Gewerbeimmobilien: Zwischen allen Gleisen
Am Gleisdreieck wird das Projekt „Urbane Mitte“ vorsichtig in Fahrt gebracht. Der Ort der Mobilität legt den Planern viele Rücksichten auf.
Noch nie war es so schwer wie heute, in europäischen Großstädten hochwertige Büroflächen zu finden. Nach Angaben von Colliers International ist dies eine echte Gefahr für die Expansionspläne großer Unternehmen in Europa.
Eine Gefahr auch für eine Stadt wie Berlin. Denn die Auswahl für Mieter, die nach Büroneubauten suchen, schrumpft immer mehr. Dies in einer Situation, da manches national und international tätige Unternehmen gerne eine Dependance in Berlin hätte. Ein aktueller Report des Immobiliendienstleisters zeigt, dass die Verfügbarkeit großer Büros in 22 europäischen Schlüsselmärkten in den letzten zwölf Monaten um zwölf Prozent zurückgegangen ist.
Die stärksten Rückgänge wurden in Moskau, Central London, Berlin, Frankfurt, Madrid und Lissabon verzeichnet. Was der Report nicht erfasst, nicht erfassen kann, sind die Neubauaktivitäten im Bereich der Büro- und Gewerbeimmobilien. Als hätte er’s gewusst, stößt Marc Kimmich mit seinem Projekt am Park am Gleisdreieck genau zum richtigen Zeitpunkt in die Lücke.
Von 46 Entwürfen gehen sieben in die zweite Runde
Kimmich, Diplombetriebswirt und „Managing Partner“ der Copro, will mit seinem Co-Geschäftsführer Nadir Guediri am Gleisdreieck ein großes Rad drehen. Es gilt, einer 43.000 Quadratmeter großen Brache neues Leben einzuhauchen. Im Norden grenzt das Grundstück an die Luckenwalder Straße. Das Gelände beginnt südlich des Parkhauses am U-Bahnhof Gleisdreieck und verläuft zwischen dem Park am Gleisdreieck und der U-Bahn-Trasse U 2 sowie südlich entlang der ICE-Trasse.
Gestern wurde mit der Erstpräsentation der Entwürfe zur Bebauung des Projekts „Urbane Mitte“ die erste Stufe des städtebaulich-architektonischen Wettbewerbes gezündet. Fünfzig Architekturbüros hatte die Copro angesprochen und 46 Zusagen erhalten, darunter auch eine von Star-Architekt Daniel Libeskind. Von diesen 46 Entwürfen blieben 25 übrig, von denen nach der gestrigen Sitzung sieben in die zweite Runde gehen. Erst diese werden dann öffentlich vorgestellt.
Kimmich zeigte sich bei einem Rundgang über das Wettbewerbsgebiet in dieser Woche extrem gespannt, welche Lösungen die Architekten für das nicht ganz einfache Gebiet präsentieren werden. Denn es liegt an Bahngleisen und wird überdies noch durch ein Viadukt zerteilt.
Klar ist, dass dies ein Platz für Gewerbebauten und Büros ist. Wohnungen sind allenfalls in einem kleinen Teilbereich denkbar, der an das etwas ruhiger gelegene Gelände des Technikmuseums angrenzt. Geht es nach Kimmich, soll hier ein lebendiges Stadtviertel entstehen – im Zusammenspiel von Park, der bereits hochgezogenen neuen Wohnbebauung und eben den Gewerbe- und Bürobauten. Denn eine Infrastruktur für städtisches Leben gibt es an diesem Ort bisher nicht.
"Wir sind keine Leichenfledderer"
Dafür gibt es ein anderes Projekt in der Nähe, das in den Startlöchern hängt und dort nicht richtig herauskommt: das genossenschaftlich organisierte Großprojekt „Möckernkiez“. Es liegt in Sichtweite der „Urbanen Mitte“. Könnnte Kimmich mit Copro & Co. hier nicht einfach weitermachen? „Wir sind keine Leichenfledderer“, sagt Kimmich, „eine Übernahme ist nicht geplant.“
Sollten die Genossenschaftler allerdings Unterstützung benötigen, „stehen wir für Gespräche gerne bereit“. Auch so kann ein gutes Geschäft beginnen. Allerdings will sich Kimmich nicht übernehmen: Die personellen Kapazitäten seines inhabergeführten Unternehmens sind nicht unerschöpflich.
Die Copro-Gruppe hat sich auf die Sanierung von wohnwirtschaftlichen und gewerblichen Bestandsbauten sowie Denkmälern spezialisiert. Zu den Projekten in Berlin zählen das Voßpalais als Teil der Mall of Berlin am Leipziger Platz sowie das Kaiserliche Postamt in Zehlendorf. Copro entwickelte auch das Geisberg Berlin, ein neuartiges Community-Wohnprojekt in Schöneberg sowie eben das Projekt „Urbane Mitte“, das auf einer der letzten freien Flächen am Gleisdreieckpark auf Kreuzberger Seite realisiert wird.
Kimmich und Guediri wollen an die Verkehrs- und Industriegeschichte des Ortes anknüpfen
Kimmich und Guediri sind hier auf Konsens aus. Zu hart und langwierig waren die Auseinandersetzungen um den Park am Gleisdreieck. Konsens ist: An die DNA des Ortes soll angeknüpft werden, die historischen Bezüge sollen als wichtige Spuren und Elemente wie das gesamte Gleisdreieck integriert werden – mit seiner Verkehrs- und Industriegeschichte.
Ohne Frage handelt es sich um einen Ort der Mobilität. „Wir sind uns der städtebaulichen Verantwortung bewusst“, sagt Kimmich ohne Pathos: „Wir wollen mit Blick auf Zukunftsorientierung und Nachhaltigkeit hier Maßstäbe setzen. Bei uns sind keine Fonds dahinter. Wir haben den Anspruch, etwas zu schaffen – das Projekt muss der Stadt auf allen Ebenen etwas bringen.“ Was das aber sein könnte, ist die Frage.
Urbane Lebendigkeit wäre der Schlüssel. Und so denken die Projektentwickler an eine Zwischennutzung, die sie Pioniernutzung nennen: Sport, Gastronomie, Kultur lauten die bekannten Schlüsselwörter. All das soll nicht wie in einer Chinapfanne zusammengerührt werden, sondern Qualität und ein hohes kreatives Niveau haben. Schließlich sollen so auch die Besucher des rund 26 Hektar großen „Parks am Gleisdreieck“ angesprochen werden, der im Mai 2013 eröffnet wurde.
Nach 2025 soll hier die neue S21 entlang rollen
So weit die Absicht. Die mit den Bezirksverantwortlichen noch zu klärende Frage ist, mit welchen Bauten hier gearbeitet werden darf. Gedacht ist zunächst nur an eine Sommernutzung des Geländes. Vielleicht könnten Überseecontainer aufgestellt werden, überlegt Kimmich. In einem könnten Fahrräder der Parkbesucher repariert werden. Eine Kleinkunstbühne würde sich im Park auch hübsch machen. Es sollen „spannende Räume“ entstehen, bis hier Bleibendes geschaffen wird. „Wir bieten schon jetzt potenziellen Mietern ein Forum an – es sollen Berlin-affine Themenfelder sein“, sagt Kimmich.
Anfragen von potenziellen Nutzern der Büro- und Gewerbeflächen gibt es natürlich längst. Es gebe Großnutzer aus Digitalien, die nach Berlin kommen wollten, deutet Kimmich an. Rund 100.000 Quadratmeter an Büro- und Gewerbeflächen sollen hier geschaffen werden, zulässig wären rund 150 000 Quadratmeter. Das Gebiet ist baurechtlich als Kerngebiet ausgewiesen; eine Wohnbebauung spielt somit nur eine untergeordnete Rolle.
Im besten Sinne übergeordnet wird allerdings ein weiteres Bauprojekt hier eine Rolle spielen. Voraussichtlich in der Zeit nach 2025 soll irgendwann die neue S21 über eine neue Brücke den Landwehrkanal sowie das Parkhaus Gleisdreieck überqueren und den U-Bahnhof Gleisdreieck erreichen. Dort ist ein Umsteigebahnhof vorgesehen, der erstmals einen Übergang zur jetzigen U-Bahn-Linie U1 schaffen würde.
Von dieser neuen Station würde die neue Strecke den Tunnelmund der Nord-Süd-Fernbahn über- und das Viadukt der U-Bahn unterqueren. Auch dies gilt es bei der Neubebauung der „Urbanen Mitte“ einzuplanen.
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