Klimaschutz statt Braunkohle: Industrie wehrt sich gegen Regierungspläne
Bis 2020 will das Bundesministerium 22 Millionen Tonnen CO2-Emissionen sparen. Das soll nach neuen Plänen vor allem auf Kosten der Braunkohle gehen. Die Industrie protestiert.
Der Protest kommt von allen Seiten. Die „einseitige Belastung der Braunkohle gefährdet Arbeitsplätze“, schimpfte der Industriepräsident. Und der Chef der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) befand kurz und bündig: „Das darf und kann nicht so bleiben.“ Gemeint ist ein „Eckpunktepapier Strommarkt“ aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, in dem eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 22 Millionen Tonnen bis 2020 vorgesehen ist. Das Ziel ist erreichbar, 2014 emittierten alle Kraftwerke fast 350 Millionen Tonnen CO2. Der Weg aber ist strittig. Denn die Einsparung sollen fossile Kraftwerke erbringen, die älter als 20 Jahre sind. Und das sind vor allem Kohlekraftwerke, für die künftig ab einem bestimmten Alter eine Abgabe zu zahlen wäre.
Die IG BCE ist historisch verwurzelt in der Kohlewirtschaft. In ein paar Jahren ist die Steinkohleförderung hierzulande vorbei, dann bleibt nur noch Braunkohle. Womöglich nicht mehr lange. Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis warnte am Freitag davor, „,mit der Braunkohle-Verstromung auch noch die letzten subventionsfreien und wirtschaftlichen Energieträger politisch aus dem Markt zu verdrängen“. Mit Folgen für die Strompreise und natürlich die Arbeitsplätze in den Kraftwerken und in den Tagebauen.
RWE und Vattenfall sind am stärksten in der Braunkohlewirtschaft tätig
Industriepräsident Ulrich Grillo zufolge „schädigt Deutschland damit unnötig die Ertragskraft seiner wettbewerbsfähigsten und kostengünstigsten Kraftwerke“. Bei den betroffenen Unternehmen hielt man sich zurück. Ein Vattenfall-Sprecher wies auf die Gefahr einer „Doppelregulierung“ hin, wenn zum Einen der CO2-Emissionshandel in der EU gelte und in der Bundesrepublik zusätzlich eine Abgabe für bestimmte Kraftwerke zu zahlen sei. Bei RWE hieß es, man prüfe noch das Eckpunktepapier.
RWE im Rheinland und Vattenfall in der Lausitz sind die beiden Konzerne, die hierzulande mit Abstand am stärksten in der Braunkohlewirtschaft tätig sind. Der schwedische Staatskonzern Vattenfall will sich aus politischen Gründen aus der Braunkohle zurückziehen; die schwedische Regierung und die Öffentlichkeit lehnen die Kohleverstromung aus ökologischen Gründen ab. Tatsächlich setzt die Verbrennung der relativ feuchten Braunkohle mehr Kohlendioxide (CO2) frei als die Verbrennung von Steinkohle; am saubersten sind Gaskraftwerke.
Vattenfall will ostdeutsche Kraftwerke verkaufen
Eigentlich will Vattenfall bist Ende des Jahres die ostdeutschen Tagebauen und Kraftwerke verkaufen. Als Interessenten gelten der tschechische Energiekonzern EPH, zu dem bereits die Mibrag sowie das Kraftwerk Buschhaus bei Helmstedt gehören, sowie das ebenfalls tschechische Unternehmen CEZ. Die Tschechen werden aber kaum die von Vattenfall erwarteten zwei Milliarden Euro zahlen, wenn die deutsche Energiepolitik der Braunkohle nun das Sterbeglöckchen läutet.
Dabei sind die Kraftwerke in Ostdeutschland noch gar nicht so alt: In Lippendorf und Boxberg gingen die letzten Blöcke in den Jahren 2000, 2004 und 2013 ans Netz. Schwarze Pumpe wird erst in vier Jahren 20 Jahre alt, bleibt also bis dahin von der neuen Abgabe freigestellt. Zwei Kraftwerksblöcke in Boxberg sowie das Kraftwerk Jänschwalde sind aber deutlich älter als 20 Jahre und würden mit der neuen Abgabe womöglich nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben sein.
Gabriel hat mehrmals Bekenntnisse zur Braunkohle abgegeben
Außer Gewerkschaftern und Industrievertretern gibt es durchaus auch in den eigenen Reihen Gegner der aktuellen Pläne. „Die Klima-Vorschläge haben mich ehrlich gesagt sehr erstaunt“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Michael Fuchs. „Zum Einen bedeuten sie eine massive Gefährdung von Arbeitsplätzen. Zum Anderen würde hier in den Bestandsschutz eingegriffen werden, was bisher für jeden Wirtschaftsminister ein No Go war“, sagte Fuchs dem Tagesspiegel.
Bundeswirtschaftsminister ist der Sozialdemokrat Sigmar Gabriel, und der hat in den vergangenen Monaten mehrmals Bekenntnisse zur Braunkohle abgegeben. Die neuesten Pläne stammen von seinem Staatssekretär Rainer Baake, und könnten also als Einzelmeinung interpretiert werden. Doch danach sieht es nicht aus. „Baake und Machnig waren häufig im Kanzleramt“, hieß es am Freitag in Koalitionskreisen. Matthias Machnig ist ebenfalls Staatssekretär bei Gabriel. Offenbar haben die beiden also mit Angela Merkels Kanzleramtsminister Peter Altmaier (beide CDU) die Pläne abgestimmt. Am Dienstag will Gabriel im Wirtschaftsausschuss über die Pläne berichten, zwei Tage später treffen sich Gabriel und Baake mit Abgeordneten von Union und SPD. Es gibt reichlich Gesprächsbedarf. (Mitarbeit: Robert Birnbaum)