Skandal um Wursthersteller Wilke: Kriminelle Energie trifft auf Versagen der Behörden
Wie konnte es zu drei Todes- und 37 Krankheitsfällen kommen? Hessens Verbraucherministerin Priska Hinz legt einen Zwischenbericht vor.
Behördenversagen und kriminelle Energie der Geschäftsführung des hessischen Wurstherstellers Wilke haben drei Menschen den Tod gebracht und 37 weitere krank gemacht. "Die Zustände in dem Betrieb waren unhaltbar", sagte Hessens Verbraucherschutzministerin Priska Hinz (Grüne) am Donnerstag bei der Vorlage eines Zwischenberichts zum Lebensmittelskandal.
Wilke habe "offenbar kriminelle Energien an den Tag gelegt". Aber auch die Lebensmittelüberwachung hat versagt. Die bisherige Aufklärung habe die "Schwachstellen der Lebensmittelüberwachung in Hessen aufgezeigt", räumte die Ministerin ein. Der für die Überwachung zuständige Landkreis Waldeck-Frankenberg wusste offensichtlich schon seit längerem von den schweren Hygienemängeln in dem Betrieb, ohne Alarm zu schlagen.
Pannen sind aber auch im Ministerium selbst passiert. So hatte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelwarnung das Umwelt- und Verbraucherschutzministerium bereits am 12. August über den Verdacht informiert, dass Krankheits- und Todesfälle in Zusammenhang mit Wilke stehen könnten. Das Ministerium leitete diese Info aber erst acht Tage später an den Kreis weiter.
Mehr als 1100 Produkte sind betroffen
Wilke-Produkte waren mit Listerien-Keimen verunreinigt, die bei geschwächtem Immunsystem lebensgefährlich sein können. Der Betrieb im nordhessischen Twistetal-Berndorf ist seit Anfang Oktober geschlossen, gegen den Geschäftsführer ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung. Wilke hatte zahlreiche Unternehmen mit seinen Produkten beliefert, mehr als 1100 Produkte sind betroffen - von der Salami über die Brühwurst bis hin zu veganem Paprikaaufstrich. Für diese gibt es einen öffentlichen Rückruf.
So erkennen Sie Wilke-Waren
Zu erkennen sind Wilke-Waren an der Betriebsnummer auf der Verpackung, sie lautet: DE EV-203 EG. Allerdings stecken Wilke-Wurstwaren auch in Fertigprodukten anderer Hersteller. Eine Liste betroffener Fertigwaren hat das hessische Verbraucherministerin nicht, Hinz geht jedoch davon aus, dass auch diese Waren durch den Rückruf erfasst sind.
Für die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch zeigt der Fall Wilke das "Totalversagen" der Lebensmittelüberwachung. "Die Missstände bei Wilke waren den hessischen Behörden monatelang bekannt – aber die Öffentlichkeit erfuhr davon nichts, der Betrieb produzierte einfach weiter tonnenweise Wurstwaren", sagte Foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker.
Foodwatch fordert eine Totalreform des Systems. Statt der Kreise - oder wie in Berlin der Bezirke - soll künftig eine unabhängige Landesbehörde für die Kontrollen zuständig sein. Bisher kollidieren häufig Wirtschafts- und Verbraucherschutzinteressen, weil die Behörden vor Ort Sorge haben, Arbeitgeber zu verlieren.
Foodwatch: von Dänemark lernen
Nötig ist nach Meinung von Foodwatch auch mehr Transparenz. Alle Kontrollergebnisse sollen veröffentlicht werden, fordern die Verbraucherschützer. In Dänemark habe das zu einem deutlichen Rückgang der Hygienemängel geführt.
Hessen will Überwachung verbessern
Auch Priska Hinz plant Reformen. Sie will die Zahl der unangekündigten Kontrollen erhöhen und das Land als Fachaufsicht stärker einbinden. Das Ministerium soll künftig stärker als heute selbst Kontrollen anordnen können, auch die Task-Force Lebensmittelsicherheit soll gestärkt werden und mehr Personal bekommen. Zudem will die Grüne aber auch die Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen. Die Eigenkontrollkonzepte der Lebensmittelbetriebe sollen überprüft werden.
Foodwatch reicht das nicht. "Bei Wilke soll der Schimmel auf der Wurst oberflächlich abgespült worden sein, bevor die gammelige Wurst in den Verkauf ging. Priska Hinz agiert genauso: Sie will ein in den Grundstrukturen versagendes System weiter vor sich hin gammeln lassen, nachdem sie oberflächlich ein bisschen was weggewischt hat", sagt Rücker.