Rückkehrer: Zurück auf Los
Die Krise erwischt viele Deutsche im Ausland. Einige der Auswanderer kehren deshalb zurück – doch was erwartet sie in ihrer Heimat? Der Neustart ist oft holprig.
Als der keltische Tiger zum Sprung ansetzte, wagte auch Jessica Lange den Schritt nach Irland. 2007 ging die Betriebswirtin mit Schwerpunkt Personalmanagement nach Dublin. „In Deutschland gab es keine guten Stellen, alle verlangten mindestens drei Jahre Berufserfahrung“, sagt die heute 27-Jährige. In Irland zahlten Personalagenturen damals jedem Arbeitslosen, der sich über sie vermitteln ließ, eine Prämie. Jessica Lange fand in zehn Tagen eine Stelle. Bei einer Softwarefirma baute sie das Recruitingteam für die Region Europa, Mittlerer Osten und Afrika mit auf. Zweieinhalb Jahre war Lange vor Ort. Inzwischen ist Irland infolge der Krise keine aufstrebende Wirtschaftsnation mehr, der Tiger ist als Bettvorleger gelandet. Und Lange arbeitet in einer Firma für Medizintechnik in Berlin.
In Krisenzeiten erwischt es die Ausländer als Erste. Ohne Job keine Aufenthaltsgenehmigung – deswegen zieht es viele Deutsche jetzt wieder nach Hause. Zwar haben auch im vergangenen Jahr nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 175 000 Deutsche ihrer Heimat den Rücken gekehrt. Aber der Trend scheint sich umzukehren, berichten Organisationen, die sowohl Auswanderer als auch Rückkehrer betreuen. Arg von der Krise gebeutelte Staaten wie Spanien, Großbritannien und Irland haben besonders an Attraktivität verloren. Die Abenteuerlust geht zurück, Familie, Freunde und die Sozialsysteme versprechen mehr Sicherheit. Fachkräftemangel und die demografische Entwicklung bessere Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt trotz Krise.
Aber der Schein eines sicheren Hafens Deutschland trügt. Nicht immer gelingt die Rückkehr, der Auslandsaufenthalt ist längst keine Garantie mehr für einen Karriereschub zuhause. Auch deswegen wird der Schritt ins Ausland zunehmend unattraktiver. Das bestätigt eine aktuelle Studie von Pricewaterhouse-Coopers über den Führungsnachwuchs deutscher Unternehmen. Während vor zwei Jahren noch ein Viertel der befragten Jungmanager angab, sie werden ins Ausland gehen, sind es heute nur noch sieben Prozent.
Jessica Lange hat den Anschluss schnell wieder gefunden, weil sie sich bereits aus Irland um einen Job in Deutschland gekümmert hat. Es war aber mühsam über die Distanz, deutsche Firmen wollten die Anreise zu Vorstellungsgesprächen nicht übernehmen. „Den Flug nach Berlin habe ich dann selbst bezahlt“, sagt Lange. Albrecht von Bonin kennt diese Probleme. Der Geschäftsführer der gleichnamigen Personalberatung, die seit 15 Jahren Auslandsrückkehrer berät, weiß, dass Bewerbungen aus dem Ausland daher schnell auf dem Absagenstapel landen. „Wir raten solchen Bewerbern gleich anzubieten, die Kosten bis zur deutschen Grenze selbst zu tragen und ab da das Unternehmen zahlen zu lassen“, sagt von Bonin.
Die Skepsis deutscher Personalabteilungen gegenüber Kandidaten aus dem Ausland beschränkt sich aber nicht nur auf höhere Anreisekosten im Auswahlverfahren. Sowohl entsendeten Expats, als auch aus Abenteuerlust vorübergehend ausgewanderten Berufseinsteigern wird häufig unterstellt, dass sie sich nicht wieder integrieren können und ihnen die Kenntnisse des deutschen Marktes fehlen. „Es gibt Typen, die im Ausland, wie die Made im Speck gelebt haben und sich hier dann wie verzogene Gören benehmen“, sagt auch von Bonin.
Probleme bei der Einordnung in den deutschen Arbeitsalltag, aber auch im Privatleben, tauchen selbst dann auf, wenn der Rückkehrer beruflich aufsteigt. „Wer im Ausland eine herausgehobene Position hatte, fühlt sich in Deutschland unabhängig von seiner neuen Aufgabe subjektiv als ,kleinerer Fisch''“, sagt Andreas Bittner, Geschäftsführer des Instituts für interkulturelles Management (Ifim). Er empfiehlt daher die Teilnahme an Rückkehrerseminaren: „Am besten sind unternehmensinterne Veranstaltungen, weil der Arbeitgeber damit zeigt, dass ihm die Rückkehrer und ihre Erfahrungen wichtig sind.“ Solche Kurse sind gerade für Heimkehrer, die länger weg waren, hilfreich, weil ihnen die Integration in Deutschland häufig schwerer fällt. „Junge Berufseinsteiger sollten nicht länger als drei Jahre im Ausland bleiben“, sagt Personalberater von Bonin. Man überschreite sonst leicht einen Point of no Return.
Außerdem raten die Experten auch während der Zeit im Ausland, den Kontakt in die Heimat zu halten. „Die Welt bleibt in Deutschland nicht stehen, während die Expats im Ausland sind“, sagt Ifim-Geschäftsführer Bittner. „Die Wirtschaft predigt zwar Auslandserfahrung als Karrierevoraussetzung“, sagt von Bonin, „aber ihre Entsandten verlieren sie oft aus dem Auge.“ Deswegen müsse man sich selbst darum kümmern, im Blickfeld zu bleiben. Schriftliche Rückkehrgarantien geben die Firmen heute kaum noch. „Das höchste der Gefühle ist die Zusage, eine vergleichbare Alternative im Konzern zu bekommen“, sagt von Bonin.
Wichtig ist es, in so einer Vertragsklausel auf den Zusatz „in Deutschland“ zu beharren. Sonst kann die vergleichbare Stelle überall auf der Welt und der erste Auslandseinsatz der Einstieg in eine Nomadenkarriere sein. Bittner empfiehlt, sich auch im Ausland über die eigene Branche, aber auch die allgemeine Situation mit Hilfe von Fachzeitschriften und Tageszeitungen übers Internet auf dem Laufenden zu halten. Das verhindert auch den umgekehrten Kulturschock. „Das versäumen viele und wundern sich dann, dass ihnen Deutschland so fremd vorkommt.“
Andere Fehler werden häufig schon vor dem Beginn des Auslandsaufenthalts gemacht. „Viele Expatriates lassen sich überreden, lokale Verträge zu unterschreiben“, sagt von Bonin. Auswanderer, die auf eigene Faust im Ausland einen Job suchen, haben häufig gar keine andere Wahl, als sich den arbeitsrechtlichen Regelungen vor Ort zu unterwerfen. In Krisenzeiten wird das in mehrfacher Hinsicht zum Bumerang. In Ländern wie Dubai kann man von einem Tag auf den anderen seinen Job verlieren. Sofern man keine Anschlussbeschäftigung findet, muss man dann innerhalb von 30 Tagen das Land verlassen. Hinzu kommt, dass den Rückkehrern die Zeit im Ausland nicht auf die Rentenversicherung angerechnet wird. Es sei denn, sie haben ihre Sozialversicherungsbeiträge in diesem Zeitraum freiwillig weiterbezahlt.
Während Länder wie Dubai, Großbritannien, Irland, Spanien und die USA momentan besonders stark an Attraktivität verlieren, können sich Asien und Südamerika als Krisengewinner bezeichnen.
Doch auch wenn Irland, inklusive Rückkehr oft nicht einfach war. Jessica Lange möchte die im Ausland gemachten Erfahrungen nicht missen. Sie würde sich heute wieder dafür entscheiden. Mitarbeit: Til Knipper
Gekürzter Beitrag aus der September-Ausgabe von „Junge Karriere“
Astrid Oldekop
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