Mietsteigerung: Wohnungen werden immer kostbarer
In deutschen Städten wird die Suche nach erschwinglichen Räumen zur Geduldsprobe. Wie lässt sich Abhilfe schaffen?
Studenten schlafen in Turnhallen, Gerichtsvollzieher räumen Wohnungen unter Polizeischutz, Familien demonstrieren, weil sie die Verdrängung aus ihrem Stadtteil fürchten – solche Fälle illustrieren ein wachsendes Problem in Deutschland.
Wohnungen sind knapp, und Mieten wird immer teurer – zumindest an bestimmten Orten. Ein Überblick: Wo ist der Mietenanstieg besonders stark? Das Bild ist zweigeteilt: Auf dem Land und in vielen Städten steigen die Mieten nur langsam, teils sinken sie. Aber in Großstädten, Ballungszentren und an Unistandorten geht es kräftig aufwärts. Dort schlagen Eigentümer momentan zwanzig bis vierzig Prozent auf die Miete auf, wenn der Mieter wechselt. Das hat das F+B-Institut in Hamburg ermittelt.
F+B berechnet unter anderem den Berliner Mietspiegel, dessen Neuauflage am vergangenen Donnerstag mit Spannung erwartet wurde. Der offizielle Mietspiegel 2013 weist als durchschnittliche Berliner Kaltmiete einen Quadratmeterpreis von 5,54 Euro pro Monat aus – ein Plus von 6,3 Prozent im Vergleich zu 2011. Nach Angaben des Berliner Mietervereins waren erneut die Altbauwohnungen, die bis 1918 bezugsfertig wurden, und die Nachkriegsbauten der Jahrgänge 1965-1972 betroffen. Hier stiegen die Oberwerte gegenüber dem Mietspiegel 2011 um bis zu 25 Prozent an.
Steigende Neuvertragsmieten sind auch ein Problem für Mieter, die nicht umziehen – denn sie fließen zeitversetzt in die Mietspiegel ein, an denen sich die Bestandsmieten orientieren. „Das sind die Vergleichsmieten von morgen“, warnt der Deutsche Mieterbund.
Warum steigen die Mieten? Jahrelang wurde zu wenig gebaut. Zwar gibt es in Deutschland gut vierzig Millionen Wohnungen, in den vergangenen zehn Jahren sind aber nur 1,5 Millionen hinzugekommen. Zwar wächst laut Statistischem Bundesamt die Zahl der Baugenehmigungen. In den Großstädten wurden aber viele Eigentumswohnungen und oft teure Mietwohnungen gebaut. Für den kleinen Geldbeutel kam wenig hinzu.
Gleichzeitig wächst die Nachfrage. Viele Menschen zieht es in die Städte. Allein für die wachsende Zahl der Studenten fehlen 25 000 Wohnheimplätze, mahnt das Deutsche Studentenwerk. Es gibt so viele Einpersonenhaushalte wie nie, jeder fünfte lebt allein. Und viele Anleger bringen angesichts der Schuldenkrise im Euroraum ihr Geld mit Immobilien in Sicherheit, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung beobachtet.
Wohnungen werden so knapp und teuer. Nach Berechnungen der Beratungsfirma Empirica waren in München Ende 2011 noch 0,6 Prozent der vermietbaren Wohnungen frei, in Hamburg 0,7 Prozent. „Das ist eine Entwicklung, die ich in mehr als 20 Jahren nie kennengelernt habe“, sagt Mieterbund-Präsident Franz-Georg Rips. „Deutschland hat eine neue Wohnungsnot.“ Selbst Vermieter sprechen von Problemen.
Den Mietanstieg sollen neue Kappungsgrenzen bremsen
Was unternimmt die Politik dagegen? Berlin und München haben in den vergangenen Tagen die „Mietpreisbremse“ angezogen. Dort dürfen Mieten in bestehenden Verträgen nun noch um höchstens 15 Prozent in drei Jahren steigen – zuvor waren es zwanzig Prozent. Das neue Mietrecht ermöglicht die schärfere Begrenzung dort, wo bezahlbare Wohnungen knapp sind. Eine Reihe von Bundesländern will die „Mietpreisbremse“ aber nicht umsetzen; ihnen geht das Gesetz nicht weit genug.
Alle Parteien ziehen mit Forderungen zu Mietenanstieg und Wohnungsmangel in den Wahlkampf. Union und FDP setzen eher auf Anreize für mehr Wohnungsbau, SPD, Grüne und Linkspartei wollen den Neubau fördern und daneben Mieterhöhungen noch stärker begrenzen.
Wie hoch ist die Belastung? Im bundesweiten Durchschnitt ist der Preis des Wohnens relativ konstant: Die Haushalte steckten in den vergangenen Jahren etwa ein Drittel ihrer Ausgaben in Wohnen und Energie – zuletzt 775 Euro monatlich. Aber in den Städten ist Wohnen deutlich teurer geworden. Dort entfallen oft vierzig oder fünfzig Prozent der Ausgaben auf Miete und Nebenkosten. Dazu tragen auch die steigenden Energiekosten bei.
Wie reagieren Mieterbund und Eigentümer darauf? 140 000 Wohnungen pro Jahr müssten gebaut werden, fordert der Mieterbund – doppelt so viele wie zuletzt. Andernfalls fehlten 2025 eine Million Wohnungen. „Die teuren Mieten sind nicht vom Himmel gefallen“, schimpft Mieterbundpräsident Rips. Nun müsse die Politik entschieden handeln: mit Steuererleichterungen für Bauherren, mehr Wohngeld und Sanierungszuschüssen. Insgesamt seien zehn Milliarden Euro im Jahr nötig. Den Mietanstieg sollen neue und strengere Kappungsgrenzen bremsen.
Davor warnt der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Wohnen werde dadurch nicht bezahlbarer, meint Präsident Axel Gedaschko. Vielmehr werde Sanierungen und Neubauten in Ballungsregionen das nötige Geld entzogen. Der Zentrale Immobilien-Ausschuss (ZIA) forderte Bund, Länder und Gemeinden auf, eine aktive Liegenschaftspolitik zu betreiben, um Flächen für den Wohnungsbau bereitzustellen. Dabei komme den Kommunen die besondere Verantwortung zu, durch ein vorausschauendes Flächenmanagement und die Ausweisung von Bauland die unabdingbaren Voraussetzungen für eine höhere Neubautätigkeit zu schaffen. (dpa/Tsp)
Burkhard Fraune
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