Gewerbeimmobilien: „Berlin steht für die Gründerszene in Europa“
BFW-Gewerbeimmobilientag: Die Hauptstadt etabliert sich als Zentrum der Start-up-Unternehmen.
The Box heißt ein neues Bürogebäude in der Charlottenburger Gutenbergstraße, in einer ziemlich toten Ecke zwischen der KPM-Ausstellung und Mercedes- Welt am Salzufer. Im Erdgeschoss von The Box starren junge Männer mit Wollmütze auf ihren Laptop, ein Bürohund spaziert mit wedelndem Schwanz herum, und alles wirkt ausgesprochen trendy. Smmove heißt das Unternehmen, für das die jungen Leute arbeiten, und wenn man die vergleichsweise wirre Homepage der Firma richtig interpretiert, so handelt es sich um ein Start-up, das demnächst eine neue Plattform für die Vermittlung von Mietwohnungen auf den Markt bringen will.
Insofern hatte der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) eine passende Wahl getroffen, als er The Box als Veranstaltungsort für seinen Gewerbeimmobilientag auswählte. Denn auf der Tagung sangen Vertreter von Politik und Wirtschaft das hohe Lied Berlins als angesagte Metropole der Unternehmensgründer. „Unsere Chance liegt da, wo Berlin attraktiver ist als die Konkurrenz“, sagte Kulturstaatssekretär Tim Renner am vergangenen Mittwoch. Die Konkurrenz seien aber nicht Hamburg und München, sondern Paris, London und New York. Dort, so Renner, seien die kulturellen Räume – einmal abgesehen von Opern und Museen – an den Rand verdrängt worden, während es in Berlin noch immer Clubs und Ateliers mitten in der Stadt gebe. „Und genau das ist unser Vorteil“, sagt der frühere Musikmanager.
Dieses „Kulturversprechen“ ist laut Renner nämlich dafür verantwortlich, dass so viele junge Menschen aus dem Ausland nach Berlin kommen. Die Frage sei aber, „in was für Häusern diese Menschen arbeiten wollen“. Eine Antwort darauf gab der Immobilienunternehmer Udo Schloemer: in Häusern wie der Factory, also dem in diesem Jahr eröffneten Gründercampus in der Rheinsberger Straße in Mitte. „Wir haben Reservierungen über 80 000 Quadratmeter Fläche und Anfragen über 141 000 Quadratmeter“, sagte Schloemer. Damit ist die Factory mit ihren 16 000 Quadratmetern Bürofläche gewissermaßen vierzehnfach überbucht. Wie gigantisch diese Nachfrage ist, zeigt folgende Zahl: Für das ganze Jahr 2014 erwarten Makler einen berlinweiten Büroflächenumsatz von etwa 520 000 Quadratmetern.
Flexibilität ist das Zauberwort
Dabei handle es sich bei der Factory „nur sekundär um eine Immobilie“, betonte Schloemer. Vielmehr sei sie ein „Ökosystem“, zu dem neben Büros auch ein Fitnessstudio und hochstehende gastronomische Angebote gehörten. „Die Rhythmen des Arbeitens und Lebens verschieben sich“, ergänzte Andreas Krüger, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Belius und Initiator des Aufbau- Hauses am Kreuzberger Moritzplatz, das sich ebenfalls zu einem Kristallisationspunkt der Berliner Kreativindustrie entwickelt hat. Die Work-Life-Balance sei für die viel zitierte Generation Y ein wichtiges Anliegen, sagte auch Susanne Tattersall von der Tattersall-Lorenz Immobilienverwaltung und -management.
„Deshalb ist das Bürohaus der neuen Generation kein Bürohaus, sondern ein multifunktionales Gebäude.“ Flexibilität sei das Zauberwort, bekräftigte Alexander Fieback, Büroimmobilienspezialist beim Beratungsunternehmen Bulwiengesa.
Allerdings stellt die Nachfrage durch junge, internetorientierte Unternehmen die Vermieter von Büroräumen auch vor Herausforderungen. „Gründer können keinen Mietvertrag über fünf Jahre abschließen“, verdeutlichte dies Stefan Franzke, Geschäftsführer von Berlin Partner. „Denn in fünf Jahren sind sie entweder pleite oder haben längst expandiert.“ Grundsätzlich aber zeigte sich Franzke begeistert über das Potenzial der jungen Unternehmen. „Berlin steht für die Gründerszene in Europa“, sagte er. 62 000 Beschäftigte in der digitalen Wirtschaft gebe es in der Stadt, und jährlich würden in diesem Segment über 500 Unternehmen gegründet. Diese Entwicklung, zeigte sich der Chef von Berlin Partner überzeugt, werde weitergehen.
„Online goes Offline“
Viele dieser jungen Unternehmen tüfteln an E-Commerce-Lösungen. Diese neuen Angebote des Online-Handels werden die Einzelhandelslandschaft massiv verändern, wie Joachim Stumpf von der BBE-Handelsberatung sagte. Der stationäre Handel gerate durch das Wachstum des Online-Handels immer stärker unter Druck, zumal der Markt insgesamt nicht wachse. Verlierer des E-Commerce sind laut Stumpf insbesondere die Warenhäuser und der nicht filialisierte Fachhandel, also die kleinen, inhabergeführten Geschäfte.
Allerdings beobachtet Stumpf auch den entgegengesetzten Trend: „Online goes Offline“. Das bedeutet, dass immer mehr Online-Händler stationäre Läden eröffnen, wie das beispielsweise der Elektronikhändler Cyberport (in Berlin unter anderem im Bikini) und der Müsliladen Mymuesli (in der Steglitzer Schlossstraße) vorgeführt haben. Beim Lebensmitteleinzelhandel sei das Potenzial des E-Commerce ohnehin begrenzt, sagte Stumpf weiter, unter anderem deswegen, weil die vier großen deutschen Einzelhandelsketten (Aldi, Lidl, Rewe, Edeka) ein sehr dichtes Filialnetz gesponnen hätten. Trotzdem sei in den nächsten Jahren eine Zunahme des Marktanteils des Online- Handels im Lebensmittelbereich von derzeit 0,5 Prozent auf fünf bis sechs Prozent zu erwarten.
Vor zu großer Euphorie warnte ausgerechnet der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh): Es sei keineswegs so, dass alle E-Commerce-Geschäfte gut liefen, sagte Ingmar Böckmann, Referent für E-Commerce. „Viele Newcomer verschwinden schnell wieder.“ Der Umsatz des interaktiven Handels legte im dritten Quartal dieses Jahres gerade mal um zwei Prozent zu.
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