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Jens-Holger Kirchner, Stadtrat für Stadtentwicklung in Pankow.
© Mike Wolff

Wohnen im Kiez: Pankow: „Die soziale Mischung muss stimmen“

Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner ist seit 2011 Stadtrat für Stadtentwicklung im Bezirk Pankow. Er plädiert für eine Verdichtung mit Augenmaß.

Herr Kirchner, Pankow wird nach einer Prognose des Statistischen Landesamtes bis zum Jahr 2030 mit einem Wachstum von 16,3 Prozent die mit Abstand stärkste Bevölkerungszunahme aller Berliner Bezirke verzeichnen. Welche Herausforderungen sind damit verbunden?
Die rege Bautätigkeit führt dazu, dass wir eine große Zahl von Bauanträgen zu bearbeiten haben; allein im letzten Jahr sind in Pankow Anträge für 2600 Wohnungen eingegangen. Und 2011 wurden in Pankow 1161 Wohneinheiten fertig gestellt, das war ein Viertel aller in ganz Berlin errichteten Wohneinheiten. Das Bevölkerungswachstum bedeutet, dass wir in fast allen Ortsteilen ein Infrastrukturproblem mit Plätzen in Kitas, Grundschulen und Horten haben. Außerdem stehen wir vor Herausforderungen durch die sich wandelnde Mobilität; so nimmt der Fahrradverkehr zu, und auch der öffentliche Nahverkehr wird stärker nachgefragt.

Sollte der Zuzug also gebremst werden?
Nein, das wäre der völlig falsche Weg. Die Menschen wollen nach Pankow ziehen, weil es ihnen hier gefällt. Da sage ich: Herzlich willkommen!

Wo sollte der Wohnungsbau in erster Linie stattfinden?
Die Frage muss anders gestellt werden: Wo wollen die Menschen hinziehen? Wir stellen eine enorme Nachfrage nach Wohnungen in der Innenstadt fest. Hier streben wir deshalb eine Verdichtung an – aber mit Augenmaß und Verantwortung. Nicht jede Baulücke und jede Grünfläche darf bebaut werden.

An vielen Standorten in Pankow sind teure Wohnungen im Bau oder in Planung. Wie stehen Sie zu diesen Projekten?
Unser Ziel ist es, eine soziokulturelle Mischung zu erhalten, die die Stadt attraktiv macht. Dass gut verdienende, engagierte Leute zuziehen, die sich in ihren Kiez einbringen, ist keine Gefahr. Aber wenn die Gefahr droht, dass es in einem Viertel keine jungen Leute, keine Senioren und Geringverdiener mehr gibt, muss die Kommune Maßnahmen zum Schutz der angestammten Bevölkerung ergreifen. Das tun wir, indem wir die Auflagen für Milieuschutzgebiete neu definiert haben.

Sie wollen auch neue Milieuschutzgebiete schaffen. Wie viele Wohnungen sollen davon erfasst werden?
Wir möchten, dass der Milieuschutz für 50 000 Wohnungen gilt, und zwar nicht nur in den Kerngebieten von Prenzlauer Berg (in Pankow gibt es insgesamt gut 200 000 Wohneinheiten, Anm. d. Red.). Geplant ist, dieses Instrument zum Beispiel auch im Gebiet Wollankstraße/Pankow Zentrum und im Komponistenviertel in Weißensee einzuführen.

Manche Immobilieneigentümer sagen, eine solche Erhaltungssatzung sei für kurzfristig orientierte Investoren eine feine Sache: Sie müssen nichts in die Wohnungen investieren und können trotzdem eine hohe Miete kassieren, weil die Wohnungen ja stark nachgefragt sind.
Diese Eigentümer investieren sowieso nichts in die Häuser. Und die Satzung verhindert ja nicht Investitionen, sondern greift nur steuernd ein. So untersagen wir zum Beispiel die Zusammenlegung von Wohnungen, weil kleine Wohnungen wichtig sind für Leute mit wenig Geld. Auch die Umwandlung in Ferienwohnungen wird eingeschränkt, hochwertige Sanierungen sind nicht zugelassen. Maßnahmen, die zu einem zeitgemäßen Zustand führen, sind aber nicht berührt.

Familien brauchen aber größere Wohnungen. Ist das Verbot der Zusammenlegung nicht kontraproduktiv?
Diese Maßnahme ist nötig, um die soziale Mischung zu erhalten. In den letzten Jahren sind schon viele kleine Wohnungen verschwunden, was die soziale Veränderung beschleunigt hat. Und es werden ja viele Neubauten errichtet, in denen auch große Wohnungen entstehen.

Gibt es Standorte im Bezirk, wo Sie sich mehr Neubau wünschen?
Nein. Wir haben jetzt schon von allem zu schnell zu viel.

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