EuGH-Urteil zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln: Landapotheker bangen um ihre Existenz
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Aufhebung der Preisbindung für Versandapotheken aus dem EU-Ausland bedroht die Arzneimittelversorgung auf dem Land.
Deutschlands Pharmazeuten befürchten ein massives Sterben von Apotheken auf dem Land. Grund dafür ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom vergangenen Oktober. Seitdem sind EU-Versandapotheken, wenn sie nach Deutschland liefern, nicht mehr an einheitliche Abgabepreise gebunden - und können die niedergelassenen Apotheker nun auch bei rezeptpflichtigen Medikamenten unterbieten. Das EuGH-Urteil bedrohe mittelfristig die flächendeckende Versorgung mit Medikamenten auf dem Land, hieß es am Mittwoch beim Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) in Berlin. Dem Vernehmen nach rechnet die Branche mit einer Abnahme der Landapotheken im unteren vierstelligen Bereich. Derzeit gibt es bundesweit rund 20000 Apotheken. „Der EuGH hat ein Urteil gefällt, das niemand nachvollziehen kann und das massiv in die nationale Gesetzgebung eingreift“, sagte Verbandschef Fritz Becker. Ein Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel sei die einzige Lösung, dem Urteil des EuGH entgegenzuwirken und Versorgungsengpässe zu verhindern. Aktuell gilt ein solches Verbot in 21 der 28 EU-Mitgliedstaaten.
Gesundheitsminister Gröhe will den Versandhandel verbieten
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) unter der Federführung von Hermann Gröhe (CDU) hatte nach dem Urteil des Gerichtshofs einen entsprechenden Referentenentwurf ausgearbeitet, der aber beim Koalitionspartner SPD keine Zustimmung fand. „Niemand hat uns eine tragfähige Alternative präsentiert, es gibt sie nicht“, sagte Becker. „Durch das EuGH-Urteil werden keine Probleme gelöst, sondern welche geschaffen.“ So gefährde die fehlende Preisbindung für EU-Versandapotheken viele familienfreundliche Arbeitsplätze. Nach Angaben des DAV arbeiten derzeit bundesweit rund 50000 Mitarbeiter in Deutschlands Apotheken. Viele von ihnen sind Frauen und arbeiten in Teilzeit.
Der Druck auf Landapotheken wächst
Zudem rechnet der DAV angesichts des EuGH-Urteils mit einem gravierenden Wettbewerbsnachteil insbesondere für kleinere Apotheken auf dem Land oder am Stadtrand. Die Apotheker müssten künftig nicht nur die kostenintensive Beratung ihrer Patienten schultern, sondern seien gleichzeitig einem neuem Preiswettbewerb durch Versandhändler ausgesetzt. Wer dem Druck nicht standhalte, müsse sein Geschäft aufgeben und fehle dann für die wohnortnahe Versorgung ihrer oft älteren Patienten, heißt es beim DAV. Konkrete Zahlen über die wirtschaftlichen Folgen des EuGH-Urteils für deutsche Apotheken existieren bislang nicht. Anhaltspunkte könnte eine Studie liefern, die der in Essen ansässige Pharmagroßhändler Noweda in Auftrag gegeben hat. Ergebnisse sollen spätestens im Juni vorliegen.