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Vor den Toren Berlins, im ehemaligen Olympischen Dorf sollen bis 2019 rund 100 Wohnungen entstehen.
© Ralf Hirschberger/dpa

Neues Wohnquartier in Elstal: Wohnungen statt Sportheime

Das Olympische Dorf von 1936 an der Stadtgrenze von Berlin wird für Wohnzwecke ausgebaut. 2019 könnten die ersten Bewohner einziehen.

Mehr als 80 Jahre haben tiefe Spuren hinterlassen: Der Putz fällt von den Wänden, viele Fenster sind mit Brettern zugenagelt und manche Kachel ist zerbrochen. Doch das Speisehaus der Nationen, eines der Hauptgebäude im Olympischen Dorf von 1936, ist mit seiner geschwungenen Front und den großen Terrassen noch gut zu erkennen. Künftig sollen hier in Elstal in der brandenburgischen Gemeinde Wustermark 100 Wohnungen angeboten werden, die angesichts der Wohnungsknappheit im nahen Berlin dringend benötigt werden.

„Wir haben über Jahre hart gekämpft“, sagt Wustermarks Bürgermeister Holger Schreiber (parteilos). Seit einem Vierteljahrhundert verfielen die noch stehenden Häuser auf dem 50 Hektar großen Gelände am westlichen Stadtrand Berlins. Ihm war klar, dass das Dorf ohne eine wirtschaftliche Nutzung nicht zu halten sein würde. Nun soll mit einer denkmalgerechten Sanierung und dem Bau neuer Reihenhäuser genau an den Stellen, wo vor Jahrzehnten abgerissene Sportheime standen, neues Leben ins Olympische Dorf einziehen. 2019 oder 2020 könnten die ersten Bewohner einziehen, hofft Schreiber.

Die Nazis hatten das Quartier 1934/36 als Unterkunft für bis zu 4000 Athleten errichtet. Von Anfang an war vorgesehen, dass nach den Spielen die Wehrmacht das Gelände nutzt. So wurde das Speisehaus der Nationen gleich so gebaut, dass es später als Lazarett genutzt werden konnte. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die sowjetische Armee das Gelände, riss einen Teil der Häuser ab und errichtete mehrere Plattenbauten. Seit die Truppen 1994 Deutschland verließen, lag das Dorf brach.

Der Bund unterstützt den ersten Bauabschnitt

Doch mehrere Bauten stehen noch, darunter die historische Turnhalle oder das Schwimmbad. Zwar hat auch am imposanten Speisehaus mit seinen 38 Küchen der Zahn der Zeit genagt. Aber: „Das war eine Bauqualität, die gehalten hat“, sagt Staatssekretär Gunther Adler aus dem Bundesbauministerium am Dienstag beim ersten Spatenstich.

Der Bund unterstützt den ersten Bauabschnitt, bei dem 450 Wohnungen auf rund einem Fünftel des Geländes entstehen, als national bedeutsames Stadtentwicklungsprojekt. Der Nürnberger Projektentwickler Terraplan will rund 50 Millionen Euro investieren, die Wohnungen dann vermieten und verkaufen. „Wir brauchen mehr Wohnraum in Deutschland“, sagt Adler. Die Preise will der Investor moderat halten: Mieten von weniger als zehn Euro pro Quadratmeter seien das Ziel. Terraplan hatte das Areal von der Deutsche Kreditbank Wohnungsbau und Stadtentwicklung (DKB Wohnen) erworben. Das Familienunternehmen ist auf die Wiederbelebung historischer Gebäude spezialisiert und vor allem in Berlin und Brandenburg aktiv.

An die dunklen Seiten der Olympischen Spiele von 1936 wird beim ersten Spatenstich nicht erinnert. Dass die Nazis den Sport für Propaganda nutzten, sich friedfertig geben und ihre Rassenideologie verstecken wollten, wird nicht thematisiert. Hier solle die „positive Story“ der Olympischen Spiele von 1936 im Vordergrund stehen, sagt Bürgermeister Schreiber, der mittelfristig bis zu 3000 neue Einwohner für möglich hält. Immerhin: Auf dem Gelände ist auch das Jesse-Owens-Haus erhalten und zeigt eine Ausstellung. Der erfolgreichste Sportler der Spiele von 1936 hatte als Schwarzer und Publikumsliebling die Rassenpolitik der Nazis ad absurdum geführt.

Aber wie war das damals, als die Sportler dort wohnten?

Georg Frank, Dezernatsleiter im Landesamt für Denkmalschutz, sagt: „Wir haben immer darauf hingewiesen, dass die Gebäude aus den 1930er Jahren erhalten bleiben.“ Das sei in den Gesprächen mit Kommune und Investor auch unstrittig gewesen. Er gehe davon aus, dass den zukünftigen Bewohnern bewusst sei, dass es sich um ein historisch bedeutsames Gelände handle.

Aber wie war das damals, als die Sportler dort wohnten? Das Projekt war groß dimensioniert – wie alles, was die Nazis unternahmen. Fritz Wandt kennt das Gelände ganz genau. Der heute 93-Jährige hatte damals als zwölfjähriger Junge Autogramme von den Sportlern gesammelt. Stolz zeigt er sein kleines Büchlein mit 60 Unterschriften von Sportlern aus aller Welt. Das Autogrammsammeln sei damals streng verboten gewesen, erinnert er sich. Aber er habe sich nicht dran gehalten. Von Sportlern aus Indien oder auch der Schweiz war er beeindruckt. Heute sei er froh, dass das Gelände wieder genutzt werde. „Ich habe mir immer gewünscht, dass das Olympische Dorf mal aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst wird.“

Das Olympische Dorf schien schon einmal gerettet. Am 4. September 1996 teilte die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) Brandenburg mit, dass das Olympische Dorf in den nächsten zehn Jahren mit 1,5 Milliarden Mark in eine Wohnstadt im Grünen verwandelt werden solle. Doch aus dem Plan, die LEG zusammen mit einer Tochter der Landesbank Berlin zusammenzuspannen, gemeinsam mit der Firma Lincoln Properties aus Dallas eine Entwicklungsgesellschaft zu gründen, wurde nichts. Nach mehr als 20 Jahren stehen die Zeichen nun günstiger.

(dpa/Tsp)

Rochus Görgen

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