Flucht des Ex-Renault-Chefs in den Libanon: Interpol veröffentlicht Fahndungsaufruf für Ex-Automanager Ghosn
Mit einem Privatjet flog der in Japan angeklagte Ex-Auto-Boss Ghosn in den Libanon. Jetzt sind in der Türkei sieben mutmaßliche Helfer festgenommen worden.
Nach seiner überraschenden Flucht aus Japan in den Libanon wird der frühere Autoboss Carlos Ghosn jetzt per internationalem Haftbefehl gesucht. Aus libanesischen Justizkreisen hieß es am Donnerstag, die internationale Polizeibehörde Interpol habe ein entsprechendes Gesuch im Auftrag der japanischen Regierung an die Generalstaatsanwaltschaft in Beirut geschickt.
Demnach soll Ghosn in der kommenden Woche im Libanon zu den Vorwürfen befragt werden. Danach werde entschieden, ob japanische Experten an den dortigen Ermittlungen beteiligt würden. Aus Regierungskreisen in Beirut hieß es zugleich, Ghosn sei mit einem gültigen neuen französischen Pass in den Libanon eingereist.
Zuvor war bekannt geworden, dass in der Türkei sieben mutmaßliche Helfer festgenommen worden sind. Darunter seien vier Piloten, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstag.
Sie würden verdächtigt, Ghosn bei der Flucht mit einem Privatjet von Japan über Istanbul in den Libanon geholfen zu haben. Dabei soll der inzwischen für den regulären Betrieb geschlossene Atatürk-Flughafen in Istanbul genutzt worden sein. Ghosn war unerlaubt aus Japan ausgereist und am Sonntagabend mit einem Privatjet auf dem Internationalen Flughafen in Beirut gelandet.
Spektakuläre Flucht vor der Justiz
Am Dienstag war bekanntgeworden, dass Ghosn Japan verlassen hat und sich jetzt im Libanon aufhält. Der frühere Konzernchef von Renault war am 19. November 2018 in Tokio wegen Verstoßes gegen Börsenauflagen festgenommen und angeklagt worden. Im April 2019 wurde er auf Kaution aus der Untersuchungshaft in Japan entlassen - unter strengen Auflagen, um zu verhindern, dass er flieht oder Beweismaterial vertuscht. Unter anderem wurde ihm verboten, das Land zu verlassen.
Der Wohnsitz von Ghosn in Tokio war am Donnerstag von der Staatsanwaltschaft durchsucht worden. Dem japanischen Fernsehsender NHK zufologe sei Ghosn mit einem französischen Pass in den Libanon eingereist. Japanische Behörden hätten dem früheren Renault- und Nissan-Chef erlaubt, einen Extra-Pass in einem verschlossenen Koffer mit sich zu führen, während er unter Hausarrest stand, berichtete der Sender NHK.
Ghosn will keine „Geisel der Justiz“ sein
Er sei „nicht länger eine Geisel des manipulierten japanischen Justizsystems“, teilte Ghosn am Dienstag mit. In Japan war der Ex-Automanager auf Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen worden, mit seiner Ausreise verstieß er gegen die Kautionsauflagen.
Japans Justiz habe ihm grundlegende Rechte verwehrt, das Prinzip der Unschuldsvermutung ignoriert und gegen internationale Abkommen verstoßen, teilte Ghosn mit. „Ich bin dem Unrecht und politischer Verfolgung entkommen.“
Am 19. November 2018 war Ghosn in Tokio wegen Verstoßes gegen Börsenauflagen festgenommen und angeklagt worden. Ihm wird vorgeworfen, sein Einkommen als zu niedrig angegeben, den Renault-Partner Nissan um fünf Millionen Euro geschädigt und sich persönlich bereichert zu haben. Ghosn hat die Vorwürfe zurückgewiesen.
Aus dem Außenministerium in Tokio hieß es, Japans Regierung sei nun auf Hilfe der libanesischen Behörden angewiesen, da kein Auslieferungsabkommen mit dem Mittelmeerstaat bestehe, wie der Sender NHK berichtete. In der Nacht zuvor hatte es erste Berichte aus dem Libanon gegeben, dass Ghosn völlig überraschend an Bord eines Privatjets in Beirut gelandet sei - und das schon am Sonntagabend. Libanesische Sicherheitskreise bestätigten dies der Deutschen Presse-Agentur.
Frankreich würde Ghosn nicht ausliefern
Ghosn, der neben der französischen und brasilianischen auch die libanesische Staatsangehörigkeit hat und ein Luxusanwesen in Beirut besitzt, war im April auf Kaution aus der Untersuchungshaft in Japan entlassen worden - unter strengen Auflagen, um zu verhindern, dass er flieht oder Beweismaterial vertuscht.
Unter anderem wurde ihm verboten, das Land zu verlassen. Diese Auflagen wurden nie aufgehoben, wie das zuständige Bezirksgericht in Tokio laut der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo klarstellte.
Frankreichs Regierung erklärte am Donnerstag, sie würde Ghosn nicht ausliefern, sollte er dorthin einreisen. "Wenn Monsieur Ghosn in Frankreich ankommt, werden wir ihn nicht ausliefern, weil Frankreich niemals seine Staatsbürger ausliefert", sagte Wirtschafts-Staatssekretärin Agnès Pannier-Runacher im Sender BFM.
Ghosn gilt als Architekt des internationalen Autobündnisses zwischen Renault, Nissan und Mitsubishi. Er soll laut Staatsanwaltschaft auch private Investitionsverluste auf Nissan übertragen haben. Nur wenige Tage nach seiner Festnahme wurde er von Nissan und kurz darauf auch Mitsubishi Motors als Verwaltungsratschef gefeuert. Im Januar trat er schließlich auch von seinem Posten als Renault-Konzernchef zurück. Ghosn hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe stets zurückgewiesen. (dpa, AFP, Reuters)