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Wirtschaft: Jugend auf der Straße

Vor allem junge Menschen sind von der Krise betroffen. Die EU stemmt sich dagegen – mit viel Geld.

Viele Stunden hat Österreichs Finanzministerin Maria Fekter schon mit dem Streit über Rettungsschirme, Hilfsmilliarden und neue Finanzaufsichtsstrukturen zugebracht. Alles nebensächlich. „Massive Anstrengungen im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit“ seien „noch wichtiger als die Bankenstabilität“, sagt sie nun. Von den EU-Kollegen verlangt die 57-Jährige mehr Engagement. „Wir müssen dringend etwas tun, damit uns nicht eine ganze Generation verloren geht“, sagt sie.

Der EU-Behörde Eurostat zufolge sind 23,5 Prozent der Jugendlichen unter 25 Jahren arbeitslos, also fast jeder Vierte. Dabei senken die vergleichsweise guten Zahlen im einstelligen Prozentbereich aus Deutschland und Österreich den Schnitt noch deutlich nach unten. In Griechenland (58 Prozent) und Spanien (57) hat sich das schon hohe Vorkrisenniveau mehr als verdoppelt. In Spanien suchen die jungen Leute händeringend nach Alternativen. Binnen eines Jahres haben sich 160 000 aus der jungen Altersgruppe vom heimischen Jobmarkt verabschiedet – sie haben bei den Eltern Unterschlupf gesucht, ein Studium begonnen, sich ins Ausland aufgemacht. Angesichts von 932 000 Jugendlichen ohne Perspektive ist das kein Wunder.

EU-Sozialkommissar Laszlo Andor will mit einem neuen Gesetzesvorschlag vom Freitag dafür sorgen, dass die garantierte Freizügigkeit Wirklichkeit wird, also jeder EU-Bürger europaweit arbeiten kann. Neuankömmlinge sollen nicht mehr an der Bürokratie scheitern oder beim Lohn diskriminiert werden. Dazu müssen die Mitgliedstaaten Informationsstellen für Arbeitswillige aus dem europäischen Ausland einrichten. Bereits in Arbeit ist eine Reform des Arbeitssuchsystems Eures, dem nationale Ämter zuliefern. 1,4 Millionen Jobangebote finden sich dort. Andors Ziel: „ein echter EU-Arbeitsmarkt“.

Sechs Milliarden Euro stehen zudem bis 2020 für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit bereit. Geld für Projekte aus diesem Topf können Regionen beantragen, in denen mehr als einViertel der Jugend ohne Job ist. Hinzukommen soll Geld aus dem Europäischen Sozialfonds und anderen EU-Töpfen. „Es darf kein EU-Geld fließen, ohne dass die Frage der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit mit berücksichtigt wurde“, verlangt Fekter.

Erstmals gibt es klare Leitlinien, wie das Geld eingesetzt werden soll – die Jugendgarantie: Nach spätestens vier Monaten Arbeitslosigkeit oder dem Verlassen der Schule muss einem jungen Erwachsenen ein Angebot für eine anspruchsvolle Beschäftigung oder Ausbildung gemacht werden. Zwar haben sich das Europaparlament und der Ministerrat in Rekordzeit auf diese „Empfehlung“ verständigt, entsprechend drohen bei Nicht-Einhaltung allerdings auch keine Sanktionen. Das dürfte teuer werden: Die Internationale Arbeitsorganisation Ilo geht für die 17 Länder der Euro-Zone von 21 Milliarden Euro pro Jahr aus – die Kosten der Jugendarbeitslosigkeit freilich werden mit mehr als hundert Milliarden Euro beziffert.

In der Praxis sind etwa Lohnkostenzuschüsse geplant. Zudem soll der Staat Unternehmen, die arbeitslose Jugendliche einstellen, Kosten abnehmen. Auch direkte Subventionen für Ausbildungs- oder Praktikumsstellen sind möglich, ebenso für den Umzug in eine andere Stadt. Junge Firmengründer sollen Beratung und Geld bekommen.

Gute Erfahrungen mit der Jugendgarantie haben schon Finnland und Österreich gemacht. In der Alpenrepublik gibt es ein duales Ausbildungssystem, für das sich viele EU-Partner interessieren. Und es gibt höhere Schulen für alle beruflichen Sparten. „Die Jugendlichen erhalten dort eine Berufsausbildung und gleichzeitig den Zugang zur Universität“, sagt Ministerin Fekter: „Die Absolventen gehen weg wie warme Semmeln – nicht nur bei uns, auch in den Nachbarländern.“ Europaweit gesehen ist das noch Zukunftsmusik.

Christopher Ziedler

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