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Zeitlos schön ... aber nicht mehr gefragt. Viele traditionsreiche Einzelhändler sind aus der Mode gekommen.
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Die Zukunft der Warenhäuser: Konkurrenz auf allen Kanälen

Ein Gespenst geht um: Nicht nur Karstadt krankt. Auch Galeria Kaufhof schließt Filialen und Strauss Innovation droht die Insolvenz.

Von Maris Hubschmid

Einen neuen Wollpullover für den Vater, zwei Ersatzknöpfe für Mutters Sonntagsbluse, Wanderstiefel für das Töchterchen und für die Großmama die Auflaufform: Alles unter einem Dach besorgen, das sollen Kunden seit gut hundert Jahren in deutschen Kauf- und Warenhäusern. Jetzt aber ist Karstadt in der Krise, viele große Namen aus der Welt der Warenhäuser sind schon untergegangen. Auch dem rheinischen Unternehmen Strauss Innovation droht die Insolvenz. Einzelhändler, die ein breit gefächertes Sortiment an Waren anbieten, haben einen schweren Stand. Lediglich 2,7 Prozent macht ihr Anteil am Einzelhandelsgeschäft von 433 Milliarden Euro nur noch aus.

Der Onlinehandel ist die größte Herausforderung

Unter anderem, weil der Onlinehandel wächst. 17 Prozent Umsatzwachstum werden für 2014 erwartet, ein Kaufvolumen von 38,7 Milliarden Euro. „Der Onlinehandel ist die größte Herausforderung für den Handel seit Einführung der Selbstbedienung“, formuliert es Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands (HDE). Denn alles unter einem Dach, das gibt es inzwischen auch zu Hause: Vom Sofa aus lässt sich mit wenigen Klicks nahezu jeder Bedarfsartikel bestellen. Der wird geliefert, kann in aller Ruhe ausprobiert – und in vielen Fällen auch kostenlos zurückgeschickt – werden. „Tatsache ist, Umsätze werden auch in den nächsten Jahren massiv ins Netz abwandern“, sagt Gerrit Heinemann, Handelsexperte von der Hochschule Niederrhein. Er rechnet noch einmal mit mindestens einer Verdopplung der Online-Verkäufe bis 2020.

Gleichzeitig drängen aber auch in den stationären Handel zusätzliche Mitbewerber. Alles unter einem Dach, das gibt es auch in Shoppingzentren, von denen immer neue entstehen: etwa in Berlin Mitte am Leipziger Platz. Im April soll dort ein neuer Komplex mit mehr als 270 Läden eröffnen. Da finden sich gebündelt allerlei Fachhändler, sei es für Mode, Kosmetik oder Elektronik.

Einst verkaufte Karstadt auch Möbel. Monothematisch ausgerichteten Händlern aber sprechen Kunden die größeren Kompetenzen zu. In der Regel haben sie nicht nur die größere Auswahl sondern auch kleinere Preise. „Wir erleben eine starke Internationalisierung“, sagt Joachim Stumpf von der Handelsberatung BBE. „Ausländische Retailer wie Zara, Abercrombie oder Primark sind vertikal aufgestellt, das heißt, sie verdienen überall in der Vertriebskette mit.“ So können sie sich selbst teuerste Mieten in 1A-Lagen leisten. Anders Häuser wie Karstadt, die Markenartikel bereits zu vergleichsweise hohen Preisen einkaufen.

Hersteller eröffnen eigene Läden, um sich zu präsentieren

Immer mehr Hersteller avancieren selbst zu Händlern. Boss, Apple oder Esprit eröffnen ihre eigenen Läden, wo sie ihren Produkten den bestmöglichen Markenauftritt verschaffen. „Nicht zuletzt sehen wir auch eine Online-Offline-Bewegung“, sagt Stumpf. Unternehmen, die sich als Versandhändler einen Namen gemacht haben, eröffnen eigene Geschäfte. Nicht nur Zalando verkauft Kleidung und Schuhe jetzt auch in großen Hallen, Firmen wie Mytoys, Bonprix, Jako-O oder Manufactum haben ebenfalls im Internet ihren Anfang genommen. „Der Einzelhandelsmarkt ist real seit 20 Jahren nicht gewachsen“, sagt Stumpf. Weil Verbraucher immer mehr für Mieten, Strom und anderes ausgeben, entfällt ein immer kleinerer Teil des privaten Konsums auf die Einkäufe. „Es wird also nur noch umverteilt, nichts mehr hinzugewonnen. Bessere Konzepte verdrängen schlechtere Konzepte, bessere Standorte die schlechteren.“

Die Metropolen profitieren, Kleinstädte haben das Nachsehen

Die von vielen Seiten heraufbeschworene Verödung der Innenstädte droht demnach nur bedingt. „Konsumenten orientieren sich immer stärker nach starken Marken, wie sie in den Ballungszentren anzutreffen sind“, sagt Stumpf. Wenn jemand aus dem ländlichen Raum Dinge nicht nur digital bewundern, sondern auch anfassen möchte, entscheidet er sich immer häufiger für den Tagesausflug in die Metropole, statt in die nächste Fußgängerzone zu fahren, wo es außer einem Bäcker und dem Sonnenstudio vielleicht noch Tchibo und Earnstings Family gibt. Die größten Verlierer sind die Kleinstädte. Und die nicht filialisierten Fachhändler: Die hatten in den 60er Jahren noch 70 Prozent Marktanteil. Heute sind es nur noch 20.

Herausforderungen für den stationären Handel sieht der Handelsverband auch im demografischen Wandel. „Breitere Gänge, Barrierefreiheit, größere Preisschilder, Sitzgelegenheiten und Kundentoiletten – es gibt viele Überlegungen, wie das Einkaufen für alle Generationen komfortabler werden kann“, sagt HDE-Sprecher Stefan Hertel. Kaufhäuser, deren treueste Kunden eher älteren Jahrgangs sind, trifft diese Problematik vor allen anderen.

Die Digitalisierung ist auch eine große Chance

Seine Daseinsberechtigung sichern kann der stationäre Handel wohl tatsächlich nur, wenn die Einkaufstour ähnlich bequem wird wie das Onlineshopping zu Hause. Die Digitalisierung, sagt Hertel, biete da auch eine große Chance: Wenn sich für Kunden zum Beispiel schnell und einfach online nachvollziehen lasse, ob ein bestimmter Artikel in einer Filiale vorhanden ist, wo sie ihn sich zurücklegen lassen und später abholen können. Oder Eilige sogar den gesamten Einkaufskorb online vorbereiten können. Multichannel nennt sich das. Reichlich solche kundenfreundlichen Services bietet zum Beispiel der größte amerikanische Warenhausbetreiber Macy’s. Dort können via scannbarer Codes am Produkt auch im Kaufhaus zu jedem Gegenstand Informationen mit dem Smartphone abgerufen werden. Beratung auf allen Kanälen: ein bewährter Vorteil des stationären Handels, neu interpretiert.

Außerdem müsse der Einkaufsbummel alle Sinne wieder mehr ansprechen, sagt Stumpf. Ein Erlebnis bieten, das den Ausflug lohnt. „Das Modell Warenhaus muss nicht sterben“, meint er. Das zum Metro-Konzern gehörende Unternehmen Galeria Kaufhof zum Beispiel schließt zwar auch unrentable Filialen, schreibt insgesamt aber Gewinne. „Wir haben nur immer noch zu viel Warenhausfläche in Deutschland“, sagt Stumpf. Rund 180 Kaufhäuser sind bundesweit noch in Betrieb. Zwei Häuser an einem Fleck, sagt der Unternehmensberater, – Karstadt und Kaufhof zum Beispiel – „das hat einfach keinen Mehrwert für den Verbraucher.“

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