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Tagsüber wirkt die Außenfassade dieses Gebäudes der RWTH Aachen wie ein unspektakulärer Funktionsbau. Nachts lässt der lichtdurchlässige Beton sich aber toll inszenieren.
© Lucem GmbH/dpa

Moderner Hightechbeton: Mischen possible

Ein starres Material wird flexibel: Innovationen beim Beton durch neue Zusatzstoffe.

Das Grundrezept für Beton ist einfach. Was man dafür braucht, liefert die Natur: Zement aus Kalkstein und Ton, Wasser und die sogenannte Gesteinskörnung aus Sand, Kies oder Splitt. Aber die Industrie arbeitet längst mit viel komplexeren Mischungen.

Damit kann man lichtdurchlässige sowie besonders feste und leichtere Teile als mit der Standardmischung bauen. Und auch dünnere Formen sind möglich – was dem Bauherren völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten gibt.

Moderner Hightechbeton enthält neben Zement, Wasser und Luft viele Zusatzstoffe. „All diese Bestandteile haben Einfluss auf die Nutzungseigenschaften, aber auch auf die Ästhetik des Betons“, erklärt Architekt Torsten Förster vom Verein Deutscher Zementwerke (VDZ) in Berlin. Deutlich wird das bei den Zusatzstoffen: „Farbpigmente, Fasern oder auch mineralische Feinstoffe können sowohl die Optik als auch die Materialeigenschaften des Betons verändern“, erläutert Förster.

Ein Beispiel ist Farbe: So müssen sich Bauherren bei Sichtbetonflächen nicht mehr auf Grautöne beschränken. Beton im Innen- und im Außenbereich kann eingefärbt werden. Zusatzmittel wie Betonverflüssiger, Fließmittel, Beschleuniger oder Verzögerer sowie Dichtungsmittel beeinflussen etwa die Verarbeitung des Materials, wie gut es bindet und aushärtet und auch, wie lange es hält. „Grundsätzlich können alle Eigenschaften des Betons durch die Mischung beeinflusst werden“, erklärt Förster. Das bringt auch Vorteile für die Bauarbeiter: So müssen bestimmte Mischungen etwa nicht mehr durch Rütteln verdichtet werden, berichtet Thomas Kaczmarek, Geschäftsführer des Informationszentrums Beton. Und moderner Beton kann viel fester sein als gewohnt. Er kann säureresistent sein, und er bleibt eher sauber. Denn an bestimmten Oberflächen haftet etwa kein Moos oder Taubendreck mehr.

Architekten und Bauherren profitieren von all den neuen Eigenschaften, da sich ihre architektonischen Ideen damit besser umsetzen lassen. Je nach Mischung entstehen beispielsweise besonders leichter Beton, dämmender Beton oder lichtdurchlässiger Beton. Der Leichtbeton unterscheidet sich von herkömmlichem Beton dadurch, dass er voller Luft und somit leichter ist. Wand- und Dachelemente aus Leichtbeton haben auch eine bessere Wärmedämmfähigkeit als Normalbeton, hier wird daher auch von Dämmbeton gesprochen. Verantwortlich dafür sind auch die Zuschlagstoffe mit vielen Poren. In ihren Luftkammern speichern sie die Wärme. Auf zusätzliche Dämmschichten an den Bauelementen kann hier meist verzichtet werden.

Momentan experimentieren die Wissenschaftler mit Aerogelgranulat als Zuschlag. Aerogele haben die niedrigste Wärmeleitfähigkeit aller bekannten Feststoffe. Als Zuschlag in einem zementgebundenen Beton verleihen sie dem Material daher eine hohe Wärme- und Schalldämmung. „In den vergangenen zehn bis 15 Jahren ist besonders die Entwicklung hin zu sehr hochfestem Beton stark vorangeschritten“, sagt Matthias Middel, Vorsitzender des Verbands Deutscher Betoningenieure. Dahinter steckt der Wunsch, möglichst schlanke Bauteile zu realisieren, die hohe Lasten tragen können. „Solche Betons haben ein sehr dichtes Gefüge, das unter anderem durch Zugabe feinster Gesteinsmehle hergestellt wird“, erläutert Middel. Zusätzlich werden solchen Mischungen vielfach Fasern aus Stahl, Kunststoff oder Glas zugesetzt. So lassen sich die Bauteile trotz hoher Tragfähigkeit gut formen. Es entstehen zum Beispiel freitragende Treppen mit Materialstärken von nur 29 Millimetern. Zum Vergleich: Dieselbe Treppe aus konventionellem Beton wäre zwischen 15 und 20 Zentimeter stark.

Der Unterschied liegt in der Bewehrung: Um konventionellen Beton stark und stabil genug zu machen, werden Stahlplatten in die Masse gegeben. Diese sind aber dick. Neuartiger Faserbeton enthält kurze Fasern aus Stahl, Glas oder Kunststoff direkt im Gemisch, Textilbeton hat eine textile Fläche aus Glas- oder Karbonfasern. Letzterer ist dadurch etwa drei- bis viermal so belastbar wie Stahlbeton. Das geht einher mit einem Trend in der Architektur zu weiteren Räumen mit weniger Stützelementen beziehungsweise offenen Grundrissen als bislang üblich. Das lasse sich umsetzen, da der Beton nun tragfähiger ist. (dpa)

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