Immobilien und Demographie: Das große Geschäft mit den Seniorenhäusern
Die alternde Gesellschaft macht Pflegeimmobilien zur lukrativen Geldanlage – risikofrei ist die aber nicht. Die Renditen schwächeln.
Der demografische Wandel bringt es mit sich: Immer mehr ältere Menschen brauchen adäquaten Wohnraum. Spezialisierte Anbieter schaffen ihn. Kapitalanleger profitieren davon. Die Investitionen sind aber nicht frei von Risiken. Da lohnt das genaue Hinsehen. Der Verkaufsprospekt für das Projekt „Zschopau Perle“ hat einen Umfang von 48 Seiten. Die alles entscheidende Information bekommt der Leser aber auf den ersten Blick, sie prangt auf dem Deckblatt, oben rechts: Die Rendite beträgt genau vier Prozent. Bei besagtem Exposé handelt es sich um eine Seniorenwohnanlage im sächsischen Waldheim. Das Garbsener Unternehmen „WirtschaftsHaus“, nach eigenen Angaben Marktführer im Bereich Pflegeimmobilien, verkauft die 39 belegten Apartments an private Kapitalanleger.
In Zeiten niedriger Zinsen und steigender Mietpreise ist das Investieren in Immobilien beliebt. Die Alternative zu einer Eigentumswohnung in der Stadt ist eine Seniorenimmobilie. Dazu zählen vor allem Plätze in der stationären Pflege sowie betreute Wohnformen, in denen die Menschen selbstbestimmt leben, aber Hilfen wie etwa beim Einkaufen in Anspruch nehmen können. „Pflegeimmobilien sind eine sichere Kapitalanlage in einem starken Wachstumsmarkt“, sagt Sandro Pawils, Geschäftsführer der „WirtschaftsHaus Service GmbH“. Vor allem „wegen der demografischen Entwicklung sind Wohnraumlösungen für Betagte eine gut nachgefragte Investition, die auch für private Anleger interessant ist“, bestätigt Thomas F. Roth, Vorstand der Hamburger „IMMAC Holding AG“, einem europaweit tätigen Unternehmen für Immobilieninvestitionen im Healthcare-Sektor.
Private drängen auf den Markt
Die demografische Entwicklung ist eines der schlagkräftigsten Argumente: Laut dem Statistischen Bundesamt steigt die Zahl der Pflegebedürftigen von aktuell 2,7 Millionen auf 3,4 Millionen im Jahr 2030 an. Diese Entwicklung erfordert eine Vielzahl neuer Pflegeeinrichtungen. Doch diese wird es voraussichtlich nicht in ausreichender Zahl geben.
Daran ändert auch nichts, dass seit geraumer Zeit vor allem die großen, privaten Betreiber vermehrt auf den Markt drängen. Dazu gehören etwa der französische Marktführer „Korian“ mit aktuell mehr als 230 Häusern in Deutschland. Der Konzern ist nach eigenen Angaben bereits das größte private Unternehmen im Bereich der Pflege und Reha in Europa und will auch sein Deutschland-Geschäft weiter ausbauen. Zu Jahresbeginn habe der Konzern bereits das Unternehmen „Schauinsland“ übernommen, das in Baden-Württemberg sechs Pflegeheime mit zusammen rund 450 Betten betreibe, wie Konzernchefin Sophie Boissard jüngst verkündete. In Deutschland ist das Unternehmen bisher mit 234 Pflegeeinrichtungen und rund 21 000 Mitarbeitern vertreten. Nummer zwei am deutschen Markt ist das Düsseldorfer Unternehmen „Alloheim“.
Werden kleinere Anbieter von den großen geschluckt, entsteht aber noch kein dringend benötigter neuer Wohnraum. Schon heute fehlen laut Eike C. Winkler, Prokurist des Berliner Moses Mendelssohn Instituts, das Analysen im Bereich Stadtentwicklung anstellt, deutschlandweit mehr als eine Million altersgerechte Wohnungen. Doch gerade in Großstädten wie Berlin, wo wegen der hohen Grundstückspreise kaum noch gebaut wird, ist eher eine Vergrößerung der Lücke zu erwarten.
Investor hat kein Einzugsrecht
Eine steigende Nachfrage trifft auf ein knappes Angebot: Kein Wunder, dass Pflegeimmobilien als renditestark gelten. Aber: Auch sie tendieren abwärts. So sagt ein Pressesprecher von „WirtschaftsHaus“, dass eine neue Wohnanlage bei Bielefeld nur noch eine Anfangsrendite von 3,8 Prozent garantiert.
Hinzu kommt: In der Regel schließt der Käufer einen Pachtvertrag über eine Laufzeit von rund 20 Jahren ab. Für diese Zeit garantiert der Verkäufer die Überweisung des vereinbarten monatlichen Mietzinses, selbst dann, wenn die Einheit vorübergehend leer stehen sollte. Aber: Innerhalb dieser Zeit bekommt der Investor lediglich einen Inflationsausgleich. Mieterhöhungen darüber hinaus kann er nicht durchsetzen.
Damit kann man eventuell leben. Zumal so mancher auch deshalb in eine Pflegeimmobilie investiert, um sich selbst fürs Alter einen Platz in einem Wohnheim zu sichern. Diese Möglichkeit wird den Anlegern in der Regel zugestanden. Nur hat der Investor kein Recht darauf, in seine Wohnung einzuziehen. Im besten Fall wird ihm ein Platz in irgendeiner Wohnung des Pflegeheims, in dem er seine Kapitalanlage besitzt, zugesichert. Im schlechtesten Fall muss er mit einer Wohnung in einem anderen Haus des Betreibers Vorlieb nehmen.
Hinzu kommen weitere Risiken: Laut Roth sind „Heimrecht und Wohnungseigentumsgesetz im Dauerbetrieb eines Pflegeheims nicht unter einen Hut zu bringen“. Sofern nur eine Wand verschoben wird, wird unter Umständen die gesamte Teilungserklärung obsolet. Sein Unternehmen bietet aus diesem Grund nur betreute Wohnanlagen im Teileigentum an. Pflegeheime vertreibt die Gruppe als Beteiligungsangebote in so genannten geschlossenen Investment-KGs.
Ein weiterer Knackpunkt: Pflegeheime unterliegen strengen Regularien. „Neue oder geänderte Gesetze können die Wirtschaftlichkeit des Betriebs und den Mietzins beeinflussen“, sagt Sebastian Will, Geschäftsführer der unabhängigen Vermögensberatung Finanzring. „Sollte eine Änderung der Nutzung wie zum Beispiel der Umbau zu Hotelzimmern beschlossen werden, hat der Eigentümer eine Mitwirkungspflicht und die dadurch entstehenden Kosten mitzutragen.“
Ein weiteres Risiko besteht darin, dass der Betreiber der Immobilie pleite geht. Das kommt leider öfters vor bzw. kann nur durch einen erheblichen finanziellen Aufwand abgewendet werden. „In 25 der 140 Sozialimmobilien, in die wir seit 1997 investiert haben, mussten die Betreiber ausgetauscht werden“, sagt Roth. Wenn der Anleger Glück hat, laufen dann alle Verträge wie gewohnt weiter. Garantiert ist das aber nicht.
Sabine Hölper