Naher Osten: Iran bereitet sich auf Ende der Sanktionen vor
Ein überraschender Vorstoß der iranischen Zentralbank soll iranische Banken auf das Ende der Sanktionen vorbereiten.
Der Iran möchte das Bargeld abschaffen und auf eine rein bargeldlose Bezahlung mit Geldkarte umstellen, dies zumindest verkündete der Chef der iranischen Zentralbank Walliollah Sejf in Teheran. Ein zugegeben sehr ambitioniertes Ziel, basiert doch nahezu die gesamte iranische Binnenwirtschaft auf einer Bezahlung mit harter Währung. Insbesondere auf den traditionellen Basaren, aber auch in vielen Geschäften und nahezu allen Taxis ist eine bargeldlose Bezahlung fast ausgeschlossen. Zentralbank-Chef Walliollah Sejf möchte daher die bargeldlose Bezahlung vorerst nur auf der Insel Kisch einführen. Die Insel Kisch im Persischen Golf ist eine von insgesamt sechszehn Sonderwirtschaftszonen im Iran.
Vorstoß aus Not und mit Kalkül
Der Vorstoß der iranischen Zentralbank überrascht - hat aber Kalkül und ist strategisch gut platziert, sind sich Experten einig. Erst vor wenigen Wochen verkündete die internationale Staatengemeinschaft eine Einigung mit dem Iran im Streit über die Überwachung der iranischen Nuklearbestrebungen. Damit ist der Weg frei für eine Lockerung der harten Wirtschaftssanktionen, unter den die iranische Exportwirtschaft, aber auch der iranische Binnenmarkt, seit mehreren Jahren leidet. Michael Tockuss, Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Handelskammer, vermutet hinter dem Vorstoß der Notenbank, den Versuch, die iranischen Banken fit zu machen für eine Öffnung des Bankensektors für den internationalen Markt: "Die iranischen Banken haben seit dem Beginn der Sanktionen 2012 alle Entwicklungen im internationalen Bankensektor verpasst, all das muss nun aufgeholt werden", betont Michael Tockuss im Interview mit dem Tagesspiegel. Die iranischen Banken sind seit dem Ausschluss aus dem SWIFT-System, über das Transaktionen abgewickelt werden, vom internationalen Bankensystem isoliert. Zudem haben iranische Banken in Europa keine Korrespondenzen. "Deutschland exportierte 2014 Waren im Wert von rund 2,4 Milliarden Euro in den Iran, Überweisungen dafür mussten umständlich über Drittstaaten abgewickelt werden", sagt Tockuss.
Warten auf Bericht der Atomaufsichtsbehörde
Ob die Sanktionen gegen den Iran wirklich ausgesetzt werden, ist jedoch noch nicht völlig geklärt. Spannend wir vor allem, was im Bericht der Internationalen Atomaufsichtsbehörde steht, der im Dezember veröffentlicht werden soll. "Abhängig davon, wie dieser ausfällt, rechnen wir mit einer Aufhebung der ersten Sanktionen zwischen Anfang und Mitte 2016", sagt Tockuss. Wahrscheinlich deshalb macht die iranische Zentralbank auch Druck: Zwar haben bereits jetzt schon viele Iraner Geldkarten, diese werden aber kaum genutzt. Obwohl gerade das auch eine Entspannung auf dem iranischen Binnenmarkt bedeuten würde, denn die extrem hohe Inflation im Iran in den letzten Jahren führen dazu, dass immer mehr Bargeld mitgeführt werden müsse, soTockuss.
Chance auch für deutsche Wirtschaft
Die Deutsch-Iranische Handelskammer in Hamburg erwartet im Falle der Aufhebung der Sanktionen positive Impulse für die deutsche Wirtschaft: "Die Wirtschaftsbeziehungen zum Iran sind traditionell sehr stark ausgeprägt, erst kürzlich feierte zum Beispiel Siemens sein 120-jähriges Bestehen im Iran". In den letzten Jahren sind die Wirtschaftsbeziehungen mit China und Russland zwar ausgebaut geworden, die Iraner seien aber gerade mit der Qualität chinesischer Produkte überaus unzufrieden, so Michael Tockuss weiter. Zwar erwarte man, dass bei einer Öffnung der iranischen Märkte vor allem amerikanische Unternehmen investieren werden, dennoch würde man optimistisch in die Zukunft schauen. Die iranische Wirtschaft war bis in die 1970er Jahre eine der an stärksten wachsenden Volkswirtschaften im Nahen Osten, noch heute prägen deutsche LKWs aus den 1970er und 1980er Jahren das iranische Straßenbild.
Daniel Mosler