Trotz Sparmaßnahmen: Italien nimmt neue Schulden auf
Ministerpräsident Monti blickt mit „gemäßigtem Optimismus“ auf 2012. Wegen der Wirtschaftsflaute drohen Steuerausfälle.
Rom/Berlin - Ernüchterung in Italien: Trotz harter Sparmaßnahmen verlangen Investoren noch immer extrem hohe Zinsen für ihr Geld. Bei der mit Spannung erwarteten Versteigerung einer zehnjährigen Staatsanleihe mussten sie am Donnerstag mit einem Zins von rund sieben Prozent gelockt werden. „Die Turbulenzen sind noch nicht vorbei“, räumte Ministerpräsident Mario Monti ein. Nach sieben Wochen im Amt legte Italiens Regierungschef zum Jahresschluss seine erste Bilanz vor. Italien, sagte Monti rückblickend, sei 2011 „auf dem Weg nach Südosten“ gewesen. Südosten: Das ist Griechenland. „Und es waren viele Geier am Himmel. Aber wir sind nicht gefallen. Sie kriegen uns nicht zu fressen.“
Die Versteigerung langjähriger Anleihen füllte Italiens Kassen mit mehr als sieben Milliarden Euro. Damit wurde das angestrebte Volumen von 5,0 bis 8,5 Milliarden Euro erreicht. Für die zehnjährige Anleihe mussten die Geldgeber aber mit einem Zins von 6,98 Prozent belohnt werden. Er lag damit unter dem im November erreichten Rekordhoch von 7,56 Prozent, aber klar über dem Marktzins für deutsche Bundesanleihen von knapp 1,9 Prozent. Bei dreijährigen Anleihen fiel der Zins von 7,89 auf 5,62 Prozent.
„Der Druck auf Italien bleibt extrem hoch“, sagte Commerzbank-Analyst David Schnautz. Daran dürfte sich so schnell nichts ändern, befürchtet auch Howard Wheeldon von BGC Partners: „Es wird Wochen oder sogar Monate dauern, bis die Sparmaßnahmen Früchte tragen – so lange gibt es wenige Gründe, warum die Zinsen fallen sollten.“
Monti befürchtet ebenfalls, dass die hoch verschuldeten Euro-Länder „in Schwierigkeiten“ bleiben werden – solange der Rettungsschirm EFSF nicht besser ausgestattet werde. Die öffentlichen Finanzen Italiens seien nach der in Windeseile beschlossenen fünften Haushaltskorrektur des Jahres aber „gefestigt“. Dass die vielen Steuererhöhungen „rezessive Auswirkungen“ auf die Wirtschaft zeigen könnten, schloss er nicht aus: „Aber wir hatten keine Wahl. Hätten wir nichts getan, wäre in einer noch schlimmeren Rezession unser ganzes System explodiert.“ Monti hatte erst kurz vor Weihnachten ein 33 Milliarden Euro großes Sparpaket unter Dach und Fach gebracht.
Die italienischen Unternehmer gehen unterdessen mit großer Skepsis ins neue Jahr. Ihre Stimmung trübte sich im Dezember deutlicher ein als erwartet und rutschte auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren. Die Auftragslage der Firmen verschlechterte sich ebenso wie die Aussichten. Wegen der Wirtschaftsflaute drohen Steuerausfälle. Die EU-Kommission traut der drittgrößten Volkswirtschaft im Euro-Raum 2012 nur ein Miniwachstum von 0,1 Prozent zu. Die OECD erwartet sogar ein Minus von 0,5 Prozent.
Schon in drei Wochen – „wir arbeiten so viel, wie wir physisch können“ – will Monti der EU den ersten Teil eines Wachstumspakets vorlegen. Einzelheiten nannte er nicht; grundsätzlich steuert er auf Liberalisierungen und mehr Wettbewerb zu. Gleichzeitig will Monti den Arbeitsmarkt „modernisieren“ und den italienischen Dualismus beseitigen, der zwischen gewerkschaftlich geschützten Arbeitsverhältnissen und den vielen anderen existiert, die davon ausgeschlossen sind. Die Gewerkschaften haben bereits harten Widerstand angekündigt. mit rtr
Paul Kreiner, Henrik Mortsiefer