Verkehrssicherung: Eigentum verpflichtet
Die Aufgabe zur Verkehrssicherung ist nicht nur bei Schnee ein heikles Thema.
Immer mehr Menschen leisten sich eine Wohnung, ein Haus, kaufen sich ein Grundstück. Ob als Eigenheim, Altersvorsorge oder Geldanlage, mit ihrer Unterschrift auf dem Kaufvertrag übernehmen Eigentümer gleichzeitig die sogenannte Verkehrssicherungspflicht.
Davon hätten die meisten zwar schon einmal gehört, sagt Petra Uertz, Bundesgeschäftsführerin vom Verband Wohneigentum in Bonn. „Was diese Pflicht aber tatsächlich alles umfasst, das wissen viele – vor allem frischgebackene – Grundstücksbesitzer nur bruchstückhaft.“ Im Grundgesetz heißt es unter Artikel 14: „Eigentum verpflichtet.“ Und im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) besagt der Paragraf 823: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“
Diese beiden Gesetze seien Basis für die Verkehrssicherungspflicht, sagt der Kölner Rechtsanwalt Norbert Schönleber. Eigentümer müssen demzufolge Maßnahmen ergreifen, damit keine Gefahren für Dritte von ihrem Grundstück oder ihrer Immobilie ausgehen. „Ebenso muss der Eigentümer in der Eigenschaft als Vermieter dafür sorgen, dass seine Mieter ohne Gefahr für Körper und Gesundheit die Mietwohnung vertragsgemäß nutzen können“, ergänzt der Immobilienverband Deutschland (IVD).
Kommt es zu einem Unfall mit Verletzungen, komme auf einen Vermieter unter Umständen sogar Schmerzensgeld zu, betont der IVD und verweist auf ein Urteil des Landgerichts Berlin. Darin wurden einem Mieter, der beim Herauftragen von Kohlen aus dem Keller bei defekter Beleuchtung über einen vorstehenden Balken gestolpert war und sich erheblich verletzt hatte, 2500 Euro Schmerzensgeld zugesprochen (AZ: 67 S 319/03). Selbst wenn jemand unbefugt das Grundstück betritt, hat der Eigentümer die Pflicht, dass dies ohne Gefahren möglich ist.
„Der Eigentümer hat seinen Bereich zu kontrollieren“
Als Beispiel nennt der Verband Wohneigentum ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln. Ein Kind betrat unbefugt ein einzäuntes Grundstück mit geschlossenem, aber nicht abgeschlossenem Tor und fiel in das nicht abgedeckte Außenschwimmbecken. Dabei verletzte es sich schwer und starb schließlich. Das Gericht befand, dass der Grundstücksinhaber seine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Er hätte das Tor abschließen müssen (Az.: 13u 18/93). Einen gesetzlich verpflichtenden Turnus für eine Überprüfung gibt es nicht. „Der Eigentümer hat in sachlich gebotenen Abständen seinen Bereich zu kontrollieren“, sagt Uertz vom Verband Wohneigentum.
Darunter fallen beispielsweise die Stufen zum Haus, der Zaun ums Grundstück, die Gehwegplatten vorm Haus, im Garten oder vor der Garage. „Eine Dachkontrolle steht außerdem nach jedem Sturm an.“ Das schließe nicht nur Dachziegel und Regenrinnen mit ein, sondern alle Aufbauten wie Schornstein, Fotovoltaikanlage, Antenne, Satellitenschüssel oder Schneefanggitter. Auch Bäume auf dem Grundstück muss der Eigentümer im Blick haben, schließlich geht von morschen Ästen oder losen Wurzeln eine erhebliche Gefahr aus.
Eine Überprüfung des Baumbestands sei gesetzlich zwar nicht vorgeschrieben, sagt Uertz. „Kommt es jedoch zum Schadensfall und eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht kann nachgewiesen werden, haftet der Eigentümer des Grundstücks, auf dem der Baum stand.“
Schlaglöcher oder lose Bordsteine sollte man umgehend der Gemeinde melden
Zu den regelmäßigen Pflichten eines Hauseigentümers gehöre auch das Überprüfen der Bürgersteige auf Gefahren wie Glasscherben, Laub, Schnee oder Eis – im Winter gegebenenfalls mehrfach am Tag, sagt Uertz. Grund hierfür sind kommunale Verordnungen, in denen die Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Gehwege direkt vor dem Grundstück häufig auf den jeweiligen Eigentümer übertragen wird.
„Das gilt für die Reinigung, also das Entfernen von Laub oder die Streu- und Räumpflicht im Winter“, sagt Rechtsanwalt Schönleber. „Nicht aber für die Instandhaltung.“ Stolperfallen wie Schlaglöcher oder lose Bordsteine sollte ein Eigentümer dennoch umgehend der Gemeinde melden. Im Extremfall könnte ihm sonst bei einem Unfall eine Mitschuld gegeben werden.
Auch Eigentümer können die Verkehrssicherungspflicht an Dienstleister wie einen Hausmeisterservice oder an die Mieter übertragen. Das müsse jedoch ausdrücklich im Mietvertrag stehen und zumutbar sein, betont der Rechtsanwalt. Im Schadensfall ist jedoch immer der Eigentümer in der Pflicht, denn er haftet laut BGB „für etwaige Pflichtverletzungen seiner Erfüllungsgehilfen“, heißt es beim IVD. Werden Gefahrenquellen entdeckt, müssen Eigentümer sie „unverzüglich“ und „ohne schuldhaftes Zögern“ beheben, sagt Rechtsanwalt Schönleber.
Eine vorgegebene Frist gebe es zwar nicht. Je gravierender die Folgen sein könnten, desto schneller müsse man jedoch reagieren. Insgesamt seien 14 Tage eher die obere Grenze. Eigentümer sollten sofort Sicherungsmaßnahmen ergreifen. Das kann ein Zettel an der Eingangstür sein mit dem Hinweis: Achtung, Beleuchtung defekt! Oder ein Stück des Gehwegs wird abgesperrt, wenn Eiszapfen an der Regenrinne hängen. (dpa)
Stefanie Backs
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