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Alles im grünen Bereich? Eine Thermografiekamera zeigt das Wärmeprofil des Bundeskanzleramtes in Berlin. 
© Greenpeace/picture-alliance/dpa

Energiepolitik: "Winterpaket" ohne Geschenke

Die EU-Kommission will europäischen Energiemarkt wetterfest machen. Das betrifft auch den Gebäudesektor.

Europa soll nach dem Willen der EU-Kommission seine Klimaziele bis 2030 durch stärkere Energieeinsparungen erreichen. Die Brüsseler Behörde legte am Mittwoch ein umfangreiches Paket vor, in dem sie ein verbindliches Einsparziel von 30 Prozent statt wie bisher geplant 27 Prozent im Vergleich zu 1990 vorschlägt.

Während Umweltschützer und Grüne die Förderung von Ökostrom durch das Paket gefährdet sehen, monieren Industrieverbände falsche Ansätze bei der Einsparung. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel nannte die Vorschläge „noch keinen großen Wurf“. EU-Parlament und Mitgliedsländer müssen dem Paket der Kommission zustimmen.

Die EU-Kommission argumentierte, dass die Einsparung von Energie immer noch der sauberste und billigste Weg für die EU sei. Sie beschreibt auf 1000 Seiten im sogenannten Winterpaket, wie sie sich die Energiepolitik der nächsten Jahre vorstellt. Das Motto ist „Saubere Energie für alle Europäer“. Vier Richtlinien und vier Verordnungen kreisen um das Thema. Mehrere davon betreffen den Gebäudesektor. Dort soll bis 2050 keine fossile Energie mehr verbraucht werden.

Richtlinie zur Gebäudeeffizienz

Die EU-Mitgliedsstaaten sollen laut dem Entwurf nationale Sanierungsstrategien für einen klimaneutraler Gebäudebestand bis 2050 festlegen. Diese sollen klare Zwischenziele für das Jahr 2030 enthalten. Durch die Sanierung von Gebäuden soll auch das Problem der Energiearmut angegangen werden. 500.000 bis drei Millionen Haushalte von 23 Millionen, die in der EU unter Energiearmut leiden, sollen so geringere Energierechnungen bekommen.

Alle Nicht-Wohngebäude mit mehr als zehn Parkplätzen sollen ab 2025 die Möglichkeit zum Laden von Elektroautos bieten. Das soll für neue Gebäude und solche gelten, die grundlegend saniert werden. Ausnahmen für kleine und mittlere Unternehmen sollen möglich sein. Auch neue Wohngebäude mit mehr als zehn Parkplätzen sollen Lademöglichkeiten haben.

Neu eingeführt wird ein Indikator für „Smartness“. Er soll zeigen, wie sehr das Gebäude flexibel auf Komfortanforderungen wie die externe Regulierung der Heizung reagieren kann. Oder ob es an einem flexiblen Strommarkt teilnehmen kann, indem es stromfressende Geräte dann einschaltet, wenn der Strom billig ist.

Nicht-Wohngebäude mit einem Verbrauch von mehr als 250 Megawattstunden im Jahr und Wohngebäude mit einem Verbrauch von mehr als 100 Megawattstunden sollen an ein elektronisches Monitoringsystem angeschlossen sein oder durch sonstige Kontrollen regelmäßig inspiziert werden.

Eine neue Energieeffizienzrichtlinie

Die Energieeffizienzrichtlinie will die EU-Kommission über das Jahr 2020 hinaus verlängern. Sie sieht vor, dass Stromversorger 1,5 Prozent an Energie pro Jahr einsparen.

Das bisher geltende Ziel von 27 Prozent Energieeinsparungen gegenüber 1990 wird auf 30 Prozent im Jahr 2030 erhöht. Das hört sich nach einem Fortschritt an, wurde aber schon längere Zeit beabsichtigt. Das EU-Parlament hatte sich sogar für 40 Prozent ausgesprochen. Dafür will die EU-Kommission die Verwendung von Informationstechnologien zur Wärme- und Kälteregulierung von Gebäuden stärker fördern und Renovierungen unterstützen.

Um die Einsparziele im Gebäudesektor zu erreichen, sollen bei Neuinstallationen ab 2020 fernauslesbare Wärmezähler Pflicht werden. Diese können nämlich nicht nur an die Abrechnungsstelle funken, sondern auch an Geräte zur Visualisierung des Verbrauchs, etwa an Smartphones. So sollen die Bewohner besser über ihren Energieverbrauch Bescheid wissen.

Erneuerbare Energien, die in einem Gebäude zum Eigenverbrauch erzeugt werden, sollen nicht zum Gesamtenergieverbrauch eines Landes zählen.

Erneuerbare-Energien-Richtlinie

Der Einsatz von erneuerbaren Energien zum Heizen oder Kühlen von Gebäuden soll laut der Richtlinie jedes Jahr um mindestens ein Prozent steigen. Bis 2020 sollen die EU-Mitglieder Potenziale für Erneuerbare im Gebäudebestand auflisten. Die Mitgliedsstaaten sollen ein Mindestmaß von erneuerbaren Energie in Gebäuden verlangen – die beiden Worte „wo angemessen“ in der zurzeit gültigen Fassung der Richtlinie wurden gestrichen.

Insgesamt sollen Erneuerbare zum Mainstream werden, der Eigenverbrauch und die Bildung von Erzeugungsgemeinschaften sollen gefördert werden.

Bis zu 900.000 neue Jobs

Stromnetze sind das Rückgrat der Energieversorgung.
Stromnetze sind das Rückgrat der Energieversorgung.
© Federico Gambarini/dpa

Durch Energieeinsparung könnten nach Berechnungen der Kommission 900.000 zusätzliche Jobs geschaffen und 70 Milliarden Euro durch die verringerte Einfuhr von Öl und Gas eingespart werden.

Die Kommission will Energie den „Einspeisevorrang“ abschaffen, bei dem erneuerbare Energien im Stromnetz bevorzugt werden, sobald mehr als 15 Prozent der jährlich erzeugten elektrischen Energie aus erneuerbaren Quellen kommen. „Das bedeutet, dass in Deutschland (mit 20 Prozent Solar- und Windstrom) in Zukunft Solar- und Windstrom nicht nur aus technischen, sondern auch aus finanziellen Gründen abgeregelt werden darf, um Strom aus klimabelastender Braunkohle- oder Kernkraftwerken zu Dumpingpreisen im Netz zu verteilen“, kritisiert der Solarenergie-Förderverein Deutschland.

Die Regel soll aber nur für künftige Installationen und auch nicht für kleine Anlagen wie die Solaranlage auf dem Einfamilienhaus gelten.

Mitteilung zu sauberer Energie in Gebäuden

In einer sogenannten Mitteilung hat die EU-Kommission zusammengefasst, wie der Einsatz von sauberen Energien in Gebäuden beschleunigt werden könnte. Nach guten Erfahrungen mit dem Pilotprojekt Private Finance for Energy Efficiency will die EU weitere dieser flexiblen Finanzierungsinstrumente fördern.

Zur besseren Information von Projektentwicklern wird die Datenbank De-risking Energy Efficiency Platform (www.eefig.com) gestartet. Auch das EU Building Stock Observatory (ec.europa.eu/energy/en/eubuildings) soll bei der Verbreitung von Wissen über energieeffizientes Bauen und Sanieren sowie dessen Finanzierung helfen.

2017 soll die gesamte Umweltwirksamkeit von Gebäuden im Rahmen eines Pakets zur Kreislaufwirtschaft untersucht werden. Ziel ist unter anderem, Gebäude besser recycelbar zu machen.

Innovationen beschleunigen

Zwei Milliarden Euro stehen laut der Mitteilung von 2018 bis 2020 für Forschung zu sauberen Energien im Horizon-2020-Programm zur Verfügung, um Innovationen zu fördern. Damit will die EU unter anderem eine Entwicklung vom Nullenergiehaus zum Energie-Plus-Quartier anstoßen.

Mitteilung zur Öko-Design-Richtlinie

Die europäische Kommission legt jeweils in einem Arbeitsprogramm fest, welche Produktgruppen künftig unter ökologischen Gesichtspunkten ihren Energieverbrauch verringern müssen. Kühlschränke, Geschirrspüler, Waschmaschinen und Trockner sowie Computer und Server werden bereits einer Überprüfung unterzogen. Im Plan für die Zeit von 2016 bis 2019 sind außerdem Aufzüge, Kühlcontainer, System der Gebäudeautomation und Wasserkocher als Produkte genannt, die künftig überprüft werden sollen.

Governance-Richtlinie

Die Richtlinie enthält Bestimmungen dazu, wie die EU-Mitglieder ihre nationalen Klima-.und Energiepläne von 2021 bis 2030 verfassen sollen und wie sie darüber berichten. In diesem Zusammenhang spielen auch wieder die Strategien für die Sanierung des Gebäudebestandes eine Rolle.

Strommarkt und smarte Gebäude

In einem Bündel von vier Vorschlägen geht es um den Strommarkt. Paragraph 11 der Richtlinie zur Regulierung des Strommarktes enthält die umstrittene Abschaffung des Einspeisevorrangs für Strom aus erneuerbaren Quellen. Weitere Regelungen stehen in einer zweiten Richtlinie zum Strommarkrt. In der ACER-Richtlinie geht es um die Zusammenarbeit von Regulierern des Strommarktes. Die Verordnung zu Vorbereitung auf Risiken beschäftigt sich mit einem sicheren Stromnetz.

Alle Texte des Pakets mit weiteren Hinweisen stehen im Internet auf einer Website der europäischen Kommission. Einen guten Überblick zum Thema bietet eine Handreichung des Building Performance Institutes.

(mit Reuters)

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