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Die tatsächlichen Kohlendioxid-Werte von Neuwagen haben wenig bis nichts mit den im Fahrzeugbrief vermerkten Werten zu tun. Das beklagen Nicht-Regierungsorganisationen schon lange.
© dpa

Falsche Angaben zum Spritverbrauch: Kfz-Steuer könnte mehr Geld bringen

Die CO2-Werte von Neuwagen in den Fahrzeugpapieren haben nichts mit den real auf den Straßen erfahrenen Werten zu tun. Würde der reale CO2-Ausstoß der Kfz-Steuer zugrunde gelegt, würden auch die Einnahmen steigen.

Die Kraftfahrzeugsteuer könnte für den Finanzminister viel lukrativer sein. Das hat der ICCT (International Council on Clean Transportation Europe) in einer jährlich wiederkehrenden Studie berechnet. Die unter anderem von der Mercator-Stiftung finanzierte Organisation mit Sitz in Berlin untersucht jedes Jahr, wie sehr die in Fahrzeugscheinen von neuen Autos vermerkten Spritverbräuche von den beim realen Fahren ermittelten abweichen.

2013 habe die Diskrepanz bei 38 Prozent gelegen, 2001 seien es noch acht Prozent gewesen, heißt es in der Studie. Daraus errechnet der ICCT in seiner mit dem Heidelberger Ifeu-Institut verfassten Untersuchung einen durchschnittlichen Steuerverlust für den deutschen Fiskus von 240 Millionen Euro pro Jahr. Die Deutsche Umwelthilfe kommt für die Zeit zwischen 2009 und 2013, seit die Kfz-Steuer Kohlendioxid (CO2) bezogen berechnet wird, auf einen Steuerverlust von 860 Millionen Euro.

Das Finanzministerium hat nun in einer Antwort auf eine schriftliche Frage der grünen Bundestagsabgeordneten Lisa Paus, die dem Tagesspiegel vorliegt, bestätigt, dass sich die Bundesregierung dieser Diskrepanz samt steuerlichen Auswirkungen bewusst ist. „Ziel der Bundesregierung ist es, die in den Fahrzeugpapieren referenzierten CO2-Daten wieder näher an die Realität heranzuführen“, schreibt der Parlamentarische Staatssekretär Michael Meister. Die Zahl bestätigt er dagegen nicht und weist auch darauf hin, dass „der tatsächliche CO2-Ausstoß beim Betrieb des Pkw für die Bemessung der Kfz-Steuer nicht maßgeblich“ sei, eben weil die „aus der Typengenehmigung stammenden Daten“ dafür verwendet würden.

Paus fordert eine "realitätsbezogene" Erfassung der CO2-Werte

Lisa Paus sieht in dieser Antwort eine „indirekte Bestätigung“ des Befunds des ICCT. Im Gegensatz zur umstrittenen Maut von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sieht Paus in einer „realitätsbezogenen“ Erfassung der CO2-Werte von Pkw eine „bürokratiearme und umweltgerechte Erhöhung der Mittel für die Instandhaltung der Verkehrsinfrastruktur“. Ganz im Gegensatz zur Maut, deren Einnahmen Dobrindt eher optimistisch mit etwa 600 Millionen Euro im Jahr veranschlagt. Das Finanzministerium ist bekanntlich pessimistischer.

Der ICCT hat zudem in seiner Studie festgestellt, dass die Diskrepanz zwischen den in den Fahrzeugscheinen vermerkten CO2-Werten und den real auf den Straßen erfahrenen Werten immer weiter wächst. Vor allem deutsche Oberklassewagen weichen demnach stark von den Papierwerten ab: der Audi 16 um 50 Prozent, die Mercedes E-Klasse um 45 Prozent und der BMW 5er um 40 Prozent.

Warum diese Lücke politisch noch nicht geschlossen ist, hat Jürgen Trittin am Freitag indirekt beantwortet. In einer Rede für eine Tagung der Humboldt-Universität, die er wegen Krankheit nicht halten konnte, aber veröffentlicht hat, beschreibt er, welchen Lobby-Druck die Autoindustrie zu seiner Zeit als Umweltminister entfaltet hat: „Vorstandsmitglieder wie Ferdinand Piëch (VW) riefen noch spätabends an. Im Auftrag des Vorstands machte gleichzeitig der Volkswagen-Betriebsrat beim SPD-Fraktionsvorsitzenden Druck.“

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