zum Hauptinhalt
Dänisches Vorzeigeprojekt. Nicht weit von Kopenhagen hat das Wohnungsunternehmen Boligselskabet Sjælland 50 Häuser und einen Gemeinschaftsbau errichtet. Die Besonderheit ist ein ambitionierter Effizienzstandard mit einer kompletten Dichtigkeit des Hauses, einem Belüftungssystem, Photovoltaik und einer erdgekoppelten Wärmepumpe sowie Regenrückhaltebecken. Bisher nur auf dem Papier hat Longlife – eine Initiative aus vier EU-Mitgliedsstaaten aus dem Ostseeraum – auch ein Projekt für Potsdam entwickelt.
© Boligselskabet Sjælland

Nachhaltiges Bauen: Das Mietshaus der Zukunft ist kein Hexenwerk

Nachhaltiges Bauen in Berlin – wie sind die neuen Wohnraumanforderungen zu bewältigen? Eine Konferenz sucht Antworten.

Rund 10 000 neue Wohnungen pro Jahr sollen in Berlin bis 2025 gebaut werden, um den erwarteten Bedarf zu befriedigen – eine Riesenaufgabe. Denn diese Wohnungen müssen zudem den immer schärfer werdenden Vorgaben der Energieeinsparverordnung gerecht werden. Wie das zu bezahlbaren Kosten gehen soll, damit beschäftigte sich die Tagung „Das Mietshaus der Zukunft“ in dieser Woche im Bundesamt für Bauwesen an der Straße des 17. Juni.

„Wir müssen aufpassen, dass die entstehenden Wohnungen kein schnelles Produkt werden, um die aktuelle Nachfrage zu befriedigen“, sagte Siegfried Rehberg vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Er vertritt Mitglieder mit einem Bestand von über einer Million Wohnungen. Rehberg warnte davor, Abstriche bei der Qualität der Neubauten zu machen, etwa auf Balkone oder Aufzüge zu verzichten, um Kosten zu sparen. „Das lehnen wir strikt ab“, sagte er. „Nachfragegerecht“ also müssen die Neubauten sein, denn die Zufriedenheit der Bewohner gehört per Definition zum nachhaltigen und damit zukunftsfähigen Bauen.

Denkt man aus Sicht der zukünftigen Bewohner, ist das Mietshaus der Zukunft kein Hexenwerk. Im Gegenteil. Das Erfordernis, energieeffizient zu bauen, um den Klimawandel zu stoppen, trifft sich mit dem Wunsch der Bewohner nach niedrigen Betriebskosten. Wie beides zusammenpasst, ist bereits zu sehen. Ein Leuchtturmprojekt steht seit 2011 am Arnimplatz in Pankow. Der Gründer eines Solarunternehmens ließ das siebenstöckige Gebäude im Passivhausstandard errichten. Das heißt, dass der überwiegende Teil des Wärmebedarfs aus Quellen wie Sonne oder Abwärme gedeckt wird.

„Das Haus widerlegt die Mär, dass solche Gebäude zu teuer für Normalverbraucher sind“, sagte Monika Remann von der Agentur für nachhaltiges Bauen am Rande der Tagung. Die Ingenieurin sammelt solche Beispiele in einer Datenbank, um sie Nachahmern zugänglich zu machen. Denn klar ist: Um Kosten zu sparen, braucht es viel Erfahrung. „Das kann man nicht aus dem leeren Hut machen, sondern man braucht viel technischen Know-how und Kenntnis der Marktteilnehmer“, sagt Remann. Am Arnimplatz sei beispielsweise eine „wunderbare Abwassertechnik“ eingesetzt worden, an der der Entwickler jahrelang getüftelt habe, bevor sie serienreif wurde.

Auch im Bestand lässt sich zu geringen Kosten viel erreichen, berichtet Achim Debudaj. Sein Ingenieurbüro arbeitet zurzeit an einem Mietshaus am Kottbusser Damm. „Der Besitzer wollte erreichen, dass ihm die Mieter trotz steigender Energiekosten erhalten bleiben“, so Debudaj. Erste Maßnahme war, einen hydraulischen Abgleich der Heizungsanlage vorzunehmen. Das bedeutet, jeden Raum genau mit der Wärmemenge zu versorgen, die er braucht. Fehlt dieser Abgleich, werden Heizkörper, die näher am Kessel stehen, besser versorgt als diejenigen, die weiter entfernt sind. Allein durch das Ausbalancieren des Heizungssystems könne man 15 bis 20 Prozent Energie sparen, sagt Debudaj. Das Beispiel zeigt, dass zukunftsfähige Mietshäuser keine Hightechprodukte sein müssen. „Man kann mit geringen Mitteln sehr viel erreichen“, sagt Monika Remann.

„Nachhaltigkeit ist mehr als Ökologie“

Gerade weil Berlin eine Mieterstadt ist, könnte man mit einer positiven Entwicklung bei der Energieeffizienz rechnen. Das legte zumindest Siegfried Rehberg vom BBU nahe. Er wies darauf hin, dass es einem Investor, der Eigentumswohnungen verkauft, egal sein kann, wie hoch die Betriebskosten später sind.

Bezahlbarkeit ist für viele jener Bürger im Land Brandenburg mit eher geringen Einkommen ein wichtiger Punkt, sagte Frank Segebade vom Ministerium für Infrastruktur bei der Tagung: „Nachhaltigkeit ist mehr als Ökologie, man muss die Menschen mitnehmen.“ Segebade mahnte eine „Sanierung mit Augenmaß an“. Bei der energetischen Sanierung dürften keine Extremstandards gesetzt werden. Eine Wärmeneutralität, bei der die energetischen Sanierungskosten durch Einsparungen beim Verbrauch aufgefangen werden, sei nämlich in den seltensten Fällen realistisch. Brandenburg versucht stattdessen, Sanierungen quartiersweise zu planen und mit gebäudeübergreifenden Lösungen Kosten zu sparen. Schon 22 Kommunen haben entsprechende Pläne vorgelegt, berichtete Frank Segebade.

Gute Erfahrungen hat man parallel dazu mit der effizienten Nutzung von Fernwärme gemacht. Allerdings ist Fernwärme nicht besonders ökologisch, wenn sie aus Braunkohle erzeugt wurde, räumte Segebade ein. Die gute Nachricht dazu laute aber, dass grüne Wärmeerzeugung nicht teuer sein müsse. Das habe der BBU erhoben, sagte Segebade.

Nachwachsende Rohstoffe, wie sie Brandenburg mit der märkischen Kiefer hat, spielten auch bei der Planung eines Gebäudes in Litauen eine Rolle, das Klaus Rückert von der TU Berlin vorstellte. Er hat das Projekt Longlife angestoßen; fünf europäische Ländern sind daran beteiligt. Im litauischen Klaipeda wurde nach Konzepten der Initiative ein Studentenwohnheim errichtet, das allein durch die kompakte Bauweise und die Materialien von Fenster und Fassade 30 Prozent Energie gegenüber vergleichbaren Bauten spart, berichtete Rückert. Geheizt wird mit Holzpellets, die sich im waldreichen Litauen im Überfluss erzeugen lassen. Wie überall im Bereich der Erneuerbaren machen sich die hohen Anfangsinvestitionen durch Ersparnisse bei den Betriebskosten bezahlt.

Zur Startseite