Philadelphia macht Softdrinks teurer: Kein Zuckerschlecken
Philadelphia führt eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke ein. Die Briten wollen nachziehen. Wie sieht es in Deutschland aus?
In der Ostküstenmetropole Philadelphia müssen die Menschen bald mehr für ihre Cola bezahlen als im Rest der USA. Am Donnerstag verabschiedete der Stadtrat eine Sondersteuer auf zuckerhaltige Getränke – also für Limonaden, Sportgetränke, aromatisiertes Wasser und vorgesüßte Tee- und Kaffeegetränke. Eine derartige Steuer gibt es in den USA sonst nur noch in der deutlich kleineren Stadt Berkeley in Kalifornien. Ab Anfang 2017 werden diese Getränke in Philadelphia um rund einen halben US-Dollar, also etwa 0,40 Euro pro Liter teurer sein. Bezahlen werden die Steuer die Getränkevertreiber. Diese können dann entscheiden, ob sie die Preise erhöhen und sich das Geld somit von den Verbrauchern zurückholen. Ausnahmen soll es nur für Milchgetränke und frische Fruchtsäfte geben.
Ziel der Steuer ist es, das Gesundheitsbewusstsein zu schärfen. 68 Prozent der Erwachsenen und 41 Prozent der Kinder der 1,5 Millionen Einwohner von Philadelphia leiden unter Übergewicht. Bürgermeister Jim Kenney sprach von einem „großen Sieg“. Die Stadt rechnet mit geschätzten Einnahmen von umgerechnet 80 Millionen Euro pro Jahr. Dieser Gewinn soll Kindergärten, Schulen, öffentlichen Freizeiteinrichtungen und Bibliotheken zu Gute kommen. „Philadelphia hat eine historische Investition in unser Gesundheitssystem gemacht“, so der Demokrat.
„Es sollte nicht Aufgabe der Regierung sein, bestimmte Produkte zu dämonisieren“
Die Getränkeindustrie droht mit Klagen. „Es sollte nicht Aufgabe der Regierung sein, bestimmte Produkte zu dämonisieren“, erklärte der Branchenverband American Beverage Association, dem auch Coca-Cola und Pepsi angehören. Außerdem werden sich die Verbraucher eben außerhalb der Stadtgrenzen mit süßen Getränken versorgen, sagen Kritiker der Steuer. Laut der Nachrichtenplattform „6abc“ sagte ein Mitarbeiter von Coca-Cola: „Wenn diese Steuer durchgesetzt wird, entsteht der schlimmste Schwarzmarkt seit der Prohibition, für alkoholfreie Getränke.“
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, höchstens zehn Prozent der täglichen Kalorien in Form von Zucker aufzunehmen, besser seien fünf Prozent, also höchstens 25 Gramm pro Tag. Das entspricht etwa sechs Teelöffeln. Ein Glas Cola (250 Milliliter) enthalte mit 27 Gramm bereits mehr Zucker, als man am Tag konsumieren sollte.
Was in Philadelphia beschlossen wurde, wird in Großbritannien ebenfalls seit längerer Zeit diskutiert. Die dortige Regierung hat eine Steuer für Unternehmen angekündigt, die zuckerhaltige Softdrinks herstellen oder importieren. Auch hier sollen die Einnahmen der Abgabe – man rechnet mit 660 Millionen Euro – in die Kinder, genauer: in die Förderung von Grundschulsport fließen. Im Gegensatz zu Philadelphia berechnet sich die Steuer jedoch durch den Zuckergehalt, nicht nach Liter. So sollen Unternehmen dazu gebracht werden, Getränke mit weniger Zucker zu produzieren.
Die neue Steuer im Vereinigten Königreich soll auf zwei Stufen basieren: Eine für Getränke ab fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter und eine für mehr als acht Gramm. Wie in Philadelphia sollen auch hier Getränke auf Milchbasis und reine Fruchtsäfte von der Steuer ausgeschlossen sein. In skandinavischen Ländern gibt es bereits seit vielen Jahren Zuckersteuern. Auch in beispielsweise Frankreich, Belgien, Ungarn und Mexiko verteuern Steuern Getränke mit zugesetztem Zucker.
„Wir fragen uns, wann reagiert endlich die Bundesregierung?“
Und in Deutschland? Die Deutsche Diabetes-Hilfe jedenfalls würde eine solche Steuer begrüßen. „Wir fragen uns, wann reagiert endlich die Bundesregierung?“, sagte Vorstandvorsitzender Thomas Danne. Zwar habe der Bundestag beschlossen, gemeinsam mit Lebensmittelwirtschaft und Lebensmittelhandel eine nationale Strategie für die Reduktion von Zucker, Fetten und Salz in Fertigprodukten zu erarbeiten. „Doch dieses Vorhaben setzt auf freiwillige Maßnahmen der Industrie, die vermutlich kaum Effekte bringen werden“, kritisiert Danne.
Eine Sprecherin des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft sagte, man lehne eine politische Steuerung des Konsums durch Strafsteuern für vermeintlich ungesunde Lebensmittel ab. „Sie ändern in der Regel nichts am Ernährungsverhalten der Menschen. Andere Länder haben bereits schlechte Erfahrungen damit gemacht“, sagte die Sprecherin. Das Ministerium versuche durch Information und Bildungsangebote eine Grundlage für „selbstbestimmte Verbraucherentscheidungen“ zu legen.
Von der Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke e.V. (wafg) hieß es, eine derart einseitige Steuer auf eine einzelne Produktkategorie sei diskriminierend und nicht sinnvoll. „Viele Anhaltspunkte legen nahe, dass Steuern das Verhalten in Bezug auf Kalorienaufnahme und Bewegung nicht verändern.“ Der Verbraucher weiche auf billigere Produkte aus, die Kalorienaufnahme würde nicht reduziert.
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