die Flucht der Anleger in die Währung bedroht nach Ansicht der Schweizerischen Nationalbank (SNB) die Wirtschaftsentwicklung und die Preisstabilität des Landes. Mit einer überraschenden Zinssenkung versuchte die SNB am Mittwoch, die massive Verteuerung des Frankens gegenüber Euro und Dollar zu stoppen. In den ersten Reaktionen ging das Kalkül der Notenbank auf, und der Franken gab am Devisenmarkt nach. Der Euro, die wichtigste Partnerwährung für die exportabhängige Schweizer Industrie, zog nach der Zinsentscheidung kräftig an. mit dpa, rtr

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