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Deutscher Alp(en)traum. Rund 600 geschlossene Immobilienfonds in Deutschland haben laut einer Untersuchung des Analysehauses Scope Ratings Kredite in Schweizer Franken aufgenommen. Durch den Kursanstieg könnten sie nun in finanzielle Schieflage geraten.
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Franken-Immobilienkredite: Höhenflug mit Turbulenzen

Deutsche Immobilienfondsanleger mit Krediten in Schweizer Franken bangen um ihr Geld.

Es wird gebangt – jedenfalls tun das derzeit viele Menschen in Polen und anderen ost- und mitteleuropäischen Ländern, wenn sie verfolgen, wie sich der Kurs des Schweizer Franken gerade entwickelt. Das Interesse an der Währung ist nicht dem Umstand geschuldet, dass sie etwa demnächst einen Urlaub in der teuren Alpenrepublik planen, sondern weil ihre Existenz davon abhängt.

Um sich ihren Traum vom Eigenheim zu erfüllen, hatten sie nämlich vor Jahren einen Hypothekarkredit in Schweizer Franken aufgenommen. Der bot niedrigere Zinsen als der Kredit in der heimischen Währung. Nur rechnete niemand damit, dass der Franken so stark an Wert zulegen könnte, wie er es in der Folge tat. Besonders drastisch schnellte der Kurs bekanntlich in die Höhe, als die Schweizerische Nationalbank im Januar die Bindung des Franken an den Euro aufhob. Die Folge: Obwohl die polnischen, rumänischen und kroatischen Häuslebauer brav Tilgungen geleistet haben, ist ihre Schuld nicht geringer geworden.

In Deutschland hingegen sind nur wenige Käufer von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen vom Höhenflug des Franken betroffen. „Fremdwährungsdarlehen waren und sind in Deutschland seit jeher eine absolute Nische“, sagt Christian Kraus, Leiter Unternehmenskommunikation des Baugeldvermittlers Interhyp. Ihr Anteil sei auf jeden Fall so gering, „dass die Kursentwicklung des Franken keine nennenswerten Auswirkungen in Deutschland zur Folge hat.“

Nach Angaben der „Immobilien Zeitung“ lag im November 2014 der Buchwert der Franken-Darlehen von deutschen Kreditnehmern bei gut zwei Milliarden Euro, was weniger als einem Prozent des gesamten Hypothekenbestands in Deutschland entsprach. Anzunehmen ist, dass ein Großteil dieser Darlehen von Menschen aus der süddeutschen Grenzregion aufgenommen wurde. Falls diese als Grenzgänger in der Schweiz ihren Lohn verdienen und ihr Gehalt in Schweizer Franken bekommen, können sie die Währungsturbulenzen weitgehend kalt lassen.

Geschlossene Immobilienfonds geraten unter Druck

Das aber gilt nicht für eine andere Kategorie von Deutschen, die ihr Geld in Immobilien angelegt haben: für diejenigen nämlich, die vor Jahren Anteile an geschlossenen Immobilienfonds gezeichnet haben. Wie gravierend dieses Problem ist, zeigt eine Untersuchung des Analysehauses Scope Ratings. Demnach haben von rund 600 untersuchten geschlossenen Immobilienfonds, die seit 2001 aufgelegt wurden, etwa zehn Prozent Kredite in Schweizer Franken aufgenommen.

Und auch hier zeigen sich die schlimmen Folgen dieser Entscheidung: „Trotz einer durchschnittlichen jährlichen Tilgung in Höhe von etwa einem Prozent“, heißt es bei Scope, „hat sich die reale Kreditlast der betroffenen Fonds in Euro durch die Aufwertung des Schweizer Franken zum Teil deutlich erhöht.“

Darunter zu leiden haben die Anleger. Das hängt mit der Struktur geschlossener Fonds zusammen: Um Immobilien zu kaufen, sammeln sie Eigenkapital von Anlegern ein und ergänzen dieses durch Darlehen. Im Kreditvertrag wird eine sogenannte Beleihungsgrenze vereinbart. Diese legt fest, wie hoch der Anteil des Fremdkapitals im Verhältnis zum Wert der Immobilie sein darf.

Dieses Verhältnis kann sich aus verschiedenen Gründen verschieben – zum Beispiel, weil die Immobilie wegen Leerstands und niedriger Mieten an Wert verliert oder eben weil sich der Fremdkapitalanteil als Folge von Währungsschwankungen erhöht.

Mangels Liquidität drohen Zwangsverkäufe

Was passiert, wenn Beleihungsgrenzen überschritten werden, erläutert Klaus Nieding, Vorstand der Nieding + Barth Rechtsanwaltsaktiengesellschaft: Es wird „das Recht der Bank auf Nachbesicherung“ ausgelöst – der Fonds muss also Eigenkapital nachschießen. „Dies wiederum“, sagt Nieding, „könnte dazu führen, dass Überschüsse nicht an Anleger ausgezahlt werden können, sondern zur Nachbesicherung an die darlehensgebende Bank verpfändet werden müssen.“

Mit anderen Worten: Die ursprünglich in Aussicht gestellten Ausschüttungen fallen aus. Doch es kann noch schlimmer kommen: „Sollte der betroffene Fonds keine ausreichenden Liquiditätsreserven für eine Nachbesicherung haben, kann das sogar zu Zwangsverkäufen führen“, erklärt der Anlegeranwalt. Dadurch könnten diese Fonds „in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten geraten und die Anleger entsprechende Verluste erleiden“.

Dass das keine Theorie ist, zeigt das Beispiel der berühmten „Gurke“ (The Gherkin) in London. Dieses Bürohochhaus war 2007 von einem von der IVG verwalteten Fonds und einer Investmentgesellschaft erworben worden. Etwa 9 000 Privatanleger beteiligten sich am Fonds IVG Euroselect 14.

Doch aus der erhofften Rendite wurde nichts: Der Fonds hatte einen erheblichen Teil des Fremdkapitals in Schweizer Franken aufgenommen, der in der Folge gegenüber dem Pfund immer stärker wurde. Weil die Beleihungsgrenzen überschritten wurden, setzten die Banken 2014 den Verkauf der Prestigeimmobilie an den brasilianischen Milliardär Joseph Safra durch. Die Anleger verloren ihr einst eingesetztes Kapital fast komplett.

Der Fall Ferienresort Land Fleesensee

Nicht viel besser kam es für die 1 800 Kommanditisten, die sich um die Jahrtausendwende an einem geschlossenen Immobilienfonds beteiligten, der den Bau des Ferienresorts Land Fleesensee in Mecklenburg-Vorpommern ermöglichte. Umgerechnet 52 Millionen Euro nahm die Fondsgesellschaft als Kredit in Schweizer Franken auf.

Das war auch in diesem Fall eine schlechte Idee, stimmt Detlev U. Fricke, der Geschäftsführer der Fleesensee Verwaltung GmbH, zu: „Mit der Aufwertung des Schweizer Franken hat das Darlehen den Fonds in Schwierigkeiten gebracht und die Verschuldung drastisch erhöht.“

Im Herbst 2014 wurde die Ferienanlage verkauft. Das eingezahlte Geld der Anleger ist verloren – als einziger Trost bleiben ihnen die Steuervorteile und die in den ersten Jahren geleisteten Ausschüttungen.

Anlegern, deren Geld in einem von der Franken-Problematik betroffenen Fonds steckt, empfehlen Anlegerschützer, zu prüfen, ob sie Schadenersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung verlangen können. Aussichten dafür bestehen dann, wenn die Banken und Berater, die die Fondsanteile vertrieben haben, die Anleger nicht über das Wechselkursrisiko informiert haben.

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