Sicherheit: Wenn die UV-Lampe Diebesgut enttarnt
Künstliche DNA könnte vor Einbrüchen schützen. In Brandenburg wird getestet, in Berlin abgewartet.
Die Szenerie erinnert ein bisschen an die Krimiserie „CSI Miami“. An einer Straßeneinfahrt prangt auf einem Schild der blutrote Abdruck einer Hand. Darunter ist der blaue Schriftzug „DNA-Spuren führen zum Täter“ zu lesen. Wir befinden uns in Brandenburg, in Schwedt an der Oder. Die Fährte führt zum Diebstahlschutz. Neben dem krimigerechten Logo steht es Blau auf Weiß: „Unsere Wertsachen sind markiert.“ Das heißt: In dieser Straße haben die Bewohner auf ihr Hab und Gut eine Flüssigkeit aufgetragen, die sie eindeutig als ihr Eigentum ausweist – die sogenannte künstliche DNA.
Schwedt hat die Markierungsmethode 2012 getestet. Mit Unterstützung des Landes hat die Stadtverwaltung sogenannte Starterkits vergünstigt an Interessierte verteilt. Neben der DNA enthält das Paket Aufkleber für Türen, Fenster oder Autos. Wie das Straßenschild machen sie auf die Signalfarbe aufmerksam, um Einbrecher in spe abzuschrecken. „Sie können damit ihren Schmuck und Fernseher oder auch ihren Van Gogh markieren“, erklärt Brigitte Kersting, Angestellte beim JoBi-Vertrieb. „Es ist fast unmöglich, die Flüssigkeit zu entfernen. Dazu müsste man den markierten Gegenstand beschädigen.“ Da die DNA organisch sei, verbleiche sie mit der Zeit; draußen verläuft dieser Prozess wegen der Sonnenstrahlung schneller als in Innenräumen. „Aber die DNA leuchtet auf jeden Fall mehrere Jahre“, sagt Kersting.
Bei dem JoBi-Vertrieb ist die DNA für Berlin und Umgebung zu haben. Die Alleinvertretungsrechte für die Länder Niederlande, Belgien und Deutschland liegen bei der SDNA Forensische Markierungstechnologie GmbH mit Sitz in Schriesheim.
Die Markierungsflüssigkeiten sind unverwechselbar. Jede künstliche Flüssigkeit ist ein Unikat, einmalig wie die menschliche DNA. Nach dem Trocknen kann das bloße Auge die milchfarbene Flüssigkeit kaum noch erkennen. Doch im Labor kann die DNA-Sequenz ermittelt werden. Sagt die Angestellte beim JoBi-Vertrieb. Über eine Datenbank könne die Polizei schließlich den Besitzer zuordnen. Die künstliche DNA leuchtet, wenn sie UV-Licht ausgesetzt wird. Beamte mit entsprechender Ausrüstung können die Flüssigkeit also leicht entdecken und überprüfen.
Neben der DNA-Sequenz enthält sie Hunderttausende kleiner Metallplättchen; jedes hat eine winzige Codenummer. Diese kann schon vor Ort mit einer speziellen Brille abgelesen werden – ohne Laboruntersuchung.
Wichtiger noch als das Stellen der Täter ist die Prävention. Durch Abschreckung – mithilfe der Schilder und Aufkleber – soll es gar nicht erst zum Einbruch kommen. Vor allem Gelegenheitstätern soll der Spaß verdorben werden, sagt Jörg Reimann, Koordinator der künstlichen DNA-Strategie bei der Polizei Bremen. „Wir wollen die Tatgelegenheiten reduzieren.“
„Wir glauben, dass es funktioniert“
In Bremen startete im Oktober 2009 das erste deutsche DNA-Pilotprojekt. In den USA, Australien und den Niederlanden wird das Verfahren schon seit Jahren eingesetzt. Die Testphase in Deutschland lief im Herbst letzten Jahres aus, die Zahlen werden nun ausgewertet. Aber die Wirkung von Präventionsmaßnahmen lässt sich wissenschaftlich schwer belegen. „Wir können nicht automatisch von einem Rückgang der Einbruchzahlen auf einen Erfolg der künstlichen DNA schließen“, so Reimann. Zwar seien die Zahlen zurückgegangen. Doch das habe auch andere Gründe.
Die bis dato eher unbekannte Methode wurde von der Polizei in Aufklärungsveranstaltungen in der Hansestadt vorgestellt. Sie waren gut besucht. „Wir haben über dieses Produkt einen Ohröffner für das Thema Sicherheit gewonnen“, glaubt Koordinator Reimann.
Deswegen hat sich die Polizei in Bremen nach der Testphase für einen unbegrenzten Einsatz der DNA entschieden. Trotz fehlender wissenschaftlicher Belege über den Nutzen soll die DNA Teil der Gesamtstrategie zum Einbruchsschutz bleiben. „Wir glauben, dass es funktioniert“, sagt Reimann. Bei Täterbefragungen in der JVA Bremen gaben immerhin 75,8 Prozent an, die künstliche DNA zu kennen. 42,8 Prozent der Bremer würden sich von einem Schild, das auf die Nutzung der DNA in dieser Straße verweist, abschrecken lassen. „Das ist nach gerade Mal drei Jahren ein gesundes Ergebnis“, findet Reimann.
Mittlerweile nutzen unter anderem das Bundeskriminalamt, die Deutsche Bahn oder regionale Landwirtschaftsbetriebe die DNA oder haben sie in ihr Präventionsprogramm aufgenommen. Im brandenburgischen Schwedt wurde das Projekt nach der etwa halbjährigen Testphase jedoch nicht weiter verfolgt. Nachdem die Starterkits aufgebraucht waren, habe es keine weitere Nachfrage gegeben, sagte die Leiterin des Pressebüros in Schwedt, Corinna Müller. „Ich gehe davon aus, dass das Interesse nicht so groß war.“ Damit war die Sache erledigt. Trotzdem gehört die DNA zu den Präventionsmaßnahmen, die von dem Land Brandenburg weiter forciert werden, sagte Gerald Pillkuhn, Polizeisprecher in Schwedt.
Die Berliner Polizei will die DNA-Strategie nicht einsetzen. Die Testphase in Bremen sei beobachtet worden, konnte jedoch laut Pressesprecher Stefan Redlich die Einbruchskriminalität nicht spürbar reduzieren. „Organisatorische sowie wirtschaftliche Aspekte sprechen daher gegen eine Einführung von künstlicher DNA bei der Polizei Berlin.“ Dabei erscheint ein Einsatz in der Bundeshauptstadt besonders sinnvoll: 2011 lag Berlin mit einer Quote von 25,3 Einbrüchen je 10 000 Einwohner bundesweit auf Platz drei, hinter Bremen mit 43,6 Einbrüchen und Hamburg mit 42,3 Einbrüchen je 10 000 Einwohner.
Der Bremen-Koordinator Reimann versteht die Einwände. „Man wird durch die Zahlen keine schnellen Erfolge sehen können. Jedes Bundesland muss das für sich entscheiden.“
Jede Privatperson kann sich ein Starterkit für 89,50 Euro anschaffen. Anwohnerinitiativen ab 25 Teilnehmern werden von der Firma Selecta subventioniert und bekommen das Paket für 65 Euro/Stück. Das „CSI“-Schild gibt es gratis dazu.
Valerie Schönian
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