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Hoch hinaus: Jedes Jahr soll Berlin mindestens 10 000 neue Wohnungen bekommen.
© Marc Gruninger

Mehr Wohnungen in Berlin: Weil die Stadt schneller wächst

Fördermittel für günstigen Wohnraum, Beschleunigung von Bebauungsplanverfahren, Darlehen für Familien: Der Berliner Senat will, dass mehr Wohnungen gebaut werden.

Als die beiden Berliner Regierungsparteien SPD und CDU 2011 ihren Koalitionsvertrag unterzeichneten, war das Ziel noch moderat: 6000 neue Wohnungen sollten jedes Jahr in der Hauptstadt errichtet werden. Doch das Wachstum der vergangenen Jahre hat diese Zahl zur Makulatur werden lassen. Weil seit 2012 die Einwohnerzahl Berlins im jährlichen Durchschnitt um 45000 gestiegen ist, strebt die Landesregierung jetzt den Bau von jährlich mindestens 10000 neuen Wohnungen an.

„Berlin hat den großen Standortvorteil, dass es noch ausreichend Flächen gibt, um Wohnungen zu bauen“, sagt Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD). „Unsere Aufgabe ist es, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass bezahlbarer Wohnraum möglichst schnell und ohne bürokratische Umwege entsteht.“ Um dieses Ziel zu erreichen, setzt die Landesregierung auf verschiedene Schritte. So hat sie beispielsweise darauf reagiert, dass Projektentwickler und Investoren immer wieder klagen, es dauere viel zu lange, bis Bebauungspläne aufgestellt und Baugenehmigungen erteilt seien.

2014 gab der Senat deshalb Mittel frei, damit die Bezirke – die in der Regel für die Schaffung von Baurecht zuständig sind – ihre Bauaufsichtsämter personell aufstocken können. Gleichzeitig beschloss der Senat eine sogenannte Sprinterprämie: Wenn die Bezirke spätestens sechs Monate nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen die Baugenehmigung erteilen, erhalten sie pro genehmigter Wohnung eine Sonderzahlung von 500 Euro.

"Baut überall, nur nicht in unserer Nachbarschaft"

Darüber hinaus beschloss der Senat vor Kurzem, das Aufstellungsverfahren für Bebauungspläne zu beschleunigen. Solche Bebauungspläne sind die Voraussetzung für größere Bauvorhaben auf Flächen, die bisher nicht bebaut waren oder neu für Wohnungszwecke genutzt werden sollen. Weil aber nicht selten Anwohnerinitiativen gegen solche Projekte protestieren, behält sich der Senat das Recht vor, bei Neubauten mit mehr als 200 Wohnungen das Bebauungsplanverfahren an sich zu ziehen und so den eigentlich zuständigen Bezirk zu entmachten. Bisher lag die Untergrenze bei 500 Wohnungen.

„Um die große Wohnungsnachfrage zu decken, müssen in den kommenden zehn Jahren mehr als 100000 neue Wohnungen entstehen“, begründet Senator Geisel die politisch umstrittene Maßnahme. Das aber könne nicht gelingen, wenn alle sagten: „Hier bitte keine Veränderung, baut überall, nur nicht in unserer Nachbarschaft.“ Diese Haltung, so Geisel, bedeute Stillstand – und dieser passe nicht zu Berlin.

Doch selbst wenn sich mehr Kräne drehen, ist ein weiteres Ziel der Landesregierung noch nicht erreicht: Es sollen nämlich nicht nur teure Eigentumswohnungen, sondern auch preiswerte Mietwohnungen entstehen. 2014 stieg das Land daher nach jahrelanger Abstinenz wieder in die Förderung des Wohnungsneubaus ein: 64 Millionen Euro stellt es dafür jährlich an vergünstigten Krediten zur Verfügung. Sie sollen dazu beitragen, dass jedes Jahr tausend Mietwohnungen mit einer durchschnittlichen Anfangsmiete von 6,50 Euro pro Quadratmeter errichtet werden.

In beliebten Kiezen wie der Gegend rund um Mauerpark und Jahn-Stadion in Prenzlauer Berg sollen nach Willen des Senats nicht nur teure Eigentums-, sondern auch erschwingliche Mietwohnungen entstehen.
In beliebten Kiezen wie der Gegend rund um Mauerpark und Jahn-Stadion in Prenzlauer Berg sollen nach Willen des Senats nicht nur teure Eigentums-, sondern auch erschwingliche Mietwohnungen entstehen.
© Marc Gruninger

Bei Neubau gilt die 25 Prozent Sozialwohnungsquote

Dabei nimmt die Politik auch die privaten Immobilienunternehmen in die Pflicht. Leitlinie dafür ist das im August vergangenen Jahres beschlossene „Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung“, das sich an dem seit Jahrzehnten etablierten Münchner Modell der „Sozialgerechten Bodennutzung“ orientiert. Kern des Berliner Modells ist, die Investoren bei der Schaffung von Baurecht für größere Wohnungsbauvorhaben zu Gegenleistungen zu verpflichten.

So müssen sie die Erschließung übernehmen, die durch die neuen Wohnungen erforderlichen Kita- und Grundschulplätze finanzieren und einen Mindestanteil an preiswerten Wohnungen errichten. Das alles gilt allerdings ausschließlich dann, wenn für das Vorhaben ein Bebauungsplan aufgestellt werden muss.

Vor wenigen Tagen ist dabei der Anteil der Wohnungen mit Mietpreis- und Sozialbindung präzisiert worden: Während anfänglich eine Spanne zwischen zehn und 33 Prozent – je nach den lokalen Verhältnissen – festgeschrieben war, gilt jetzt neu eine feste Quote von mindestens 25 Prozent.

Die Politik will Familien, die Wohneigentum erwerben, fördern

Der seit wenigen Monaten amtierende Stadtentwicklungssenator Geisel will aber noch mehr erreichen: „Den Anteil von zurzeit rund 1000 sozial geförderten Wohnungen wollen wir auf 2000 bis 3000 pro Jahr anheben“, stellt er in Aussicht. Dafür braucht es natürlich mehr Geld. „Im Rahmen der Beratungen zum Doppelhaushalt 2016/17 werden die Möglichkeiten zur Aufstockung des Förderungsprogramms geprüft“, sagt Geisels Sprecher Martin Pallgen.

Die genaue Fördersumme stehe noch nicht fest. Trotzdem signalisiert die Wohnungswirtschaft schon mal Zustimmung: „Wir begrüßen es sehr, wenn die Förderung ausgebaut und noch interessanter gestaltet wird“, sagt etwa Stefanie Frensch, Geschäftsführerin der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge. Gefördert werden sollen künftig aber auch Familien, die Wohneigentum erwerben.

Mit dem neuen Programm „Familiendarlehen“ unterstützt die Investitionsbank Berlin (IBB) Haushalte mit begrenztem Einkommen, die eine Neubauwohnung erwerben oder ein Einfamilienhaus bauen wollen. Bestandsobjekte sind davon ausgenommen; schließlich will der Senat ja den Neubau ankurbeln.

Dabei untersucht er auch Möglichkeiten, durch kleinere Maßnahmen zusätzlichen Wohnraum zu schaffen – zum Beispiel durch den Ausbau von Dachgeschossen, die Schließung von Baulücken und die Ergänzung bestehender Siedlungen. Denn, so Senator Geisel: „Berlin braucht neue Wohnungen und langfristige Perspektiven – für die Menschen, die hier bereits leben, aber auch für all jene, die in den nächsten Jahren noch in unsere Stadt kommen.“

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