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Wir sehen uns in Berlin. Zur Großdemo an diesem Samstag haben 30 Organisationen aufgerufen.
© dpa

Handelsabkommen Ceta: Kampf auf den letzten Metern

Kanada ist bereit, der EU beim Freihandelsabkommen noch weiter entgegenzukommen. Doch viele Bürger halten nichts von Ceta und gehen auf die Straße.

Zumindest einen Erfolg hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in Sachen Freihandel bereits jetzt erzielen können. Die kanadische Regierung ist bereit, mit Klarstellungen umstrittene Punkte im geplanten Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (Ceta) zu entkräften. Die Nachbesserungen sind eine wichtige Bedingung für die Zustimmung des SPD-Parteikonvents, der am Montag über die Haltung der SPD zu Ceta und damit auch über die politische Zukunft ihres Parteivorsitzenden Gabriel abstimmt. Ob das jedoch auch reicht, die Bürger zu überzeugen, ist fraglich. Nach einer neuen Umfrage der „Wirtschaftswoche“ sind nur 18 Prozent der Deutschen für Ceta, 38 Prozent sind dagegen, ein Viertel weiß gar nicht, worum es geht. An diesem Samstag finden in sieben Städten, darunter auch in Berlin, Großdemos gegen Ceta und das europäisch-amerikanische Gegenstück, TTIP, statt.

Gabriel war am Donnerstag nach Kanada gereist, um mit Handelsministerin Chrystia Freeland und Kanadas Regierungschef Justin Trudeau offene Fragen zu den Schiedsgerichten und der Daseinsvorsorge zu klären. Sowohl die SPD als auch die Gewerkschaften hatten hier Klarstellungen gefordert. Sie haben Sorge, dass im Ceta-Abkommen der Investorenschutz zu groß und die Arbeitnehmerrechte zu klein geschrieben werden. Freeland betonte ausdrücklich, dass es nur um die Klarstellung von Details geht, „es handelt sich nicht um eine Neuverhandlung des Ceta-Abkommens“.

Kanadas Regierung will unbedingt, dass Ceta ein Erfolg wird. Die EU ist für Kanada der zweitwichtigste Handelspartner nach den USA, andersherum liegt Kanada jedoch nur auf Platz zwölf. Am Dienstag kommt Freeland nach Deutschland, um Gespräche zu führen. Am kommenden Freitag beraten die EU-Wirtschaftsminister über das vorläufige Inkrafttreten einzelner Ceta-Teile.

"Progressive Handelspolitik"

Für Gabriel und Trudeau ist Ceta „Ausdruck eines gemeinsamen Bekenntnisses zu einer modernen, progressiven Handelspolitik“. Freeland warf „Populisten“ vor, sich mit Stimmungsmache gegen den Freihandel profilieren zu wollen. Sie beobachte eine „weltweite Entfesselung des Zorns gegen die Globalisierung“. Zu den Demos am Samstag hat ein breites, 30 Organisationen umfassendes Bündnis von Ceta- und TTIP-Kritikern aufgerufen, darunter auch der DGB. Allein in Berlin wird mit 80 000 Teilnehmern gerechnet.

In der EU-Kommission fürchtet man, dass Ceta, das im Oktober unterschrieben werden soll, auf den letzten Metern noch zerschossen wird und dass damit die gesamte EU-Handelspolitik in Scherben liegt. Dem Recherchenetzwerk Correctiv.org liegt ein internes Sitzungsprotokoll aus Brüssel vor. Darin wird ein hoher Kommissionsbeamter zitiert, der sagt, die europäische Handelspolitik sei kurz vor dem Tod, wenn es noch nicht mal gelänge, ein Abkommen mit Kanada zu schließen. Wer nähme die Handelsabteilung der Kommission noch ernst, wenn sie erst Verträge ausarbeitet, die dann politisch scheitern? TTIP stünde mit Sicherheit vor dem Aus – genauso wie die geplanten Handelspakte mit Japan, China und Südamerika.

Auch für Bundeswirtschaftsminister Gabriel steht einiges auf dem Spiel. Der SPD-Politiker hält TTIP für tot, für Ceta hat sich Gabriel aber immer starkgemacht. Die SPD hatte dagegen früh rote Linien vorgegeben, und die Gewerkschaften hatten eine Unterstützung nur zugesagt, wenn der Schutz der Arbeitnehmer gesichert ist. Gabriel hat den Druck der Öffentlichkeit aufgenommen und mit Kanada verhandelt. Am Montag wird er auf dem SPD-Parteikonvent dafür werben, dass die Genossen das Abkommen mittragen. Das ist keineswegs sicher. Es gibt etliche Anträge, die fordern, Ceta rundheraus abzulehnen. Sollte die SPD Sigmar Gabriel die Zustimmung verweigern, könnte er als Wirtschaftsminister den Pakt zwar durchwinken. Als SPD-Vorsitzender wäre er allerdings an das Ergebnis des Konvents gebunden. Ceta könnte Gabriel so den Parteivorsitz kosten.

Kompromiss in Sicht

In den vergangenen Tagen hat sich ein Kompromiss abgezeichnet. Teile der SPD-Linken und auch die Gewerkschaften würden Ceta mittragen, wenn die Verhandler noch eine Runde drehen, so die Bundestagsabgeordnete Nina Scheer. „Die SPD hat wichtige Änderungen, vor allem bezüglich der Schiedsgerichtsbarkeit, durchgesetzt. Aber nach wie vor ist der Vertrag nicht ausgewogen, sondern dient ausländischen Investoren mehr als dem Gemeinwohl.“ Scheer verlangt, dass das Europaparlament mehr Gestaltungsrecht haben soll. „Dann liegt es in der Hand der Volksvertreter, ein nachhaltiges Abkommen zu schließen.“ Sollte es gelingen, einige dieser Kritikpunkte einzuarbeiten, könnte Ceta genug Unterstützung finden.

In anderen EU-Ländern ist das schon heute der Fall. In einem gemeinsamen Brief an EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström haben sich zwölf EU-Staaten entschieden für den Abschluss von Vereinbarungen mit den USA und Kanada ausgesprochen. Zu den Unterzeichnern gehören Irland, Portugal, Spanien sowie skandinavische und baltische Staaten.

Justus von Daniels ist Redakteur des unabhängigen Recherchezentrums Correctiv.org.

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