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Ohne Akquise keine Bewerber. Die Berliner Betriebe müssen sich mehr denn je um Nachwuchs bemühen.
© dpa

Schwache Schulabgänger: In Berlin bleibt jeder dritte Ausbildungsplatz frei

In Berlin beklagen die Unternehmen den Mangel an geeigneten Bewerbern und sind Schulnoten gegenüber zunehmend skeptisch. Es fehlt das sprachliche Vermögen und mangelt an "elementaren Rechenfertigkeiten". Aber auch die Betriebe machen Fehler.

Berlins Unternehmen steuern auf einen massiven Nachwuchsmangel zu. Jeder dritte Betrieb konnte 2013 nicht alle Ausbildungsplätze besetzen. Insbesondere der Mangel an „Ausdrucksvermögen“ und Berufsorientierung wird zum Hemmnis. Dies belegt die diesjährige Aus- und Weiterbildungsumfrage, die am Dienstag von der IHK veröffentlicht wurde. 540 Betriebe beteiligten sich an der Umfrage.

„Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt in Berlin spitzt sich weiter zu“, warnt die IHK. Dies zeigt sich besonders daran, dass sich der Anteil der Ausbildungsbetriebe, bei denen Plätze frei blieben, seit 2008 auf 34 Prozent fast verdoppelt hat. Bei 14 Prozent der Betriebe hat das dazu geführt, dass sie 2014 weniger ausbilden wollen als im Vorjahr. Für jedes vierte Unternehmen waren wirtschaftliche Gründe entscheidend dafür, keinen Platz zur Verfügung zu stellen. Insgesamt verzeichnete die Agentur für Arbeit im Mai noch knapp 9000 unversorgte Bewerber bei rund 7000 freien Ausbildungsplätzen.

Über 500 Betriebe beteiligten sich dieses Jahr an der Ausbildungsabfrage der IHK.
Über 500 Betriebe beteiligten sich dieses Jahr an der Ausbildungsabfrage der IHK.
© Tsp/Scmidt:

Auch Leistungsbereitschaft, Motivation und Belastbarkeit werden vermisst

Von den befragten Unternehmen, die 2013 einen Ausbildungsplatz nicht besetzen konnten, gaben vier Fünftel den Mangel an geeigneten Bewerbern als Grund an. Das sind fast doppelt so viele wie noch 2008. Im Mittelpunkt steht die Kritik an fehlender Ausbildungsreife. Hier stellt die IHK einen „Rekordwert“ von ebenfalls 80 Prozent fest. Ein besonders großes Problem besteht darin, dass viele Schulabgänger – mit und ohne Migrationshintergrund – mit der deutschen Sprache nicht zurechtkommen: Mängel beim „mündlichen und schriftlichen Ausdrucksvermögen“ beanstanden über die Hälfte der Betriebe, dicht gefolgt von fehlender Leistungsbereitschaft und Motivation sowie Belastbarkeit.

„Viele Unternehmen beherrschen die neuen Kanäle der Kommunikation nicht“

„Es gibt Unternehmen, die haben resigniert“, hat Dieter Mießen, Prokurist, kaufmännischer Leiter und Ausbildungsleiter der Berliner Frisch & Faust Tiefbau GmbH festgestellt. Andere seien hingegen bereit „Abstriche zu machen“ und die Mängel im Nachhinein durch Nachhilfe abzubauen. Auf diese Weise hat es Frisch & Faust auch 2013 geschafft, alle zehn Ausbildungsplätze zu besetzen. Die Firma fährt vielgleisig. Wichtig ist intensive Akquise, sagt Mießen, der pro Jahr rund 40 Akquisetermine bewältigt. Da werden Werbespots bei Radiosendern geschaltet, die vor allem von Jugendlichen gehört werden, da wird Facebook bemüht, auf Jugendmessen geworben und die „Lange Nacht der Ausbildung“ besucht. „Viele Unternehmen beherrschen die neuen Kanäle der Kommunikation nicht“, nennt Mießen einen der Gründe für die mangelnde Bewerberzahl. Sein Betrieb hingegen hat es geschafft, kontinuierlich für Nachwuchs zu sorgen: „Unsere Mitarbeiter sind im Schnitt zehn Jahre jünger als im Branchendurchschnitt“, sagt Mießen.

Dabei gehören die Ausbildungsberufe, die der Tiefbaubetrieb zu bieten hat – Kanalbauer, Rohrleitungsbauer und Straßenbauer – nicht gerade zu den Traumberufen der Jugendlichen. Darum muss besonders intensiv geworben werden, wozu auch gehört, dass Mießen mit mehreren Schulen kooperiert und Schüler beispielsweise zu „Baustellentagen“ einlädt, wo Azubis den Schülern ihre Arbeit erläutern. Außerdem gehört Frisch & Faust zu jenen Betrieben, die auch mit Förderschulen zusammenarbeiten. Die Arbeitsagentur steuert „ausbildungsbegleitende Hilfen“ bei, um den Schülern etwa Grundkenntnisse im Rechnen zu vermitteln.

Eine "Drei" in Mathe sagt da erstmal gar nichts

Grundkenntnisse fehlen allerdings nicht nur den Förderschülern. „Manche Schüler machen schon dicke Backen, wenn sie nur 12 mal 12 im Kopf ausrechnen sollen“, hat Mießen festgestellt. Ohne Taschenrechner läuft da nichts. Andere wissen nicht, was ein Quader ist oder wie man einen Rauminhalt berechnet – auch wenn sie eine „Drei“ in Mathe haben. Darum sind inzwischen über 40 Prozent der Betriebe dazu übergegangen, mit eigenen Kompetenztests die Zuverlässigkeit der Schulnoten abzuklopfen. Wie berichtet, scheitern Berlins Schüler häufig an Mathematik. Zuletzt wurde dies deutlich bei den Ergebnissen der Prüfungen zur Berufsbildungsreife. Fast 45 Prozent der Betriebe vermissen bei ihren Azubis denn auch „elementare Rechenfertigkeiten“.

Die Zahl der Auszubildenden ist aktuell in ganz Deutschland auf einen Tiefstwert von 1,4 Millionen gesunken, wie die Auswertung des Statistischen Bundesamts zeigt. Besonders stark fällt der Rückgang in Berlin und Brandenburg aus – hier ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge um fast ein Zehntel zurückgegangen.

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