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Bauabnahmen sind auch in Corona-Zeiten möglich. Wer im Moment baut, sollte sich aber auf Verzögerungen einstellen. Vorsicht ist bei Vorkasse geboten: Das Corona-Rettungspaket der Bundesregierung enthält zeitlich befristete Neuregelungen zum Insolvenzrecht.
© dpa-tmn/Andrea Warnecke

Immobilien: Bauen in Corona-Zeiten kann teuer werden

Die Regelungen im aktuellen Rettungspaket könnten das Projektgeschäft infizieren.

Der Deutsche Bundestag hat am 25. März 2020 das historisch einmalige Hilfspaket für Unternehmen und Bürger in der Corona-Krise beschlossen. Zum Rettungspaket gehören zahlreiche Maßnahmen zum Schutz von Unternehmen und Gesundheitssystem, von Familien, Mietern und kleinen Selbstständigen. Die Corona-Pandemie hat weitreichende Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben. Die Angst vor weltweiter Rezession wächst. Wird das Projektgeschäft jetzt vom Coronavirus infiziert?

Der Gesetzgeber hat am 23. März 2020 den Entwurf des Corona-Insolvenz-Aussetzungsgesetzes (COVInsAG) vorgelegt, das bereits am 25. März 2020 im Bundestag behandelt wurde. Es soll teilweise rückwirkend zum 1. März und im Übrigen am 1. April in Kraft treten. Das COVInsAG ist ein Notstandsgesetz, das nur interimsweise gilt. Es tritt bereits am 31. März 2021 bzw. am 30. September 2022 wieder außer Kraft.

Das COVInsAG begründet eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht von Unternehmen, die durch die Corona-Pandemie in Schwierigkeiten geraten, bis zum 30. September 2020. Der Eintritt einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit durch die Pandemie wird vermutet. Bis Ende September dieses Jahres werden die gesellschaftsrechtlichen Zahlungsverbote von Unternehmen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit aufgehoben. Gegenwärtig haften GmbH-Geschäftsführer für Zahlungen in der Krise persönlich. Dadurch werden die Unternehmen von zentralen insolvenzrechtlichen Pflichten befreit, was für sie eine Erleichterung ist.

Vereinbarte Vertragsstrafen können zur Makulatur werden

Andererseits agieren künftig zahlungsunfähige Unternehmen am Markt, die sich Leistungen gewähren lassen, ohne dass ihnen die Bezahlung dieser Leistungen möglich sein wird. Vorsicht ist also geboten. Für einen dreimonatigen Übergangszeitraum soll die Eröffnung von Insolvenzverfahren durch Insolvenzanträge von Gläubigern ausgesetzt werden, wenn das von der Pandemie betroffene Unternehmen am 1. März noch nicht insolvent war. Der Gesetzgeber will hierdurch verhindern, dass Unternehmen, die jetzt durch die Pandemie in Schieflage geraten, vorzeitig von Gläubigern in ein Insolvenzverfahren gezwungen werden können. Der Effekt ist der Gleiche.

Das COVInsAG hat auch gravierende Auswirkungen auf Mietverträge über Grundstücke oder Räume, dauernde Lieferbeziehungen und Darlehensverträge. Hier sieht jetzt Artikel 240 EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch) bei wesentlichen Dauerschuldverhältnissen bis zum 30. Juni 2020 für Verbraucher das Recht zur Zahlungsverweigerung und – für die Bauwirtschaft wichtig – das Recht von Kleinunternehmen zur Leistungsverweigerung vor.

Das Recht zur Leistungsverweigerung besteht immer dann, wenn die Leistungsschwierigkeiten auf die Pandemie zurückzuführen sind. Mietverhältnisse über Grundstücke oder Räume können bei Nichtzahlung der Miete zwischen dem 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 nicht mehr fristlos gekündigt werden, wenn die Mietrückstände auf der Pandemie beruhen. Dies muss der Mieter lediglich glaubhaft machen und nicht beweisen.

Mehrkosten werden Firmen nicht ersetzt

Für Bauverträge ist Paragraf 6 VOB/B (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen) relevant, für Architekten- und Ingenieurverträge Paragraf 642 BGB. Hier gilt, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie den Auftragnehmer regelmäßig nicht zur Leistungsverweigerung, sondern – und dies ist im Einzelnen vom Auftragnehmer darzulegen – zu einer Behinderung gemäß Paragraf 6 Abs. 1 VOB/B führen können. Bei einer nachweislichen Behinderung (durch fehlende und nicht ersetzbare Baustofflieferungen, durch Ausfall von Arbeitnehmern infolge von Einreisebeschränkungen, etc.) ist eine Behinderungsanzeige des Auftragnehmers berechtigt. Ausführungsfristen werden dann verlängert, vereinbarte Vertragsstrafen können dann vom Auftraggeber nicht mehr in Anspruch genommen werden.

Bei Vorliegen einer Behinderung von mehr als drei Monaten kann der Bauvertrag gemäß Paragraf 6 Abs. 7 VOB/B gekündigt werden. Behinderungsgründe müssen dabei stets konkret dargelegt werden. Eine Behinderungsanzeige, in der der Auftragnehmer lediglich allgemein erklärt, „durch die Corona-Krise in der Leistungserbringung behindert zu sein“ ist unwirksam. Mehrkosten infolge der Behinderung kann der Auftragnehmer regelmäßig nicht ersetzt verlangen. Der Schadensersatzanspruch des Auftragnehmers gemäß Paragraf 6 Abs. 6 VOB/B setzt ein Verschulden des Auftraggebers voraus. Dieses Verschulden des Auftraggebers an der Pandemie liegt nicht vor. Gleiches gilt für Architekten- und Ingenieurverträge: Beauftragte Architekten und Ingenieure werden trotz Pandemie nicht von ihren vertraglichen Leistungspflichten frei. Im nachzuweisenden Einzelfall kommt eine Behinderung der Leistungserbringung in Betracht. Zusätzliche Vergütungs- oder Entschädigungsansprüche für Behinderungen entstehen meistens nicht.

Fehlendes Personal und Material verzögern Bauvorhaben

Gegenwärtig laufen Bauvorhaben noch unvermindert weiter. Die Bautätigkeit ist noch nicht untersagt oder eingeschränkt. Aber: Genehmigungsverfahren ziehen sich, Montagearbeiter aus dem Ausland fallen aufgrund von Einreisebestimmungen aus. Baumaterialien aus Fernost können nicht mehr bezogen werden. Personelle Ausfälle und unterbrochene Lieferketten verursachen Verzögerungen. Da die Gewerke stets eng verzahnt sind und aufeinander aufbauen, können diese Verzögerungen – ähnlich wie die Virusverbreitung – exponential ansteigen. Dies hat gravierende Terminverzüge des Gesamtvorhabens mit gravierenden Schäden des Auftraggebers zur Folge.

Bei verspäteter Fertigstellung ist der Auftraggeber selbst Vertragsstrafen und Schadensersatzansprüchen seiner Gewerbemieter aus schon geschlossenen Mietverträgen, seiner Abkäufer aus schon geschlossenen Weiterverkaufsverträgen (Forward- Deals) oder der Erwerber von Eigentumswohnungen ausgesetzt. Gravierende Probleme entstehen, wenn wichtige technische Ausrüstung nicht geliefert werden kann. Ein Beispiel: Auftragnehmer teilen mit, dass Heizungs-, Lüftungs-, Sanitärtechnik oder Natursteinmaterialien aus Fernost nicht mehr im Markt erhältlich sind und zeigen Behinderung an. Hier gilt, dass vorgebrachte Behinderungstatbestände im Einzelnen sofort sorgfältig überprüft werden müssen und besonders schnell reagiert wird. Baustoffe sind regelmäßig anderweitig ersetzbar. Lediglich Auswahl- und Bemusterungsentscheidungen müssen revidiert werden. Besondere Vorsicht müssen Auftraggeber walten lassen, wenn der Auftragnehmer jetzt verfrühte Zahlungen verlangt.

Überzahlte Vergütungen können verloren gehen

Hier sollte auf den vereinbarten Zahlungsplan oder auf die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen bestanden werden. Die Höhe von Abschlagszahlungen muss dem Wert der erbrachten und nach dem Vertrag geschuldeten Leistungen entsprechen. Da oft keine Vertragserfüllungsbürgschaften vereinbart sind, ist die Zahlung nach Baufortschritt für den Auftraggeber ein sehr wichtiges Sicherungsmittel. Ist der Auftragnehmer überzahlt, können bei Mängeln oder eintretender Insolvenz des Auftragnehmers keine Leistungsverweigerungsrechte mehr geltend gemacht werden. Die überzahlte Vergütung ist ebenfalls verloren.

Umgekehrt werden Auftragnehmer, insbesondere, wenn sie für Auftraggeber von Corona-Krisenbranchen (Hotelgewerbe, Gaststättengewerbe, Messebau und Veranstaltungsbranchen) tätig sind, künftig Vorauszahlungen des Werklohns verlangen. Vorauszahlungen sind im Projektgeschäft nichts Ungewöhnliches. Sie sind aber abzusichern. Eine Vorauszahlungsvereinbarung hat vorzusehen, dass eine Vorauszahlungsbürgschaft gewährt wird.

Wenn die Akteure des Bauprojektgeschäfts sich jetzt besonnen verhalten und die Bautätigkeit von behördlichen Anordnungen zur Eindämmung der Pandemie verschont bleibt, wird es keine Corona-Infektion des Projektgeschäfts geben.

Der promovierte Autor ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in Berlin (www.ts-law.de).

Frank Stollhoff

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