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Statt Palmenstrand. In der Hauptstadt Malé gibt es viele Jugendbanden und Drogen. Hier lassen sich Touristen kaum blicken.
© AFP/ Roberto Schmidt

Tourismusmesse in Berlin: ITB-Partner Malediven - Scharia im Paradies

In Berlin beginnt die 50. ITB. Das Partnerland Malediven hat viele Superlative zu bieten - zum Beispiel höchste Pro-Kopf-Rate an IS-Kämpfern.

Palmen, weite Sandstrände, türkisblaues Wasser, die warme Sonne auf der Haut. Schon das Wort „Malediven“ dürfte die meisten Menschen in Urlaubslaune versetzen. Der Inselstaat im Indischen Ozean ist das diesjährige Partnerland der ITB. Beim 50. Jubiläum der weltgrößten Tourismusmesse, die an diesem Mittwoch beginnt, hat es seinen ganz großen Auftritt. Laut offiziellem Marketingspruch stehen die Malediven für „the sunny side of life“ – ein perfekter Partner also für die Messe? Daran gibt es immer mehr Zweifel, Kritiker melden sich zu Wort. Denn das Traumziel steht nicht nur für die sonnigen Seiten des Lebens, sondern auch für Menschenrechtsverletzungen und zunehmend radikalen Islamismus.

„Die Malediven als offizieller Partner sind eine falsche Wahl gewesen“, sagt Djan Sauerborn. „Im Tourismus werden die Schattenseiten ausgeblendet.“ Er ist politischer Analyst beim South Asia Democratic Forum, einem Think Tank, der sich mit den Beziehungen zwischen Europäischer Union und südasiatischen Staaten beschäftigt. Sauerborn beobachtet gerade in den vergangenen Jahren eine wachsende Destabilisierung der Malediven. Vieles komme zusammen: Kaum vorhandene Gewaltenteilung, enge Verbindungen zwischen Richtern und Politikern, eine autokratische Regierung, Jugendarbeitslosigkeit, Drogenmissbrauch und die höchste Pro-Kopf-Rate an IS-Kämpfern im Irak und Syrien. „Hinzu kommen die aktiven Islamisten im Land.“

Wie reagieren Standmitarbeiter auf kritische Fragen?

Wie passt das mit dem Tourismus zusammen, für den die Malediven mit ihren Luxusresorts stehen? In der Regel kommen Urlauber kaum mit der Lebenswelt der Einheimischen in Kontakt. Beide Gruppen haben ihre Reviere. Malé etwa, die bis an den Rand bebaute Hauptstadtinsel ist der Schmelztiegel, in dem die weniger prospekttauglichen Malediven brodeln. Etwa 200 der mehr als 1000 Inseln werden von Maledivern bewohnt, hinzu kommen 80 Touristeninseln.

Seit Anfang der 1970er arbeitet das Land an seinem Image als Touristenmagnet. Ein Drittel der Staatseinnahmen beruhen heute auf dem Urlaubsgeschäft, 32 Prozent der Arbeitsplätze hängen davon ab. Im vergangenen Jahr besuchten 1,2 Millionen Touristen die Inseln, darunter waren mehr als 105 000 Deutsche. Auch darum ist die ITB mit ihren Publikumstagen wichtig für die Malediven: Der deutsche Markt wuchs 2015 um fast sieben Prozent. Während der ITB zeigt das Land ein traditionelles Holzboot, bietet Kokosnussbällchen und Rückenmassagen. Das Programm soll Lust machen auf 116 Premium-Resorts und mehr als 200 Pensionen. Wie die Standmitarbeiter auf kritische Nachfragen von Besuchern reagieren würden, bleibt vorerst unklar. Anfragen des Tagesspiegels dazu ließ die Marketingagentur unbeantwortet.

ITB äußert sich nicht zur Situation im Land

Die ITB selbst äußert sich ebenfalls nicht zum schwierigen politischen Image ihres Ehrengastes, der wie in den Vorjahren eine unbekannte Summe für seinen Status bezahlen musste. Leiter David Ruetz betont, dass man ein neutrales Forum sein wolle. Den Ausstellern stehe es frei, wie sie sich präsentieren. „Daher verbietet sich eine politische, wirtschaftliche oder gesellschaftspolitische Bewertung.“ Ruetz stellt aber klar, dass der Tourismus ein Garant für die wirtschaftliche Stabilität im Land sei. Die Malediven seien bereits 2011 einstimmig vom ITB-Fachbeirat als Partnerland für 2016 auserkoren worden. Zu jener Zeit habe der damalige Staatspräsident Mohamed Nasheed auf der ITB für sein Land als sichere und friedvolle Destination geworben.
In der Tat war die Amtszeit des Reformers Nasheed ein Lichtblick für das Land. Zuvor regierte 30 Jahre lang Maumoon Abdul Gayoom. Mit Nasheeds Wahl 2008 gab es erste Fortschritte bei den Zivilrechten. Doch die Judikative war auf der Seite des alten Regimes. 2012 wurde Nasheed geputscht, seit 2013 regiert Abdulla Yamin das Land mit harter Hand. Er hat die Scharia, das islamische Recht, mit ihren teils drakonischen Strafen wieder eingeführt. Ehebrechende Frauen werden gesteinigt, es gibt Angriffe auf regimekritische Blogger. Oppositionsproteste sind kaum möglich.

Malediven weisen Kritik zurück

Tourismusminister Moosa Zameer bezeichnete derlei Kritik am Donnerstag als „unberechtigt, unwahr und und haltlos“. Es sei auch nicht konstruktiv, von einem Anstieg des Extremismus zu sprechen. Zamoor betonte Errungenschaften, etwa die hohe Alphabetisierungsrate. Experten und Organisationen wie Amnesty International beeindruckt das indes nicht.

Die Malediven sind nicht das erste Land, das trotz politischer Instabilität ein beliebtes Reiseziel ist. „Ohne den Tourismus gäbe es noch mehr Arbeitslosigkeit, was die islamistischen Extremisten stärken würde“, sagt Kai Fürstenberg vom Südasien-Institut der Universität Heidelberg. Allerdings sollte die ITB auf die Probleme hinweisen – „auch im Interesse der europäischen Reiseveranstalter“.

Können Sanktionen helfen?

Djan Sauerborn glaubt, dass der Tourismus ein gutes Druckmittel sei, um die Verhältnisse im Land zu ändern. „Viele Politiker verdienen indirekt am Tourismus durch enge Beziehungen zur Branche.“ Er hofft darauf, dass ein aktueller Entschließungsantrag des EU-Parlaments Wirkung zeigt. Dann könnten die EU-Staaten Sanktionen gegen Politiker und Geschäftsleute verhängen. 2004 war das schon mal der Fall, Privatkonten wurden eingefroren. „Das führt zu Veränderungen, ohne dass der Tourismus leidet.“

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