Co-Vorsitzende der Kohlekommission: „Je länger man wartet, desto mehr nehmen die Auswirkungen des Klimawandels zu“
„Die Betroffenen brauchen endlich Klarheit“: Die Berliner Forscherin Barbara Praetorius sitzt der Kohlekommission vor, die sich erstmals trifft. Ein Interview.
Barbara Praetorius, Professorin für Nachhaltigkeit an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin, sitzt im Vorsitz der Kohlekommission. Was die 31 Mitglieder beim ersten Treffen der Kommission an diesem Dienstag besprechen werden und welche Bedeutung der Erfolg der Kommission für den Klimaschutz hat, erklärt sie im Interview mit dem Tagesspiegel.
Frau Praetorius, Sie sind im Vorsitz der Kohlekommission und sollen dort die Interessen des Klimaschutzes vertreten. Wie kam es dazu?
Ich habe einen Anruf von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) erhalten, ob ich diese Aufgabe übernehmen will. Das ist mich sehr gefreut. Auf mich ist sie wohl gekommen, weil ich seit vielen Jahren dazu forsche, wie Klimaschutz durch die Reduktion der Kohleverstromung erreicht werden kann. Es geht mir dabei auch darum, die Zivilgesellschaft miteinzubinden. Denn der schrittweise Kohleausstieg muss im gesellschaftlichen Konsens gestaltet werden.
Die Kohlekommission hat insgesamt 31 Teilnehmer. Wie unterscheidet sich denn die Rolle des Vorsitzenden der Kommission von der eines Mitgliedes?
Ich sehe das so, dass wir als Vorsitzende den Prozess moderieren werden. Es wird sicherlich viele Diskussionen geben, aber am Ende muss es Ergebnisse geben. Die Ergebnisse werden als Empfehlungen an die Bundesregierung gegeben.
Neben Ihnen im Vorsitz sind Matthias Platzeck (SPD), Stanislaw Tillich (CDU) sowie Ronald Pofalla (CDU), die ja eher als Kohle-Fans bekannt sind. Wie fühlen Sie sich dabei, allein die Klimaschutzfahne hochzuhalten?
Die Klimaschutzziele 2030 sind klar gesetzt, sie bilden ja den Startpunkt und Rahmen für die Kommissionsarbeit. Es geht darum, die Maßnahmen zu ihrer Erreichung so konkret wie möglich zu benennen. Mit Blick auf das Klimaziel 2020 sagt das Mandat der Kommission, dass Maßnahmen benannt werden sollen, um die Lücke zum 40-Prozent-Ziel zu reduzieren.
Am heutigen Dienstag wird sich die Kommission das erste Mal treffen. Wie kann man sich das vorstellen?
Es ist die Möglichkeit, dass sich die ganze Runde kennengelernt. Dann verabschieden wir die Geschäftsordnung und legen fest, in welchen Abständen wir uns in welcher Konstellation treffen. Die inhaltliche Arbeit beginnt dann direkt anschließend. Eine große Chance der Kommission ist es, dass es sehr viele und gute Studien zu den Aufgaben gibt, mit denen wir uns beschäftigen werden. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass sich jedes Kommissionsmitglied sehr viel Wissen aneignen muss. Wir haben ja Experten zu verschiedenen Themen mit an Bord. Die werden wiederum ihr Wissen mit einbringen.
Wie konkret werden voraussichtlich die Vorschläge sein, mit denen Strukturwandel in den vom Kohleausstieg betroffenen Regionen Deutschlands umgesetzt werden wird?
Ich möchte der Arbeit der Kommission nicht vorweggreifen. Sicher ist, dass wir uns ganz genau anschauen werden, was wo schon geklappt hat und was eben nicht. Wir brauchen auf jeden Fall gute und langfristig wirksame Ideen, um die Regionen zu unterstützen.
Die Regionen in Nordrhein-Westfalen und der Lausitz unterscheiden sich massiv. Wäre es möglich, dass NRW zuerst aus der Kohle aussteigt und die Lausitz dann später nachzieht?
Unser Anspruch muss es sein, die Vorschläge so attraktiv zu machen, dass beide Regionen Zuversicht entwickeln können, wenn sie aus der Kohle aussteigen.
Der Zeitplan der Kommission gilt als sehr ambitioniert. Erste Ergebnisse soll es ja schon im Oktober geben.
Ja, aber wir werden alles dafür tun, dass dieser Zeitplan eingehalten wird. Die Betroffenen brauchen endlich Klarheit, wie es weitergeht. Und da geht es auch um den Klimaschutz. Je später man da anfängt, desto schwieriger wird es nach hinten raus, denn je länger man wartet, desto mehr nehmen die Auswirkungen des Klimawandels zu.
Wie wichtig ist der Erfolg der Kohlekommission für den deutschen Klimaschutz?
Sehr wichtig, und zwar, weil die Verminderung der Kohleverstromung ein wichtiger Baustein im Klimaschutz ist. Natürlich werden auch die Sektoren Verkehr, Wärme und Landwirtschaft ihren Beitrag leisten müssen. Die Klimaziele in diesen Sektoren werden aber auch dadurch erreicht, dass man sie elektrifiziert. Der Strom darf dann nicht aus Kohle kommen, sondern er muss aus erneuerbaren Energien kommen.
Dieses Interview stammt aus dem wochentäglichen Fachnewsletter "Background Energie & Klima" des Tagesspiegels. Hier kostenlos testen.