Elektronische Gesundheitskarte: Kritik am neuen System: Teuer, nutzlos, unsicher
Die neue Gesundheitskarte ist seit dem 1. Januar Pflicht. Der erste Schritt zu einer umfassenden technischen Reform im Gesundheitswesen.
Bitte nicht so gequält lächeln! Seit Jahresbeginn muss auf jeder Krankenkassenkarte ein Foto des Versicherten sein. Doch das ist nur der erste Schritt zu einer umfassenden technischen Reform im Gesundheitswesen. Ein Überblick.
Wer braucht die neue Gesundheitskarte?
Alle. Die bisherigen Versichertenkärtchen gelten seit dem 1. Januar eigentlich nicht mehr – unabhängig von dem auf der Karte angegebenen Ablaufdatum. Nach Schätzungen der Krankenkassen sind bisher schon 95 Prozent der gesetzlich Versicherten im Besitz der neuen Ausweise.
Was passiert, wenn Patienten die neue Karte noch nicht haben?
Die wenigen, die ihrem Versicherer aus Schusseligkeit bis zum Jahresende noch kein Foto zugesandt oder die Umstellung bewusst sabotiert haben, müssen sich im Krankheitsfall dann entweder beeilen oder die Kosten aus eigener Tasche bezahlen. Grundsätzlich können Patienten die fehlende Karte problemlos innerhalb von zehn Tagen beim Arzt nachreichen.
Notfalls tut es auch ein Ersatznachweis in Papierform. Und wenn auch das nicht funktioniert, gibt es immer noch die Möglichkeit, die Rechnung erst mal selber zu zahlen und sich die Kosten bis zum Ende des Quartals zurückerstatten zu lassen. Mitunter klappt es sogar noch mit den alten Karten. Für die komplizierte Systemumstellung haben die Leistungserbringer nämlich sogar eine Frist bis Oktober 2014 erhalten. Im Prinzip können sie bis dahin also noch mit den alten Versichertenkarten abrechnen. Allerdings haben die Patienten keinen Anspruch darauf, dass ihr behandelnder Arzt dies auch tut.
Was kostet die Umstellung?
Mehr als 700 Millionen Euro haben die Krankenkassen bisher in die neuen Gesundheitskarten investiert. Pro Stück schlagen sie in der Produktion zwar nur mit etwa zwei Euro zu Buche, bei 70 Millionen Versicherten ist das aber ein ordentlicher Brocken. Der Verwaltungsaufwand der Kassen etwa für Info-Schreiben und den Versand der Karten kommt noch hinzu. Kauf und Installation von Lesegeräten in den Praxen und Krankenhäusern haben die Beitragszahler ebenfalls zu finanzieren, die Kosten werden auf 156 Millionen Euro geschätzt. Und für die technische Entwicklung und Umsetzung hatten die Kassen der Betreibergesellschaft Gematik Jahr für Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag zu überweisen. Im Jahr 2010 waren es 70 Millionen Euro.
Was kann die elektronische Karte?
Bislang ist ihr einziger Mehrwert ein Foto. Es soll ausschließen, dass Unberechtigte die Versichertenkarte benutzen und sich Leistungen erschleichen. Schätzungen zufolge lag der Schaden durch solche Betrügereien jährlich im zweistelligen Millionenbereich. Karten ohne Konterfei sind deshalb künftig nur noch Kindern unter 15 Jahren und schwer Pflegebedürftigen erlaubt. Wirklich lohnend macht die Karte aus Betreibersicht am Ende erst ein aktivierbarer Mikrochip, auf dem sich dann auch Laborbefunde, Röntgenbilder oder Arzneiverordnungen speichern lassen. Momentan ist das alles aber noch Zukunftsmusik.
Kann man sich dagegen wehren?
Die Kassen werden nicht müde zu betonen, dass solche zusätzlichen Informationen nur auf ausdrücklichen Wunsch des Versicherten gespeichert werden. Viele Bürger fürchten aber um die Sicherheit ihrer sensiblen Daten und sperren sich gegen die neue Karte. Allerdings haben sie damit juristisch wenig Chancen. In einem Musterverfahren haben Düsseldorfer Sozialrichter die Umstellung in ihrer jetzigen Form schon 2012 für gesetzes- und verfassungsgemäß erklärt. Bestätigt wurde diese Sicht 2013 durch das Berliner Sozialgericht. Dem Urteil zufolge sind die Versicherten „verpflichtet, zum Nachweis ihres Versicherungsschutzes ab dem 1. Januar 2014 die elektronische Gesundheitskarte zu benutzen“. Es bestehe „kein Anspruch gegen die Krankenkassen auf Ausstellung eines anderweitigen Versicherungsnachweises“.
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