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Laut Senatsverwaltung sind 4470 früher anders genutzte Wohnungen wieder auf dem Markt, davon ca. 2580 Ferienwohnungen.
©  Wolfgang Scholvien/GBI AG

Ferienimmobilien: Zweckentfremdeter Wohnraum oder nicht?

Portal Wimdu zieht am Donnerstag vor Gericht und will für die Berufsfreiheit der Ferienwohnungsbetreiber kämpfen.

Da haben die Dänen etwas ausgegraben! Wie es in dieser Hinsicht wohl in Berlin aussieht? Archäologen wollen jetzt bei Ausgrabungen an der dänischen Nordseeküste die erste dänische Ferienhaussiedlung aus der Wikingerzeit entdeckt haben, teilte Dänemarks offizielle Tourismuszentrale in dieser Woche mit. Und das ist kein Aprilscherz: Bei Bauarbeiten für ein neues Schwimmbad in Skagen stießen Bauarbeiter auf Überreste, die aus der Wikingerzeit um das Jahr 900 stammen sollen. Archäologen des historischen Museums in Kopenhagen sagten über die Fundstätte: „Die Fundamente zeigen ganz deutlich die Strukturen von damaligen Ferienhäusern mit unter anderem einem großen Gemeinschaftsraum und Platz für bis zu zehn Personen. Offensichtlich haben die Wikinger sich in diesen etwas einfachen, doch komfortablen Hütten von ihren Beutezügen erholt", so Archäologe Søren Jensen.

Runeninschriften an der Fundstelle deuten darauf hin, dass bereits die Wikinger die bekannte dänische „hygge“ kannten und lebten. Sie nannten sie jedoch „frygge“, um ihrer Göttin Freya zu huldigen (Freyas hygge). Freya war die nordische Göttin der Liebe und der Fruchtbarkeit. Erste Indizien gibt es auch für die Vermietungsmodalitäten der dänischen Vorfahren: „Statt wie heute in der Hochsaison üblich von Samstag bis Samstag mieteten die Wikinger von Donnerstag bis Donnerstag – zu Ehren ihres Gottes Thor.“ (dän. torsdag = Donnerstag).

Wimdu: "Unsere Gäste lassen mehr Geld in Berlin"

Weil es an derartigen Ausgrabungsfunden in Berlin fehlt, die Kultur des Ferienhausbesitzes an der (Ost-)See erst im Werden begriffen ist, stehen die Zeichen in der Hauptstadt eher auf Sturm, wenn es um Feriengäste geht. Zumal dann, wenn sie mit Koffern in Mietskasernen einrollen, und endlich einmal „einen draufmachen“ wollen wie die Wikinger – vielleicht sogar von Donnerstag bis Donnerstag.

„Unsere Gäste lassen mehr Geld in Berlin, bleiben länger und unterstützen die Kieze“, sagt Péter Vida, Anwalt des Berliner Online-Vermietungsportals Wimdu über das Ferienwohnungen vermittelt werden. Vida hat Argumente gesammelt für einen wichtigen Termin am Donnerstag der nun kommenden Woche.

Am 6. April geht Wimdu gegen ein Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG)  in die Berufung. Es geht um ein Urteil aus dem Juni 2016, das eine Klage gegen das Zweckentfremdungsverbot abgewiesen hatte (AZ.: VG 6 K 103.16). Berlins inzwischen Verordnung gewordener Plan, die ungenehmigte Vermietung privater Wohnungen an Touristen zu untersagen, bedroht das Geschäft des Vermittlers für Ferienwohnungen. „Dreißig bis vierzig Prozent der Wimdu-Reisenden kämen nicht nach Berlin, wenn es diese Angebotsform nicht gäbe“, sagte der Rechtsanwalt des früheren Berliner Rocket Internet Start-ups, das vom dänischen Ferienwohnungsvermittler Novasol geschluckt wurde.

Wer nicht mehr kurzfristig an Feriengäste vermieten darf, vermietet möbliert

Wimdus Vida sieht die Berufsfreiheit der Ferienwohnungsbetreiber eingeschränkt. Es habe sich ein spezielles Berufsbild entwickelt, das eigenen Schutz verdiene. Zudem, so der Chefjustitiar des Unternehmens weiter, habe das Berliner Verwaltungsgericht die grundgesetzlich verbriefte Eigentumsfreiheit „nicht ausreichend gewürdigt“. Alle Argumente seien auf einer Seite, sagten die Wimdu-Verantwortlichen in dieser Woche während eines Vorbereitungstermins für die anstehende Verhandlung: „Verbraucher- und Eigentumsschutz, Berufsfreiheit und europäischer Geist – es gibt genug Anhaltspunkte zuversichtlich in die Verhandlung zu gehen.“ Das hatte Vida vor dem Termin vor dem Berliner Verwaltungsgericht allerdings auch schon so gesagt und verweist erneut auf die „frappierende Ungleichbehandlung“ von Ferienwohnungsanbietern mit anderen Akteuren, die in Wohnräumen ihrem Gewerbe nachgehen. Wie zum Beispiel Nagelstudio-Besitzer oder Rechtsanwälte.

Politisch wird das Oberverwaltungsgericht die Zweckentfremdungsverbotsverordnung nicht zu bewerten haben. Steigende Mieten wurden so jedenfalls nicht verhindert und die Zahl von rund 2500 Wohnungen, die neu auf den Markt gekommen sind, dürften den Mietwohnungsmarkt in der Hauptstadt nicht wirklich entlasten: Wer nicht mehr kurzfristig an Feriengäste vermieten darf, vermietet möbliert – ohne Mietpreisbremse – für mehrere Monate an Geschäftsreisende. Die Rendite dürfte hier etwas geringer ausfallen als bei den kurzzeitigen Vermietungen. Von sozial verträglichen Mietpreisen um die 6,50 Euro pro Quadratmeter kalt kann bei diesen Wohnungen aber weiterhin nicht die Rede sein.

Verstöße gegen das Zweckentfremdungsverbot kann man anonym über Internet melden

Novasol-Chef Bernd Muckenschnabel ärgert sich, dass seine Geburtsstadt eine „Ferienimmobilienillegalisierung“ betreibt. Das passe nicht zu Berlin. Die Stadt lebe doch in allen Lebensbereichen von der Vielfalt.

Ob sich das OVG dem anschließt?

Fest steht seit dieser Woche jedenfalls, dass eine Eigenbedarfskündigung einer vermieteten Wohnung allein aus freiberuflichen oder gewerblichen Gründen meist nicht gerechtfertigt ist. Eine entsprechende Kündigung sei vor allem dann denkbar, wenn der Vermieter die Räume sowohl zum Wohnen als auch zu gewerblichen Zwecken nutzen will, urteilte, wie berichtet, am Mittwoch der Bundesgerichtshof in Karlsruhe. (AZ: VIII ZR 45/16).

Die zum 1. Mai 2014 in Kraft getretene Zweckentfremdungsverbotsverordnung soll dafür sorgen, „dass dem Markt dringend benötigte Mietwohnungen erhalten bleiben“, sagt Berlins Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke). Das zielt auf Menschen ab, die lieber wochenweise Feriengäste aufnehmen, statt dauerhaft zu vermieten. Es geht aber auch darum, dass nicht anstelle neuer Mieter eine Arztpraxis oder Anwaltskanzlei einzieht oder der Eigentümer die Wohnung jahrelang leer stehen lässt, weil er noch nicht den passenden Käufer gefunden hat. So eine „Zweckentfremdung“ ist nur noch mit Ausnahmegenehmigung erlaubt. Verstöße gegen das Verbot können anonym über ein Internet-Formular gemeldet werden – was den Novasol-Aufsichtsratsvorsitzenden Muckenschnabel an düstere Zeiten erinnert: „Das sind Portale, die mit Stasi-Methoden arbeiten.“ Allein Thor könnte besser donnern.

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