Deutsche Unternehmen in Vietnam: Kuscheln mit den Kommunisten
Trotz Zensur und Korruption: Deutsche Unternehmer schwärmen von Vietnam – und der investorenfreundlichen Regierung.
Vor dem Luxushotel in Ho-Chi-Minh-Stadt, dem einstigen Saigon, wehen rote Fahnen. Einige Plakate zeigen das Konterfei von Ho Chi Minh, andere erinnern an die siegreiche Schlacht der Viet Minh in Dien Bien Phu gegen die Franzosen 1954, die die Zeit der Kolonialmacht beendete. Fahnen und Plakate zeigen: In Vietnam hat die Kommunistische Partei das Sagen. Deutsche Unternehmer stört das nicht, im Gegenteil: Investoren aus Deutschland und Peter Kompalla von der Außenhandelskammer in Vietnam (AHK) überschütten das Land und die Regierung fast uneingeschränkt mit Lob.
Zu ihnen gehört Evert Helms, Statthalter der Mannheimer Peppert & Fuchs in Vietnam. Der Spezialist für Industriesensoren und Prozesstechnik hat weltweit 5600 Mitarbeiter und macht 500 Millionen Euro Jahresumsatz. Helms fühlt sich wohl in Vietnam. Nicht nur, weil die Vietnamesen der Firma in einer Industriezone perfekte Produktionsbedingungen von eigener Stromversorgung bis hin zur Feuerwehr geschaffen haben, auch die Ausfuhr der Produkte in die südostasiatischen Märkte ist zollfrei. Und: „Hier gibt es eine stabile Regierung, die Leute sind gut ausgebildet, und sie wollen etwas erreichen“, sagt Helms. Seit 2008 sind die Mannheimer im Land. Helms ist sicher, dass das Geschäft weiter zweistellig wachsen wird.
Lobgesang auf Vietnam
Von seinen 500 Mitarbeitern ist er höchst angetan. „Viele wollen mehr arbeiten als die erlaubten 44 Stunden an sechs Tagen.“ Und auch die Regierung lobt der Deutsche. Die Arbeitsgesetze seien oft auf westlichem Niveau. Verlässlichkeit, Pragmatismus und Klarheit der Vorgaben ist das, was Helms im kommunistischen Vietnam schätzt. Dass es nicht mehr das billigste Land in der Region ist, stört ihn nicht.
Helms rät deutschen Mittelständlern, die in der Region Geschäfte machen wollen, nach Vietnam zu kommen. Das meint auch Uwe Hutzler, Geschäftsführer der Gerberei Saigon TanTec, 40 Kilometer nördlich von Ho-Chi-Minh-Stadt. Seit 2008 produziert das Unternehmen eines Deutschen und eines Schweizers hier mit 450 Mitarbeitern hochwertige Leder für Schuhhersteller in den USA und in Europa. Unterstützt unter anderem durch Kredite der Deutschen Entwicklungs- und Investitionsgesellschaft DEG, einer Tochter der staatlichen Förderbank KfW, die zu dieser Reise eingeladen hatte. Hutzler lobt die dreijährige Steuerfreiheit und die im Vergleich zu China um die Hälfte niedrigeren Löhne. „Vor allem aber sind es die deutlich besseren und stabileren Rahmenbedingungen etwa im Vergleich zu Indonesien oder den Philippinen“, betont der Manager.
Armut trotz anhaltendem Wirtschaftswachstum
300 deutsche Unternehmen sind derzeit in Vietnam aktiv, jährlich gebe es 500 Anfragen, sagt AHK-Vertreter Kompalla. Bis zu 50 Firmen entscheiden sich dann tatsächlich, einen Partner vor Ort zu suchen. „Die Weichen für eine offene, soziale Marktwirtschaft sind gestellt. Die Mittelschicht wächst.“ Demnächst beginnt in Ho-Chi-Minh-Stadt der Bau eines Deutschen Hauses, ähnlich wie in Singapur oder Mexico City. Tatsächlich kann das Land mit seinen 92,5 Millionen Menschen erstaunliche Erfolge vorweisen, betont Birgit Erbel, Büroleiterin der KfW in Hanoi. 1993 galten fast 60 Prozent der Vietnamesen als arm, heute sind es weniger als 12 Prozent.
Die Wirtschaft wächst seit Jahren mit Raten von mindestens fünf Prozent, bis 2018 sollen es im Schnitt 6,4 Prozent sein. Bis 2020 will die Regierung Vietnam zu einem Industrieland formen. Aktuell aber ist der einst vom Krieg gebeutelte Staat mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von rund 1500 Dollar noch nicht einmal ein Schwellenland und dies bei erheblichen Unterschieden. Einige Vietnamesen sind mittlerweile steinreich. Auf dem Land dagegen – dort leben 60 Prozent der Menschen – ist die Armut noch groß.
Zensur, Korruption und politische Spannungen mit China
Ein weiteres Problem: „Es gibt zwar 700 Zeitungen“, sagt ein Diplomat, „aber nur einen Chefredakteur“. Alles wird zensiert, Delegationen werden von staatlichen Aufpassern begleitet, die genau zuhören, wenn Einheimische das Wort ergreifen. Und auch die Zusammenarbeit mit den Staatsbetrieben, die noch 60 Prozent der Unternehmen stellen, ist schwierig. Hinzu kommt noch die Korruption. Bei Baugenehmigungen wird ebenso geschmiert wie bei Polizeikontrollen, Lehrern wird gerne ein Umschlag zugesteckt. Polizisten zahlen mehrere tausend Dollar, damit sie in Hanoi an verkehrsreichen Stellen stehen können, wo viel kontrolliert werden kann. Und macht eine Sekretärin einer deutschen Firma eine Freundin auf eine freie Stelle aufmerksam und die bekommt den Job, wird oft eine Vermittlungsgebühr fällig.
Hinzu kommen politische Spannungen zwischen Vietnam und China wegen rohstoffreicher Regionen im südchinesischen Meer. Dort agierten die Chinesen, sagen auch deutsche Diplomaten, zunehmend rücksichtslos. Die jüngsten mit Brandanschlägen verbundenen Attacken vietnamesischer Demonstranten auf chinesische und vermeintlich chinesische Firmen trafen auch den Industriepark, in dem Saigon TanTec produziert. Die Fabrik blieb verschont, wurde aber für drei Tage geschlossen. An der Pforte weht deutlich sichtbar eine schwarz-rot-goldene Flagge.
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