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Auch die Wohnstadt Carl Legien, UNESCO Weltkulturerbe in Prenzlauer Berg, wurde einst als genossenschaftliche Siedlung errichtet.
© mauritius images

Institut der deutschen Wirtschaft Köln: "Es drohen neue Wohnghettos"

LEG Nordrhein-Westfalen und Zentraler Immobilien Ausschuss legen Thesen gegen Wohnungsgemeinnützigkeit vor. Wohngeld sei effektiver und auch private Unternehmen könnten sich für Mieter und Gesellschaft engagieren.

Bund und Länder wollen mehr bezahlbaren Wohnraum – dies zu Zeiten steigender Baulandpreise und steigender Baukosten infolge der Energiesparverordnungen. Wie kann das gehen? Die Grünen im Bundestag hatten in einem Gastbeitrag in dieser Zeitung für eine „Neue Wohnungsgemeinnützigkeit“ geworben. Der Bund scheint dem nicht abgeneigt. Doch die Immobilienwirtschaft lehnt eine Neuauflage der zum 1. Januar 1990 aufgehobenen Wohnungsgemeinnützigkeit in toto ab – und ließ eine 24-seitige Studie mit Gegenargumenten erarbeiten, die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt.

Die Geschichte der Wohnungsgemeinnützigkeit begann Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Gründung von Baugesellschaften und Baugenossenschaften. 1930 wurde mit der Gemeinnützigkeitsverordnung eine einheitliche Rechtsgrundlage geschaffen, 1940 folgte das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz. 1990 schließlich verloren die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen ihre Steuerfreiheit, wobei der Skandal um die „Neue Heimat“ eine große Rolle spielte. Es gibt aber weiterhin Ausnahmen für Wohnungsbaugenossenschaften und -unternehmen.

Grüne wollen ein Sofortprogramm für private Vermieter

Die Grünen wollen aus gegebenen Anlässen – Stichwort: Flüchtlingsbewegung – auf den Gedanken zurückkommen. Sie schlagen unter anderem ein Sofortprogram vor, das sich vor allem an private Vermieter richtet, „um möglichst viele Wohnungen in eine soziale Bindung zu nehmen. Vermieterinnen und Vermieter sollen sich bei einer Neuvermietung dafür entscheiden können, die Wohnung künftig gemeinnützig zu vermieten. Sie steht dann Familien, Studierenden, älteren Menschen mit kleiner Rente, Menschen mit Behinderungen oder Geringverdienern zur Verfügung. Dafür bekommen die Vermieter eine steuerliche Förderung.“

Dies hatten Britta Haßelmann (Erste Parlamentarische Geschäftsführerin) und Chris Kühn (Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik) im Immobilienteil dieser Zeitung vorgetragen. Auch die Bundestagsabgeordnete der Grünen aus Charlottenburg-Wilmersdorf, Lisa Paus, setzte sich in einem Gastkommentar für den Tagesspiegel für die Wohnungsgemeinnützigkeit ein.

Der Deutsche Mieterbund hatte bereits auf den Mietertagen 2013 und 2015 die Wiedereinführung einer Wohnungsgemeinnützigkeit gefordert. Die Oppositionsparteien im Bundestag, Linke und Grüne, brachten dazu Anträge ein, die sich auf umfangreiche Gutachten stützen - bei den Linken auf den Sozialwissenschaftler Andrej Holm von der Humboldt-Universität Berlin, bei den Grünen auf den Kommunal- und Unternehmensberater Jan Kuhnert aus Hannover.

"Die Subbventionen stehen in keinem Verhältnis zu den sozialen Vorteilen"

Nun ist auch die Immobilienwirtschaft aktiv geworden und legte „Sieben gute Gründe gegen eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit“ vor. Auftraggeber sind die LEG Immobilien AG (die privatisierte Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen) und der ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss, ein 2006 gegründeter Wirtschafts- und Unternehmerverband der deutschen Immobilienwirtschaft mit Sitz in Berlin. Verfasst wurde die Studie von Autoren des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW).

Der Hauptverfasser Michael Voigtländer verweist darauf, dass es sich weder bei der „Mietpreisbremse“, noch beim sozialen Wohnungsbau oder der Wohnungsgemeinnützigkeit um neue Ideen handele. Mietpreisregulierungen hätten dafür gesorgt, dass private Wohnungsangebote aus dem Markt verdrängt wurden, Mittel des sozialen Wohnungsbaus seien gekürzt worden, weil finanzieller Aufwand und Ertrag „in keinem Verhältnis zu den sozialen Vorteilen standen“ und die Wohnungsgemeinnützigkeit sei schließlich abgeschafft worden, weil die Bestände unzureichend bewirtschaftet wurden.

"Eine Wohnungsgemeinnützigkeit wird den Angebotsmangel nicht lösen"

Die Baugenossenschaft "Quartier Möckernkiez" am Gleisdreieckpark gehört zu den Rechtsformen, die weiterhin der Steuerbefreiung für gemeinnützige Bauvorhaben unterliegen, weil ihr Hauptzweck die Vermietung von Wohneigentum an ihre Mitglieder ist.
Die Baugenossenschaft "Quartier Möckernkiez" am Gleisdreieckpark gehört zu den Rechtsformen, die weiterhin der Steuerbefreiung für gemeinnützige Bauvorhaben unterliegen, weil ihr Hauptzweck die Vermietung von Wohneigentum an ihre Mitglieder ist.
© Kitty Kleist-Heinrich

Folgende Argumente sprechen aus Sicht des IW Köln gegen eine Wohnungsgemeinnützigkeit:

Eine „Neue Wohnungsgemeinnützigkeit“ löst den Angebotsmangel nicht, weil es an Bauland mangelt.
Gemeinnützige Unternehmen stehen außerhalb des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs und haben deshalb wenig Anreize wirtschaftlich zu agieren.
Kommunale Unternehmen würden bei einer Überführung in die Gemeinnützigkeit möglicherweise keine Gewinne mehr erwirtschaften, sondern auf Subventionen angewiesen sein.
Es drohen neue Wohnghettos, weil bei gemeinnützigem Wohnraum gerne auf Kosten der Qualität gespart wird. Gerade der Sanierungsstau sei oft ein Grund gewesen, kommunalen Wohnraum an private Investoren zu veräußern.
Die soziale Treffsicherheit ist schwierig: Nicht immer sind die Nutzer von Sozialwohnungen tatsächlich von Armut bedroht.
Wohngeld ist effektiver als Wohnungsgemeinnützigkeit, wenn es um die Zahlungsfähigkeit von Haushalten geht, die von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgeschnitten sind.
Rendite und soziale Verantwortung sind kein Widerspruch: auch private Wohnungsunternehmen können sich für Mieter und Gesellschaft engagieren.

Alles in allen, so Michael Voigtländer in der Auftragsarbeit für die Immobilienwirtschaft, wäre die Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit „ein großer Rückschritt“. Unternehmen, die sich außerhalb des Marktmechanismus bewegen, neigten dazu, „ineffizient zu operieren“. Dies gehe zu Lasten des Bestände oder zu Lasten der Steuerzahler.

Das Bauministerium verfolgt die Debatte mit großem Interesse

Dennoch ist der Bund offenbar nicht abgeneigt, die Wiedereinführung einer Wohnungsgemeinnützigkeit zu überdenken.

„Wir verfolgen die Debatte um eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit mit großem Interesse“, teilte ein Sprecher des Bundesbauministeriums auf Anfrage mit: „Einiges spricht dafür, einen Wohnungssektor zu schaffen, der weniger gewinnorientiert arbeitet und zu Gunsten der Mieter dauerhaften Sozialbindungen unterliegt. Auf der anderen Seite sind die heute geltenden Rahmenbedingungen zu beachten, wie das EU –Beihilferecht und Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern nach der Föderalismusreform. Zu betrachten ist ebenso, dass – nachwirkend zur früheren Wohnungsgemeinnützigkeit – Genossenschaften und Vereine, die sich im Wesentlichen darauf beschränken, ihren Mitgliedern Wohnraum zur Nutzung zu überlassen, nach wie vor steuerbefreit sind.“

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