Zuschuss zur Miete: Trotz steigender Mieten verzichten viele auf Wohngeld
Haushalte mit niedrigen Einkommen halten sich mit Anträgen zurück.
Wenn das kein Widerspruch ist: In fast allen deutschen Großstädten stöhnen viele Mieter über steigende Mieten – doch die staatliche Unterstützung, die Menschen mit niedrigem Einkommen zusteht, wird nur selten in Anspruch genommen. Lediglich 770 000 Haushalte in der Bundesrepublik, das hat das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in dieser Woche mitgeteilt, beziehen laut den jüngsten verfügbaren Zahlen aus dem Jahr 2011 Wohngeld – das war jeder fünfzigste Haushalt.
Besonders erstaunlich ist diese niedrige Zahl, weil vor wenigen Tagen eine von der Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegebene Studie über die Wohnkostenbelastung für Schlagzeilen sorgte. Demnach hat die Mietbelastung für einkommensschwache Haushalte in sechzig der hundert größten deutschen Städte dramatische Ausmaße angenommen: Eine Familie, die in diesen Städten über weniger als 60 Prozent des ortsüblichen mittleren Einkommens verfügt, hat nach Abzug der Miete weniger Geld zur Verfügung als eine Hartz-IV-Familie.
In solchen Fällen sollte eigentlich das Wohngeld greifen. Es wird je zur Hälfte vom Bund und von den Ländern finanziert und kann von Haushalten in Anspruch genommen werden, die nicht Arbeitslosengeld II beziehen, aber über ein niedriges Einkommen verfügen. Diese Familien und Einzelpersonen erhalten einen monatlichen Zuschuss zu ihrer Miete. Im deutschlandweiten Durchschnitt beträgt dieser Zuschuss laut der BBSR-Studie 113 Euro. Damit übernimmt die öffentliche Hand im Durchschnitt 29 Prozent der Bruttokaltmiete.
Von einer „katastrophalen Bilanz der Bundesregierung“ spricht mit Blick auf die BBSR-Zahlen der Deutsche Mieterbund (DMB). Nach seinen Angaben ist die Zahl der Wohngeldempfänger zwischen 2010 und 2011 um rund zehn Prozent gesunken. „Es kann nicht sein, dass für einkommensschwache Haushalte mit einem Haushaltsnettoeinkommen bis 1300 Euro die Wohnkostenbelastung mittlerweile auf über 45 Prozent geklettert ist, gleichzeitig aber die Zahl der Wohngeldempfänger zurückgeht und die Wohngeldansprüche sinken“, sagt DMB-Direktor Lukas Siebenkotten. Er kritisiert die Anfang 2011 in Kraft getretene Änderung des Wohngeldgesetzes. Mit ihr strich die Bundesregierung die „Heizkostenkomponente“ – mit der originellen Begründung, die Heizkosten seien gesunken.
Eine solche Energiekostenkomponente, die auch die Kosten für Heizung berücksichtigen würde, muss nach Ansicht des Mieterbundes dringend wieder eingeführt werden. Außerdem sollten laut DMB die Einkommensgrenzen, bis zu denen Wohngeld gezahlt wird, aktualisiert – also angehoben – werden. Die Bauministerkonferenz stimmte im März einem Vorstoß Bremens zu, wonach die Bundesregierung aufgefordert wird, „eine Anpassung des Wohngelds an die allgemeine Miet- und Einkommensentwicklung (...) zu überprüfen“ und eine „Energie- oder Heizkostenkomponente in angemessener Höhe“ einzuführen.
„Die Höhe des Wohngeldes muss den steigenden Mieten angepasst werden“, fordert auch Wibke Werner von der Geschäftsführung des Berliner Mietervereins. Grundsätzlich sei das Wohngeld jedoch ein „sinnvolles Instrument“. Warum aber nehmen es dann in Berlin laut der BBSR-Studie trotz niedrigen Durchschnittseinkommens und wachsender Mietbelastung nur 35 000 Haushalte (1,7 Prozent aller Haushalte) in Anspruch? „Eventuell wissen viele Leute gar nicht, dass sie ein Anrecht auf Wohngeld haben“, vermutet Wibke Werner. „Oder sie scheuen den Aufwand, der mit der Beantragung des Wohngelds verbunden ist.“ Ganz ähnlich sieht es David Eberhart, Pressesprecher des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen: „Man bekommt einen relativ geringen Betrag für den großen Aufwand, der mit der Beantragung verbunden ist.“
In Berlin beläuft sich das monatliche Wohngeld für einen Single im Durchschnitt auf 84 Euro, für eine vierköpfige Familie auf 163 Euro. Beantragt wird das Wohngeld beim Wohnungsamt des Bezirks. Wie viel man genau verdienen darf, hängt von so vielen Faktoren ab, dass sich keine genaue Obergrenze beziffern lässt. Auf der Website der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohngeld) ist jedoch ein Fragebogen hinterlegt, mit dem man herausfinden kann, ob man ein Anrecht auf Wohngeld hat.
Auch wenn die Berechnung kompliziert ist – nach Überzeugung des BBSR kommt dem Wohngeld eine große Bedeutung zu. „Durch das Wohngeld sind Haushalte mit geringem Einkommen nicht auf das enge Wohnungssegment mit besonders günstigen Mieten beschränkt, sondern haben auch Zugang zu Wohnungen mit durchschnittlichen Mieten“, schreibt das Bundesinstitut in seiner Studie. „Dadurch leistet das Wohngeld einen wichtigen Beitrag zu stabilen Bewohnerstrukturen und sozialem Zusammenhalt in den Quartieren.“ Zugute kommt das Wohngeld auch Eigentümern: Sie können es als sogenannten Lastenzuschuss zu den Kosten für den Kapitaldienst und die Bewirtschaftung des Wohnraums beantragen.
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