Codesharing-Flüge: Konkurrenten kämpfen gegen Air Berlin und Etihad
Die Konkurrenz kämpft mit allen Mitteln gegen die Kooperation mit Etihad. Die Regierung könnte nun einen Teil davon verbieten.
In der Zentrale von Air Berlin, der „Airline mit Herz“, am Saatwinkler Damm beim Flughafen Tegel spricht man am liebsten über sinnliche Dinge: „Ab jetzt gibt es Double Cheeseburger an Bord!“, meldete die Fluggesellschaft am Freitag stolz. Man muss wissen: Fleisch in krossem Brötchen in Reiseflughöhe zu servieren ist eine Kunst. Weil Luftdruck und -feuchtigkeit deutlich niedriger sind als am Boden, muss man Speisen zudem ganz anders würzen. Doch man habe einen Anbieter gefunden, der „unseren hohen Qualitätsansprüchen auch an Bord gerecht wird“, hieß es. So serviert die Crew ab jetzt Burger mit zwei Scheiben ausgereiftem Cheddar-Käse - für sieben Euro das Stück.
Deutlich weniger gern spricht man bei Air Berlin über das viel existentielleres Thema: die von der Konkurrenz kritisierte Partnerschaft mit dem potenten Großaktionär Ethiad Airways aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und die gemeinsamen sogenannten Codeshare-Flüge. Denn immer wenn Berichte zu dem Thema erscheinen, gehen die Buchungen kurzfristig zurück. Manche Kunden nehmen dann offenbar an, Etihad könne Air Berlin fallenlassen, sollten diese Flüge unter gemeinsamer Flugnummer nicht mehr erlaubt sein. Dann käme es zur Insolvenz und man würde auf den Kosten seines Tickets sitzenbleiben.
Dieses Szenario ist zwar viel zu weit gedacht und derzeit nicht wahrscheinlich. Gleichwohl stehen Air Berlin und Etihad dieser Tage unter extrem großen Druck. Und die Konkurrenz hat großes Interesse, dass das so bleibt. Wegen ihres diffusen Geschäftsmodells konkurriert Air Berlin sowohl mit klassischen Fluglinien wie Lufthansa oder Air France/KLM bis hin zu Ryanair und Easyjet, die das Billigsegment bedienen.
Spielen Flüchtlinge bei geheimen Verhandlungen eine Rolle?
Vor wenigen Tagen fabulierte ein führender Angestellter eines Wettbewerbers, der nicht zitiert werden will, im Gespräch mit dem Tagesspiegel über die Politik im Land Berlin, im Bund, in München, in Brüssel und im fernen Emirat Abu Dhabi, der Hauptstadt der Emirate. Die jüngste in der Berliner Landespolitik verbreitete Verschwörungstheorie dreht sich um eine Bayern-Connection in Kreisen der Bundesregierung (Verkehrsminister Alexander Dobrindt von der CSU macht alles nur für Lufthansas Drehkreuz in München). Die halte er für irre. Auf der anderen Seite meint der Mann zu wissen, dass die Flüchtlingskrise ein Faktor bei den bilateralen Geheimverhandlungen über Air Berlins arabische Partnerschaft sei. Nach dem Motto: Helfen die Scheichs Deutschland mit den Flüchtlingen, gewährt die Bundesregierung Etihad über die Beteiligung bei Air Berlin weiterhin Zugang zum deutschen Markt.
Was soll man noch glauben? Sicher ist: Es geht ums große Geschäft auf dem halben Globus - im Dreieck zwischen Berlin, Tokio und Sidney. „Um Air Berlin geht es uns gar nicht“, sagt der Mann von der Konkurrenz. Und das ist insofern glaubwürdig, als dass Air Berlin allein - die Nummer zwei in Deutschland, Nummer sieben in Europa, Nummer irgendwas weltweit - keine echte Bedrohung für die europäischen Marktführer ist. Tatsächlich aber haben diese ein Problem, so lange die relativ schwache Air Berlin diesen extrem finanzstarken Partner aus Abu Dhabi an Bord hat. Etihad ist neben Emirates und Qatar die dritte große Airline vom Persischen Golf. Und ihren Vormarsch, fürchten Air Berlins Konkurrenten, kann auch das Anfang vergangener Woche im EU-Parlament verabschiedete „Luftfahrtpaket“ zur Stärkung der europäischen Airlines und Flughäfen nicht wirklich stoppen.
Wirtschafts- und Verkehrsministerium sind uneins
Aus Sicht der Marktführer im Interkontinentalgeschäft von Lufthansa bis Air France/KLM wäre es ein erster Schritt, wenn es Air Berlin und Etihad, die 29 Prozent an Air Berlin hält, untersagt würde, gemeinsame Partnerflüge durchzuführen. Das Luftfahrtbundesamt (LBA), unter Kontrolle des Verkehrsministeriums, will nun 34 der 60 Verbindungen ab dem 15. Januar nicht mehr genehmigen. Gegen diesen Eingriff mitten im Winterflugplan hat Etihad am Sitz des LBA in Braunschweig Klage eingereicht. Derweil sondieren Diplomaten zwischen Berlin und Abu Dhabi die Lage. Man hört, dass die Araber ein sehr eigenwillige Verhandlungstaktik fahren: Möglichst nicht reden, um am Status quo nichts zu ändern.
Aber auch die deutsche Seite ist nicht geschlossen. Aktuell gelten die SPD-geführten Ministerien für Wirtschaft und Äußeres eher als Unterstützer der Air-Berlin-Position, während das CSU-geführte Verkehrsressort eine Einschränkung will. Das CDU-geführte Kanzleramt ist Zünglein an der Waage. Ob es hilft, dass auch Berliner CDU-Politiker, allen voran der Berliner Fraktionschef Florian Graf, persönlich bei ihrem Parteifreund, dem Kanzleramtsminister Peter Altmaier, für Air Berlins Belange werben, bleibt abzuwarten. Bei Air Berlins Konkurrenten kam der jüngste Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses, die Bundesregierung möge sich für Air Berlin stark machen, bei der Konkurrenz jedenfalls gar nicht gut an. So hat der Chef des Frankfurter Ferienfliegers Condor, Ralf Teckentrup, dieser Tage einen leidenschaftlich bösen Brief an die Chefs der Koalitionsfraktionen, Graf und Raed Saleh (SPD) geschrieben.
Wie Etihad sich in Europa ausbreitet
Auf den ersten Blick scheint auch seine Sorge berechtigt: Etihad baut über diesen Umweg der Codeshare-Flüge mit Air Berlin den Zugang zu den Kunden in der geografischen und wirtschaftlichen Zentrum des 500-Millionen-Einwohner-starken Wirtschaftsraumes EU aus. Dem Zweck diente auch die 49-Prozent-Übernahme der pleitebedrohten italienischen Staatsfluglinie Alitalia in diesem Jahr. Selbst wenn die Scheichs Europas Interkontinentalairlines im Gegenzug zusätzliche Landerechte für ihre nur Zehn-Millionen-Einwohner großen Emirate einräumen würden - Die Europäer brauchen sie nicht, sie wollen Passagiere direkt in Asiens Megacities fliegen.
Rund 25 Direktverbindungen von Deutschland nach Asien habe allein die Lufthansa in den vergangenen zehn Jahren streichen müssen, weil die aufstrebenden Konkurrenten aus den Golf-Staaten diese billiger und im Zweifel komfortabler anbieten konnten, argumentiert die Gesellschaft. Und doch gibt Lufthansa den Kampf offenbar nicht auf: Vergangene Woche nahm die Airline zwei neue Ziele in den Flugplan auf: Ab Frankfurt geht es nun auch auf die Malediven und nach Mauritius im Indischen Ozean. Etihads Lokalrivale Emirates macht der Lufthansa die größten Sorgen: mit aktuell 69 Fliegern des Airbus-Typs A380 unterhält er die mit Abstand größte Flotte dieses weltgrößten Passagierflugzeuges. Einmal angeschafft kann man Passagiere damit auf der Langstrecke kaum kostengünstiger befördern.
Tatsächlich fliegt Lufthansa weit mehr Gäste nach Asien
In diesem globalen Milliarden-Spiel wirkt Berlin plötzlich sehr klein. Und trotzdem regt sich der Mann vom Air-Berlin-Konkurrenten auf. Der Luftverkehrsstandort Deutschland mit seinen tariflich abgesicherten Arbeitsplätzen und Steuerabgaben sei wegen Etihads Unterstützung in Gefahr. Dabei beziffern Air Berlin und Etihad das zusätzliche Umsatzvolumen (nicht den Gewinn) ihrer Partnerschaft auf rund 140 Millionen Euro im Jahr. Gemessen an Air Berlins deutlich mehr als drei Milliarden Euro Umsatz wirkt der Wert der Partnerschaft mit Etihad überschaubar. Klein.
„Konkurrenten wie die Lufthansa benutzen das Codeshare-Thema als ein Bedrohungsszenario, welches die wahren Größenverhältnisse nicht widerspiegelt“, sagt Air Berlins Sprecher Uwe Kattwinkel dazu. „Lufthansa und ihr Star-Alliance-Netzwerk sind auf den relevanten Strecken Richtung Asien, zum Beispiel nach China, Japan und Singapur, unangefochtener Marktführer und bauen ihre Marktposition durch Joint-Ventures weiter aus“. Lufthansa und Partner kontrollierten nach Air-Berlin-Angaben 41 Prozent der Sitzplatzkapazitäten nach Asien, Air Berlin und Etihad gemeinsam weniger als zehn Prozent.
Wie weit geht Etihad für Air Berlin?
Die Bundesregierung und das Gericht in Braunschweig könnten gleichwohl geneigt sein, der Argumentation der Air-Berlin-Konkurrenten zu folgen und besagten Teil beantragten Codeshare-Verbindungen nicht über den 15. Januar hinaus zu genehmigen. Air Berlin werde das schon überleben und man könne den Arabern zugleich eine Lektion erteilen, ist wohl das Kalkül im Verkehrsministerium.
Ob die Rechnung aufgeht? Die Eigentümer von Etihad könnten, sobald sie indirekte Landerechte in Berlin und Stuttgart verlieren, die Lust an dem Investment bei Air Berlin verlieren. Dann würde es, zumindest für den Moment, eng für Air Berlin und die rund 8000 Mitarbeiter. Es sei denn, und das ist nicht unwahrscheinlich, ein neuer Investor findet sich für die „Airline mit Herz“.