Beruf Bauer: Hofzeit
288 000 landwirtschaftliche Betriebe gibt es noch in Deutschland. Doch der Nachwuchs ist rar – trotz guter Karriereperspektiven. Ein Bauer berichtet.
Nachdem Axel Gericke die Pferde gefüttert und sie auf die Koppel gebracht hat, kontrolliert er auf den Feldern, wie sich die kleinen Getreidepflanzen entwickeln. Anschließend kümmert er sich um seine Maschinen. „Jetzt, im Winter, ist endlich Zeit, um die Pflugmaschinen und den Grubber, der den Boden für die nächste Aussaat vorbereitet, für die nächste Saison wieder flott zu machen“, sagt der Landwirt. In Lübars betreibt er einen Hof mit 44 Hektar und im brandenburgischen Nauen eine knapp 150 Hektar große Fläche.
Gericke baut vor allem Roggen, Weizen, Hafer und Raps an und nutzt seine Wiesen zur Gewinnung von Heu als Futter für die Pferde. In Lübars gehören zu seinem Betrieb 30 Stallplätze und eine Reithalle, die von Pferdebesitzern gemietet werden. „Die Landwirtschaft allein reicht in Berlin für ein Auskommen nicht aus“, sagt der 55-Jährige. Die Hälfte seiner Einnahmen erzielt er durch die Sport- und Freizeitpferdehaltung, den Rest durch den Ertrag seiner Felder, den er an Händler in Berlin und im Umland verkauft.
Etwa 35 landwirtschaftliche Betriebe gibt es noch in Berlin. Aufgrund der kleinen Flächen finden dort häufig Mischformen aus Gartenbau, Land- und Pferdewirtschaft statt. Einige Höfe konzentrieren sich auch auf die Futterproduktion für den Berliner Zoo. Die Bauern in der Hauptstadt haben es aber nicht leicht. „Die Böden sind schlecht und die jungen Leute wollen die Höfe nicht übernehmen“, sagt Axel Gericke, der auch Vertreter des Landesverbandes Landwirtschaft und Pferdehaltung in Berlin ist.
Auch auf der Grünen Woche kommt das Thema wieder einmal auf den Tisch. Denn: Die Sorge, dass bestehende Höfe nicht von den Jüngeren übernommen werden, gibt es bundesweit. „Vor allem in großen Betrieben in den neuen Bundesländern fehlt der Nachwuchs“, sagt Michael Lohse, der Sprecher des Bauernverbands. Auch in Brandenburg, wo es 5500 Betriebe gibt, konnten im Jahr 2014 nicht alle Ausbildungsplätze besetzt werden. Nach Angaben der Agentur für Arbeit blieben von den 180 zur Verfügung stehenden Stellen bis Ende September 19 unbesetzt. Von den bundesweit 1576 Lehrstellen waren es etwa 100.
Gewöhnlich beginnt Gerickes Tag um 6.30 Uhr, erzählt der zweifache Familienvater. Wie lange er arbeitet, das hängt davon ab, wie viel zu tun ist – und variiert von Jahreszeit zu Jahreszeit. Im Herbst, zur Ernte, herrscht auf seinem Hof Hochbetrieb. „Dann wird das Getreide geerntet, die Felder für die nächste Aussaat vorbereitet, das Gras gemäht und zum Trocknen zu Rundballen gebunden“, berichtet der Landwirt, der zur Verstärkung zwei feste Mitarbeiter an seiner Seite hat. Freizeit kann er sich dann keine leisten. Doch er wusste, worauf er sich einlässt, als er sich für seinen Beruf entschied.
Gerickes Eltern bauten 1955 einen Bauernhof in Rudow auf, den sich seine beiden Brüder später übernahmen. Als jüngster Sohn musste er sich einen neuen Standort suchen und startete 1983 in Lübars seine eigene Landwirtschaft.
Der gelernte Gärtner, der außerdem ein Studium in Landschaftsbau abgeschlossen hat, konzentrierte sich ursprünglich auf Gemüseanbau. „Mit Salat, Spinat, Bohnenkraut und Petersilie hatten wir unsere Nische gefunden“, berichtet Axel Gericke. Als es nach der Wende schwieriger wurde, Saisonarbeitskräfte aus dem osteuropäischen Ausland zu bekommen, mit den vom Arbeitsamt vermittelten Kräften die Ernte aber nicht funktionierte und außerdem noch die Preise für seine Produkte sanken, begann er sein Betriebskonzept zu ändern.
Bauer oder Landwirt kann sich nennen, wer eine dreijährige Ausbildung gemacht und gelernt hat, wie man pflanzliche und tierische Produkte in marktgerechter Qualität erzeugt, wie man Nutztiere hält und wie man Maschinen für die Bodenbearbeitung, für die Saat, die Düngung und die Ernte bedient und wartet. Vermittelt wird auch alternative Landwirtschaft und wie man die Erzeugnisse vermarktet und einen Betrieb erfolgreich führt.
Wer die Lehre hinter sich hat, führt in der Regel einen eigenen Betrieb oder lässt sich in einem Großbetrieb anstellen, arbeitet im Acker-, Gemüse- und Obstanbau oder steigt in die Tierhaltung ein. Finanziell stehen meist die besser da, die sich selbstständig machen: Je nach Berufserfahrung und Verantwortung liegt für angestellte Landwirte das tarifliche Bruttogehalt bei etwa 2000 Euro im Monat. Selbstständige verdienen laut Bauernverband monatlich etwa 3000 Euro brutto.
Doch nicht jede Fachkraft hat die Möglichkeit, einen eigenen Hof zu betreiben. 288 000 landwirtschaftliche Betriebe gibt es in Deutschland – und 1,2 Millionen Menschen, die dort tätig sind, darunter Fachkräfte, Familienangehörige und Saisonarbeiter.
Mit einem Studium hat man die Chance, beruflich weiter zu kommen. Mit einem Masterstudium etwa kann man sich spezialisieren in Fachrichtungen wie Agrarmanagement, Life Sciences oder Umweltwissenschaft (siehe Kasten). Mit einem solchen Abschluss können Absolventen in Versuchs- und Forschungsabteilungen von Unternehmen der Pflanzenschutz-, der Düngemittelherstellung oder Saatgutzüchtung arbeiten, in Beratung und Vertrieb, Aus- und Weiterbildung oder der Entwicklungshilfe.
Axel Gericke hat das nie gewollt. Der Berliner Landwirt ist mit seinem Hof mehr als zufrieden. Die Abwechslung gefällt ihm. Er hält sich in der Natur auf, sitzt auch im Büro, arbeitet mit Behörden, Mitarbeitern und Kunden zusammen. Er möchte mit niemandem tauschen.
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