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Teilen sich Alleinerziehende eine Wohnung mit Gleichgesinnten, reduziert das die Mietkosten des Einzelnen.
© epd-bild/Maike Gloeckner

WG für Alleinerziehende: Flatmate gesucht

Wenn die Miete nach der Trennung unerschwinglich wird, hilft die Wohnungsbörse für Alleinerziehende.

43,8 Prozent aller Alleinerziehenden gelten nach einer jüngst vom Paritätischen Wohlfahrtsverband herausgegebenen Studie als arm – ihnen stehen weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung. Häufig können sie sich nach einer Trennung die bisherige Wohnung nicht mehr leisten. Johann kennt die Probleme, die damit verbunden sind. Der 34-Jährige lebt mit seinen beiden Kindern in einer 100 Quadratmeter großen Wohnung in zentraler Lage in Hannover, die Kaltmiete liegt bei 860 Euro im Monat. Nach der Trennung fiel das Einkommen der Frau weg und Johann ist auf staatliche Unterstützung angewiesen. Zu dritt haben sie keinen Anspruch auf die komplette Übernahme der Kosten für eine Wohnung in dieser Größe – Johann, der fünfjährige Sohn und die siebenjährige Tochter sollen umziehen, so die Forderung des Jobcenters.

„Ich habe intensiv gesucht, doch ohne Erfolg. Als Alleinerziehender und dazu noch Arbeitsloser hat man auf dem Wohnungsmarkt in Hannover keine Chance“, sagt Johann und ergänzt: „Die Kinder müssten durch einen Umzug in eine andere Gegend ihren Kindergarten bzw. ihre Schulklasse verlassen, dabei brauchen sie derzeit mehr denn je stabile Beziehungen.“

Was also tun?

Ein neues Portal bringt Alleinerziehende zusammen

Viviane Bremer, Vorsitzende des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) in Hannover, hatte eine Idee: Mit Mitstreitern organisierte sie vor einem Jahr bundesweit das erste sogenannte Flatmating, eine Wohnungsbörse für Menschen mit Kindern. In zwanglosem Rahmen konnte man sich kennenlernen und bei gegenseitiger Sympathie überlegen, ob man den Alltag nicht besser bewältigen kann, wenn z. B. zwei Alleinerziehende zusammenziehen und sich abwechselnd um die Kinder kümmern. „Damals stieß diese Idee auf großes Interesse, mehr als 40 Interessenten kamen zu unserem ersten Flatmating. Ob sich daraus tatsächlich neue Wohngemeinschaften gebildet haben, wissen wir leider nicht“, sagt Bremer.

Johann hat in diesem Jahr eine der Wohnungsbörsen für Alleinerziehende in Hannover besucht. Dort lernte er die 54-jährigen Nicole kennen. Sie bewohnt mit einer volljährigen Tochter einen Resthof vor den Toren Hannovers. Beim Vermieter konnte sie bereits eine geringere Miete aushandeln, doch auf Dauer wird auch die für sie alleine zu hoch sein. Also könnte noch jemand in die große Wohnung bei Nicole einziehen oder man sucht gemeinsam etwas Neues. Auch eine weitere Frau in Nicoles Alter ist auf der Suche nach Mitbewohnern für das Haus am Steinhuder Meer, nachdem kürzlich der Mann ausgezogen ist. Ihre vor dem Abitur stehende Tochter ist zum Treffen mitgekommen – sie sieht den Vorteil einer Wohngemeinschaft so: „Es wäre cool, wenn abends wer zu Hause wäre, wenn Mama unterwegs ist.“

Für Johann kommen diese Modelle nicht infrage, denn er will in der Stadtmitte wohnen bleiben – nicht zuletzt, weil seine Eltern in der Nähe leben und kurzfristig für ihn einspringen können. Er überlegt, wie er für das freie Zimmer vielleicht einen Studenten interessieren könnte.

Ein Wohnberechtigungsschein ist kein Patentrezept

Einen besonderen Weg hat Urs gewählt. Er hat seit Kurzem ein freistehendes Zimmer in seinem Haus an eine 19-Jährige vermietet, die seine drei Monate alte Tochter zeitweise als Tagesmutter betreut. Sie zahlt durch die Betreuung weniger Miete und ermöglicht es dem alleinerziehenden Urs, in Teilzeit zu arbeiten.

Im Ratgeber „Alleinerziehend“ empfiehlt der VAMV Eltern mit wenig Geld, sich einen Wohnberechtigungsschein vom Wohnungsamt ihrer Gemeinde ausstellen zu lassen. Für Elisabeth Küppers, VAMV-Geschäftsführerin in Berlin, ist das allerdings kein Patentrezept. „Nach einer Trennung braucht man schnell eine Wohnung. In Berlin werden Alleinerziehende mit so einem Schein nicht bevorzugt behandelt und müssen oft lange auf eine Sozialwohnung warten“, sagt Küppers. Falls es wider Erwarten doch gleich mit einer günstigen Wohnung klappt, dann in einem abgelegenen Stadtteil. „Wer eine Sozialwohnung z. B. in Marzahn bekommt, dem geht sein soziales Umfeld verloren, das oft eine Stütze darstellt“, sagt Küppers.

Alleinerziehende seien vom Wohnungsmangel überproportional betroffen

Um ihren Kindern diesen Wechsel aus der vertrauten Umgebung und den Verlust der Freunde zu ersparen, nehmen nicht wenige Alleinerziehende lieber Schulden für die bestehende Wohnung in Kauf, wenn das Jobcenter nach einem halben Jahr nicht mehr die volle Miete zahlt. Küppers: „Das Jobcenter macht wahnsinnig Druck, dass Alleinerziehende sich etwas Günstigeres suchen, das belastet die nach einer Trennung ohnehin angespannte Psyche zusätzlich. Wenn dann die Schulden immer größer werden, wird auch die materielle Lage immer prekärer.“ Küppers ist überzeugt, dass sich Alleinerziehende in so einer Situation gegenseitig unterstützen können, wenn sie zusammenziehen. Doch derzeit würden ihnen dabei noch zu viele Knüppel zwischen die Beine geworfen. So werde Alleinerziehenden die Steuerklasse 2 zugeteilt – wenn aber zwei Alleinerziehende eine Wohnung anmieten, werde die Steuerklasse automatisch ungünstiger.

Für Kerstin Stiewe, Geschäftsführerin beim VAMV-Landesverband Schleswig-Holstein, ist der Umzug aufs Dorf mit seinen meist niedrigeren Mieten nicht nur wegen schlechter ÖPNV-Anbindungen oft keine richtige Alternative. „Dort stößt man häufig auf Vorurteile – selbst wenn es keine weiteren Bewerber für eine Wohnung gibt, kann es passieren, dass sie nicht an eine Alleinerziehende vermietet wird“, sagt Stiewe.

Das Fazit von Miriam Hoheisel, Geschäftsführerin des VAMV-Bundesverbandes in Berlin: „Der zunehmende Mangel an bezahlbarem Wohnraum trifft Alleinerziehende überproportional. Um das zu ändern, ist eine viel stärkere soziale Wohnraumförderung nötig.“

Auf dem Portal des Verbandes (www.die-alleinerziehenden.de) können Interessierte nach vorheriger Anmeldung andere Alleinerziehende für eine gemeinsame Wohnung suchen. In Hannover findet die nächste Wohnungsbörse für Alleinerziehende im Frühjahr 2018 statt. Ort und Termin unter www.vamv-hannover.de

Joachim Göres

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