Miles & More: Kaufen wird belohnt
Fast alle Unternehmen arbeiten mit Bonuskarten, um Kunden an sich zu binden. Doch nur selten lohnen sich die Rabatte wirklich.
Wie viel ist eine gesammelte Bonusmeile wert? Eine knifflige Frage, über die sich nicht einmal die Lufthansa einig zu sein scheint. An diesem Dienstag müssen sich die Teilnehmer der Hauptversammlung mit dem Problem auseinandersetzen. Ein Aktionär will klären lassen, warum die Fluggesellschaft den Wert einer Meile in ihrer Bilanz mit 0,80 Cent angibt. In einem Gerichtsverfahren war zuvor von 2,77 Euro die Rede gewesen.
Der Streit um das Bonusprogramm Miles & More hat nämlich auch schon die Justiz beschäftigt. Geklagt hatte ein Hamburger Professor, der sich gegen die Entwertung seiner gesammelten Meilen gewehrt hatte. Die Lufthansa hatte die Bedingungen geändert, es waren nun mehr Meilen für bestimmte Strecken nötig. Diese Veränderung hatte das Unternehmen aber erst einen Monat vor der Umstellung bekannt gegeben. Der verärgerte Kunde zog vor Gericht – und gewann. Inzwischen hat sein Anwalt nachgelegt und die Lufthansa wegen gewerbsmäßigen Betrugs in 21 Millionen Fällen angezeigt.
Der Streit offenbart die Intransparenz vieler Bonussysteme. Ob Miles & More, Payback oder Deutschland-Card: Die Kunden müssen genau hinschauen, ob sich das Sammeln für sie lohnt.
WELCHE BONUSSYSTEME ES GIBT
Bekleidungsgeschäfte, Tankstellen, Möbelhäuser, Hotels: Die meisten Unternehmen bieten eigene Kundenkarten an. Daneben gibt es sogenannte Multipartnerprogramme, bei denen man bei mehreren Geschäften Punkte sammeln und später gegen Prämien oder Einkaufsgutscheine einlösen kann. Der größte Anbieter ist Payback. Laut einer Emnid-Studie besitzen 46 Prozent der Haushalte diese Karte; sie wird rund 1,5 Millionen Mal am Tag an deutschen Kassen gezückt. Inklusive Onlineshops kann man sie bei mehr als 500 Partnern einsetzen, darunter Aral, dm, Galeria Kaufhof und Real.
Ähnlich funktioniert die Deutschland-Card der Bertelsmann-Tochter Arvato. Sie gilt für mehr als 265 Partner, darunter Edeka, Marktkauf, Esso und Schlecker. Auch mit der Miles & More-Karte der Lufthansa kann man nicht nur bei Flügen Bonuspunkte sammeln, sondern auch bei Hotel- und Mietwagenbuchungen, Zeitschriftenabos und in Geschäften. Inklusive der Fluglinien der Luftfahrtallianz Star Alliance sind es mehr als 330 Partnerunternehmen. Zusammen haben die drei Programme über 50 Millionen Teilnehmer. 2010 hat auch die Deutsche Bahn ein Bonussystem eingeführt: Mit der Bahn-Bonus-Card kann man bei Bahnreisen, aber auch bei Hotels und Mietwagenfirmen Punkte sammeln, etwa bei Avis, Sixt, Hilton, Radisson Blu und den Accor-Hotels.
Neben Einzel- und Multipartnerprogrammen unterscheidet man auch zwischen Rabattkarten, bei denen man einen gewissen Prozentsatz des Einkaufs gutgeschrieben bekommt und Statuskarten, bei denen man stattdessen andere Vorteile wie etwa Serviceleistungen erhält.
WANN ES SICH LOHNT
Bonuskarten lohnen sich dann, wenn man bereits Stammkunde eines Unternehmens ist. Auf keinen Fall sollte man sich von der Aussicht auf Prämien in bestimmte Geschäfte locken lassen. „Das Einkaufsverhalten wegen einer Karte zu ändern, bringt nichts“, sagt Kerstin Backofen von der Stiftung Warentest. „Dazu bieten die meisten Bonusprogramme viel zu geringe Vorteile.“ Im Schnitt liegt der Rabatt bei drei Prozent, oft ist es weniger, selten mehr. Wie hoch die Ersparnis konkret ist, lässt sich vor allem bei den Multipartnerprogrammen nur schwer nachvollziehen, da jedes Unternehmen selbst festlegt, wie viele Punkte es für welchen Umsatz gutschreibt. Als Stammkunde läuft man zudem weniger Gefahr, dass die Punkte verfallen. Bei Payback und Co. hat man drei Jahre Zeit, bei manchen Unternehmen wie Esprit nur ein Jahr. Generell gilt, dass man den Gegenwert am besten ersehen kann, wenn man sich den Rabatt bar auszahlen oder beim nächsten Einkauf verrechnen lässt. Bei den meisten Kundenkarten einzelner Unternehmen funktioniert das Bonussystem genau so: Sobald man einen bestimmten Rabattbetrag angesammelt hat, bekommt man einen Gutschein.
Komplizierter ist es bei Payback und Co. Neben der Möglichkeit, Einkaufsgutscheine oder Freiflüge zu erhalten, werden die Kunden mit „wertvollen“ Sachprämien gelockt. Hier ist der tatsächliche Gegenwert der gesammelten Punkte schwer bestimmbar. Für die Kunden wird nicht transparent, ob sich das Sammeln wirklich lohnt. Bei manchen Prämien ist man besser beraten, wenn man sie direkt im Laden kauft: Das Wassermalset „Aqua Doodle“ gibt es bei Payback zum Beispiel für 1999 Punkte, das entspricht 19,99 Euro. Im Internet ist das gleiche Produkt bereits für 17,77 Euro zu haben. Bei der Deutschland-Card braucht man 4800 Punkte für das Videospiel „Cars 2“, man kann es auch für 500 bekommen – wenn man 43 Euro draufzahlt. Im Internet ist das Spiel schon für 27,99 Euro zu haben. Und ein Samsonite-Regenschirm, den es bei Payback für 1499 Punkte gibt, kostet bei der Deutschland-Card 2100 Punkte.
Prämien würden „maximal zu der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers angeboten“, heißt es bei der Deutschland-Card GmbH. Einzelne Spezialhändler könnten Artikel aber „aktionsbezogen günstiger anbieten“. Allerdings sei der Preis hier oft nur begrenzt gültig, während die Produkte der Deutschland-Card langfristig verfügbar seien. Wer sichergehen will, dass er auch einen Vorteil vom Sammeln hat, sollte sich einen Gutschein ausstellen lassen.
WAS MIT DEN DATEN GESCHIEHT
Im Gegenzug für den Rabatt erfassen die Firmen bei jedem Einkauf, wer was wann wo kauft. Das Wissen wird für zielgerichtete Werbung genutzt. Individuelle Kundenprofile erstellen die Unternehmen nach eigenen Angaben nicht. „Die Werbung basiert nicht auf Einzelpersonen“, versichert Payback-Sprecherin Nina Purtscher. „Die Angebote werden auf Kundengruppen von mehreren tausend Personen zugeschnitten, zum Beispiel alle, die in den letzten vier Monaten bei dm eingekauft haben und unter einer bestimmten Postleitzahl wohnen.“ Die Adressen der Kunden besitze nur das Unternehmen, bei dem sich der Kunde für das Programm angemeldet hat und werde nicht unter den Partnern ausgetauscht.
In einer Untersuchung der Stiftung Warentest bescheinigten die Tester aber nur vier von 29 Bonusprogrammen einen akzeptablen Umgang mit Kundendaten: Deutschland-Card, Bahn-Bonus, Payback und Yves Rocher. Viele Firmen fragen bei der Anmeldung zu viele Details ab, finden die Verbraucherschützer. Für die Abwicklung des Programms bräuchten sie nur den Namen, die Adresse und das Geburtsdatum. „Hobbies, Unterwäschevorlieben oder was im Haushalt los ist, müssen die Firmen nicht wissen“, kritisiert Kerstin Backofen. Sie rät Kunden, solche Felder nicht auszufüllen. Wer das bereits getan hat, kann darum bitten, dass diese Daten gelöscht werden.
Datenschützer gehen davon aus, dass die Bonusprogramme datenschutzkonform sind, Verstöße haben sie in letzter Zeit nicht festgestellt. Doch die Skepsis bleibt: „Ich halte die Programme für fragwürdig“, sagt Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein. „Datensammeln wird mit einer minimalen finanziellen Vergünstigung gerechtfertigt.“
Wer nichts über sich preisgeben will, bleibt besser bei der alten Stempelkarte, wie es sie auch im Tagesspiegel-Shop gibt. Beim zehnten Einkauf gibt es eine Flasche Wein gratis.