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Wer sein E-Auto zu den richtigen Zeiten lädt, könnte bald Geld sparen.
© Florian Schuh/dpa-tmn

Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes: Können Netzbetreiber bald private E-Ladestationen und Wärmepumpen anzapfen?

Wenn es zu wenig Strom gibt, sollen Netzbetreiber künftig auf private Stromquellen zugreifen können. Doch dagegen regt sich Widerstand.

Wie tief darf ein Stromnetzbetreiber ins energetische Leben der Bürger eingreifen, um die Energiewende voranzubringen und zugleich das Netz stabil zu halten? Darüber schwelt ein Expertenstreit. Im Brennpunkt steht die Idee der „Spitzenglättung“, die zwei Beratungsunternehmen im Auftrag der Bundesregierung erdacht haben.

Sie sieht vor, dass Netzbetreiber künftig direkt auf private Ladestationen für Elektroautos und auf elektrische Wärmepumpen von Wohnhäusern zugreifen und sie täglich für ein bis zwei Stunden abschalten dürfen. Das soll helfen, den Übergang vom Kohle- und Atomstrom zu Ökostrom zu bewältigen, ohne dass die naturgemäß unstete Stromeinspeisung aus Wind- und Solarparks das Netz durcheinanderbringt.

Wenn Gefahr besteht, dass es zu wenig Strom gibt, würden Elektroautos für kurze Zeit nicht geladen, Wärmepumpen würden vorübergehend nicht wärmen. Beides wäre für die Stromkunden verkraftbar. Das Haus würde nicht erkalten, und die E-Autobatterie würde nach kurzer Zeit weitergeladen. Lampen, Fernseher, Herde und andere Haushaltsgeräte wären gar nicht betroffen. Aber es wäre eben doch ein Eingriff in den selbstbestimmten Stromkonsum.

Neuregelung noch in diesem Jahr

Die Sache ist bereits ziemlich konkret: Das Bundeswirtschaftsministerium möchte neue Regeln für die netzdienliche Verbrauchsflexibilität in ein Gesetz gießen, konkret per Änderung des Paragrafen 14 a des Energiewirtschaftsgesetzes. Die Neuregelung soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Grundlage wäre das von den Beratungsunternehmen Ernst & Young und BET entwickelte Spitzenglättungsmodell.

Doch das Vorhaben hat Kritiker aus der Energiebranche und Verbraucherschützer auf den Plan gerufen. Die Widerrede Letzterer mündet nun in ein Gegenkonzept, entwickelt vom Aachener Beratungsunternehmen Consentec für den Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV).

Neue Quellen. Wie bekommt man möglichst viel grünen Strom ins Netz?
Neue Quellen. Wie bekommt man möglichst viel grünen Strom ins Netz?
© imago images/photothek

Es skizziert einen Weg, auf dem Stromkunden ihre Ladestationen oder Wärmepumpen selbst mitsteuern könnten: Variable Stromtarife sollen dafür sorgen, dass beispielsweise das Laden von E-Autos in der Nacht deutlich attraktiver wird als tagsüber oder abends. Das Modell sei dem der Spitzenglättung im Regelbetrieb „weit überlegen“, sagt Consentec-Experte Wolfgang Fritz. Deshalb solle es „gesetzlich als Regellösung fest verankert werden“.

Flexible Tarife sollen lokalen Strom integrieren

Einige Kernvorteile solcher zeitvariabler Tarife sind aus seiner Sicht: Sie dämpfen wahrscheinlich Netzbelastungsspitzen an Engpassstellen – bei dieser Einschätzung beruft sich Consentec auf Simulationsergebnisse. Sie können mit den neuen intelligenten Stromzählern, den Smart Metern, präzise abgerechnet werden.

Mithilfe der flexiblen Tarife lässt sich Strom aus lokalen Wind- oder Solaranlagen besser ins Netz integrieren. Sie müssen nicht auf Ladestationen und Wärmepumpen begrenzt werden, sondern können – auf freiwilliger Basis – auf allen elektrischen Geräten angewendet werden.

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Mit einer derart reformierten Entgeltsystematik könnten die Verbraucherschützer wohl gut leben: „Bei der geplanten Reform der Netzentgelte sind die privaten Haushalte besonders betroffen“, sagt VZBV-Energieexperte Thomas Engelke. Priorität müssten deshalb „eine hohe Wahlfreiheit bei den Tarifen und niedrige Kosten für Verbraucher“ haben. Lade ein Stromkunde sein E-Auto nachts und entlaste damit das Netz, solle sich das positiv auf seine Stromrechnung auswirken.

E-Autos laden, wenn viel grüner Strom verfügbar ist

Auch aus den Reihen der Ladedienstleister kommt Zuspruch: „Notwendig sind preisliche Anreize, damit E-Autos vor allem dann geladen werden, wenn die Netzbelastung niedrig und möglichst viel grüner Strom verfügbar ist“, sagt Fabian Joas, Regulierungsexperte der Volkswagen-Tochter Elli. Eine direkte Interventionsmöglichkeit für die Netzbetreiber, also das von den Beratern vorgesehene Abschalten, könne zwar zusätzlich sinnvoll sein. „Sie darf aber nur ein allerletztes Mittel in Ausnahmesituationen sein“, so Joas.

Noch ist unklar, wo die Reise enden wird, aber die von vielen Stromnetzbetreibern bevorzugte Spitzenglättung liegt offenbar trotz Kritik gut im Rennen. Das Bundeswirtschaftsministerium bestätigt auf Anfrage, dass weiterhin über das Modell diskutiert werde. Es würde den Netzbetreibern ermöglichen, „den flexiblen Verbrauch in eng begrenztem Rahmen zu steuern und so Lastspitzen zeitlich zu verschieben“, teilte eine Sprecherin des Ministeriums mit.

Ziel bei der Weiterentwicklung des Paragrafen 14 a des Energiewirtschaftsgesetzes sei es nach den Worten der Sprecherin auch, grundsätzlich die Rahmenbedingungen für eine Flexibilitätsnutzung und für entsprechende Geschäftsmodelle weiter zu verbessern.

Im Wirtschaftsministerium existiert nach Brancheninformationen ein Eckpunktepapier zur Spitzenglättung, es wurde aber noch nicht verteilt, was auf interne Kritik hindeuten könnte. Der Ministeriumssprecherin zufolge will die Bundesregierung Ende Juni Ergebnisse eines von Ernst & Young und BET koordinierten Branchendialogs vorlegen.

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