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Zu heiß fürs Akw: Das Atomkraftwerk Grohnde drosselt seine Produktion. Wenn das warme Kühlwasser in die Flüsse kommt, sterben die Fische, weil das warme Wasser zu wenig Sauerstoff enthält.
© Julian Stratenschulte/dpa

Hitze in Deutschland: Kraftwerke müssen die Produktion drosseln

Viele Kraftwerke drosseln wegen der Hitze die Produktion. Baden-Württemberg erlaubt Betreibern, warmes Kühlwasser in die Flüsse zu leiten.

Fast täglich schickt der Deutsche Wetterdienst (DWD) in dieser Woche Hitzewarnungen auf die Smartphones. Temperaturen zwischen 33 und fast 40 Grad machen nicht nur Menschen zu schaffen. Auch die Fische in Deutschlands Flüssen leiden unter dem Rekordsommer. Die schlechte Nachricht: Tonnenweise wurden sie bereits tot aus dem Wasser geholt. Die noch schlechtere Nachricht: Den Tieren wird bald noch mehr eingeheizt.

Das liegt an den Kraftwerken, die heiß- laufen und gekühlt werden müssen. Da vielerorts die Temperaturobergrenzen von 28 Grad für Kühlwasser überschritten werden, erteilen die für den Gewässerschutz zuständigen Landesumweltministerien zurzeit Ausnahmegenehmigungen in Serie. Doch die Wassertemperaturen sind bereits hoch und steigen jetzt durch das Wasser aus Kraftwerken weiter an. Das erhöht das Risiko für die Fische in den Flüssen und für das Ökosystem.

Eine Reihe von Kohlekraftwerken hat wegen der Hitze und des zu warmen Flusswassers die Produktion gedrosselt. Auch das Atomkraftwerk Philippsburg hat seine Leistung um zehn Prozent herunter- gefahren. „Vor allem Neckar, Rhein und Main sind gefährdet“, sagt Hagen Koch vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Die Regionen rund um Karlsruhe, Frankfurt und Mannheim seien deshalb aktuell besonders betroffen.

In Berlin ist das Vattenfall-Kraftwerk in Mitte wegen der Hitze nicht am Netz. „Dabei geht es um Gewässerschutz“, sagte ein Unternehmenssprecher. Bei laufendem Betrieb würde die Temperatur des Kühlwassers die genehmigte Obergrenze überschreiten. Wie lange das Kraftwerk außer Betrieb bleibt, hängt vom Wetter ab. Problematisch ist die Abschaltung aber nicht: Das Bedürfnis der Berliner nach Fernwärme ist gerade nicht sehr ausgeprägt und Strom gibt es genug.

Das grün regierte Baden-Württemberg ist weniger vorsichtig

Im grün regierten Baden-Württemberg ist man dagegen weniger vorsichtig, wenn es um den Schutz der Gewässer geht. Hier hat das Umweltministerium jetzt Ausnahmen genehmigt, die es Kraftwerken erlauben, auch Wasser mit einer höheren Temperatur als 28 Grad zurück in die Flüsse zu pumpen. Das wird wohl ab diesem Wochenende der Fall sein. Davon profitieren etwa das Akw Philippsburg, das Akw Neckarwestheim und Kohlekraftwerke in Karlsruhe, Mannheim und Heilbronn. Die Ausnahmen gelten jeweils nur für einige Tage und müssen dann neu beantragt werden. Die Landesregierung hält die Maßnahmen für notwendig, da sonst die Netzstabilität gefährdet sein könnte und somit die Versorgungssicherheit.

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Die Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag ist anderer Meinung. „Grenzwerte sind dazu da, eingehalten zu werden. Ausnahmen kann es nur in absoluten Notfällen geben“, sagt Sylvia Kotting-Uhl (Grüne). Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisiert die Ausnahmegenehmigungen. „Die Grenzwerte für Höchsttemperaturen gibt es für den Schutz der Flüsse und der Fische, die in ihnen leben. Wenn die Politik diese einfach ignoriert, riskiert sie ein massives Fischsterben. Das ist unverantwortlich“, kritisiert Laura von Vittorelli, Leiterin Gewässerpolitik beim BUND.

Vielen Fischarten gehe es aktuell ohnehin nicht gut, etwa durch die Schadstoffbelastungen in den Flüssen und Kanälen und den oft niedrigen Sauerstoffgehalt. So wird in Berlin bereits ein Belüftungsschiff eingesetzt. Das aufgeheizte Wasser trifft die Tiere nun umso härter: Durch die hohen Temperaturen löst sich noch weniger Sauerstoff im Wasser, wobei gerade bei Hitze der Sauerstoffbedarf der Fische steigt. „Spätestens bei 28 Grad ist mit einer Schädigung zu rechnen, kälteliebende Arten leiden früher“, warnt von Vittorelli.

Im Norden reduzieren dagegen Kraftwerke ihre Leistung, so die Akws Grohnde und Brokdorf, wie der Betreiber Preussen Elektra mitteilte. In Grohnde wird die Leistung um 80 bis 120 Megawatt heruntergefahren. Im Osten rechnet PIK-Experte Koch in den kommenden Tagen ebenfalls mit Einschränkungen. „Bei Wassertemperaturen von teils 27 Grad in Havel und Spree könnten auch hier Kraftwerke gezwungen sein, die Leistung zu drosseln.“

Trotz der vielen Einschränkungen in einzelnen Kraftwerken sind Stromproduktion und -versorgung in Deutschland bislang nicht in Gefahr. „Es ist alles im grünen Bereich“, heißt es bei der Bundesnetzagentur. Anders als in anderen Ländern steigt der Stromverbrauch kaum an: Es gibt vergleichsweise wenige Klimaanlagen, weshalb sich die Rekordhitze kaum auf den Stromverbrauch auswirkt.

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Felix Wadewitz

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