Schlupflöcher und Ministeuern: Juncker hat kein Herz für Steuertrickser
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker stand wegen laxer Steuergesetze in der Kritik – jetzt will er durchgreifen.
Er hat geliefert: Nach den Enthüllungen über die generöse Steuerpraxis für internationale Unternehmen in Luxemburg, für die der langjährige Premier Jean-Claude Juncker die politische Verantwortung trug, stand der heutige EU-Kommissionschef unter Handlungsdruck. An diesem Mittwoch präsentiert seine Behörde nun einen Gesetzesvorschlag, der die Mitgliedstaaten vom nächsten Jahr an zwingen soll, alle Informationen über die umstrittenen Steuervorbescheide der Finanzämter untereinander auszutauschen. Im Falle Luxemburgs war herausgekommen, dass mehrere hundert Konzerne auf diese Weise nur Ministeuern bezahlen.
Mit dem Gesetzentwurf soll diesen Sparmodellen der Kampf angesagt werden. Geplant ist kein Verbot der sogenannten „tax rulings“, die die EU-Kommission „im Prinzip für unproblematisch“ hält. Insgesamt 22 von 28 EU-Staaten vereinbaren mit bestimmten Unternehmen, wie die existierenden Vorschriften in ihrem konkreten Fall ausgelegt werden. Meist geht es um konzerninterne Verrechnungen etwa von Lizenzgebühren zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft. Problematisch wird es dann, wenn Finanzbehörden im Ergebnis mit extremen Niedrigsteuern locken, was einer Wettbewerbsverzerrung gleichkommt und wodurch andere Staaten Steuereinnahmen verlieren. Oft wissen diese gar nicht davon. Zwar sind die Staaten schon seit Jahrzehnten angehalten, den Steuerbehörden anderer EU-Staaten die entsprechenden Informationen zu liefern – doch obliegt es ihnen, selbst einzuschätzen, ob ein Steuervorgang für das andere Land von Interesse sein könnte.
Firmen stellen den eigenen Vorteil über das System
„Schon bisher hat die EU die Mitgliedstaaten nicht daran gehindert, zu kooperieren“, sagt der FDP-Europaabgeordnete Michael Theuer, „leider ziehen viele Mitgliedstaaten kurzfristige Vorteile im Steuerwettbewerb einem langfristigen Rahmen für ein stabiles System vor.“ Dies hat dazu geführt, dass es „gegenwärtig wenig Austausch gibt“, wie die Brüsseler Behörde feststellt.
Nun soll der zwangsweise erfolgen. Der Gesetzestext sieht eine Ergänzung in der EU-Richtlinie über die behördliche Zusammenarbeit vor, die erst Ende 2014 an den neuen globalen Standard im Kampf gegen Steuerhinterziehung von Privatpersonen angepasst worden war. Dort soll jetzt festgeschrieben werden, dass alle Steuerfahnder im EU-Ausland „ohne vorherige Anfrage in zuvor festgelegten, regelmäßigen Intervallen“ von den „tax rulings“ erfahren – wenn sie mehrere Länder betreffen oder Vorab-Vereinbarungen zu konzerninternen Rechnungspreisen beinhalten. Bereitgestellt werden soll eine „Basisinformation“; haben die Auslandskollegen Nachfragen, muss das Finanzamt detailliertere Unterlagen übermitteln. „Es gibt“, so die Begründung der Kommission, „dringenden Bedarf für mehr Transparenz.“
Berichtspflicht wie im Bankensektor?
Der zuständige EU-Kommissar Pierre Moscovici will an diesem Mittwoch gleich ein ganzes Gesetzespaket für mehr Steuertransparenz vorlegen – wobei es an Konkretem eigentlich nur den Informationsaustausch zu Steuervorbescheiden enthält. Außerdem soll die lange Zeit umstrittene Zinsbesteuerungsrichtlinie, die sich mit der neueren Zusammenarbeitsrichtlinie inhaltlich teilweise doppelt oder bereits überholt hat, zurückgezogen werden. Der Rest sind Ideen und Absichtserklärungen. So will die Kommission „untersuchen“, ob auch ein „öffentlicher Zugang zu einer begrenzten Reihe steuerlicher Informationen von multinationalen Unternehmen“ eingeführt werden soll. Ähnlich wie bereits im Bankensektor oder der Rohstoffindustrie bestünde für die Konzerne in diesem Fall eine Berichtspflicht, wenn sie bestimmte Steuerabsprachen getroffen haben. Es müsse jedoch noch untersucht werden, schreiben die Kommissionsexperten, wie der Datenschutz oder Geschäftsgeheimnisse gewahrt werden könnten.