„New Work“ und Architektur: Auf der Arbeit ist es doch am schönsten
Neue Nutzer, neuer Stil, neue Architektur: Weltweit entstehen Bürogebäude mit Wohlfühlfaktor. Unternehmen wollen damit auch Personal gewinnen.
Es geht um Licht und Laune, um gesundes Essen ohne Kantinenflair, um ein freundliches Miteinander. Kurzum: um eine hohe Kultur an dem Platz, an dem Mensch die gefühlt meiste Zeit seines Lebens verbringt. Es geht um den Arbeitsplatz. Und es geht um einen vermeintlichen – oder tatsächlichen – Megatrend, der unter dem Titel „New Work“ gefasst wird. Er beschreibt einen Umbruch, der mit der Sinnfrage beginnt und die Arbeitswelt von Grund auf umformt. Einfacher formuliert, werden darunter verschiedene Arbeitsmodelle und Organisationsansätze subsummiert. Die Frage der Selbstbestimmung steht da ebenso im Raum wie Nachhaltigkeit, Klimawandel und digitale Transformation.
Gaben vor einigen Jahren noch Freelancer und Mitarbeiter von Start-ups als typische Nutzer flexibler Büros deren Ausbaugeschwindigkeit vor, so erreicht deren Designsprache inzwischen auch Großunternehmen und Mittelständler auf Flächensuche.
„Nicht nur im Silicon Valley oder in Metropolen wie Berlin sehnen sich Mitarbeiter nach zukunftsweisenden Arbeitswelten mit Atmosphäre. Daher holen wir das urbane The-Plant-Konzept gezielt in mittelgroße Städte“, sagt Cristina Bäppler, Mitinitiatorin von „The Plant“, einer Campusimmobilie in Mannheim für 400 Mitarbeiter. Das Konzept wurde ideal- und modelltypisch schon in Nürnberg und Fürth getestet. Es ist nicht einzigartig.
So entwickeln die Berliner Architekten Bollinger + Freitag in Potsdam einen Gebäudetypus, der die grünen Außenräume des „Think Campus“ intelligent mit den Innenräumen vernetzen soll. Neben dem kalifornischen Silicon Valley wird der „Think Campus“ der weltweit größte Innovationsstandort für Deutschlands erfolgreichsten Softwarekonzern SAP.
Die klügsten und kreativsten Denker sollen hier zusammengebracht werden. Bis zu 5000 neue digitale Arbeitsplätze sollen entstehen. Da muss ein Unternehmen attraktive Angebote machen. Geplant sind Arbeitszonen mit Einzel- und /oder Gruppenarbeitsplätzen mit privaten Rückzugsmöglichkeiten sowie öffentliche Zonen mit einem Deli, einem Coffee Shop sowie der Infrastruktur für Events wie etwa TED Talks. Das Gebäude wird höchste energetische Anforderungen erfüllen und soll einen wesentlichen Beitrag zur CO2- und Energieeinsparung am Standort leisten.
Top-Mitarbeiter erwarten Top-Büros
Wie in Potsdam werden auch im Amsterdamer „Edge Olympic“ öffentliche und private Zonen des Workhubs über ein lichtdurchflutetes Atrium klimatisch intelligent miteinander verbunden. Geboten werden vielfältige Blickbeziehungen zu Innen- und Außenräumen. Das Gebäude selbst ist Mittel zum Zweck, gut ausgebildete Mitarbeiter an einem Ort zu versammeln.
85 Prozent der Angestellten, so wollen die Edge-Analysten herausgefunden haben, sind arbeitsökonomisch gesehen nicht sonderlich engagiert. Der Grund, so das zur OVG Real Estate gehörende Unternehmen: zu viel Lärm, kein Platz zum Zusammensetzen der Gedankenpuzzles, keine kreativen Umgebungen. „Einer von fünf Angestellten hat in seiner Karriere einmal einen Burnout“, sagt Sandra Gritti, bei Edge Olympic „Product Excellence Director“ und in dieser Funktion mit dem Blick auf das große Ganze unterwegs.
Nur zwanzig bis vierzig Prozent der Angestellten machen Gebrauch von Wellnessprogrammen, so diese überhaupt von Firmen angeboten werden. Die Lösung ist also unter dem Bürodach zu finden: Das Gebäude hat mehr Einfluss auf das Wohlbefinden als der Arzt oder der Gesundheitsberater. Ein Drittel des Lebens immerhin verbringt der arbeitende Mensch mit seiner beruflichen Tätigkeit, neunzig Prozent unserer Zeit verbringen wir in Gebäuden.
Äußerst vernünftig also, wenn sich Menschen Gedanken zur ästhetischen Umgestaltung der Immobilien machen. Ein wöchentlicher Food-Truck, Paketstation und Fahrradservice, Laufgruppen unter den Angestellten oder ein sogenannter Urban Garden auf dem Gelände können ohnehin nicht schaden. All dies steigert die Aufenthaltsqualität im Arbeitsumfeld.
Eine Anlage mit Teich oder – wie beim Edge Olympic ein breiter Graben – steigert das Wohlbefinden obendrein. Und das nicht nur während der Pausen. Sind nämlich Steckdosen und W-Lan vorhanden, ist eine Besprechung auch einmal außerhalb des Büros im Grünen möglich.
Das „Edge Olympic“ versteht sich indes ebenso wenig wie „The Plant“ als Schauplatz einer Arbeitswelt, die unter New Work grenzenlose Produktivitätssteigerung versteht. Vielmehr soll die Chance genutzt werden, vernetzter, smarter, nachhaltiger und sinnvoller zu arbeiten.
Das einige S-Bahn-Stationen vom Stadtzentrum Amsterdams entfernt gelegene „Edge Olympic“ in Stadionnähe ist kein Neubau. Vielmehr wurde ein altes Postgebäude umgebaut, respektive entkernt und um zwei Etagen aufgestockt. Vor einem Jahr wurde alles fertig. Die Arbeitsflächen haben zusammengenommen rund 11000 Quadratmeter auf fünf Stockwerken. Das Erdgeschoss ist ein große Gemeinschaftsfläche, die in mehrere Zonen unterteilt wurde. Am auffälligsten ist hier vielleicht der Versammlungs- oder Präsentationsraum, dessen Gestaltung einer Hochschulaula nachempfunden sein könnte. Der erste Stock beherbergt die „Lease Area“ – die oberen Etagen sind längerfristig an Unternehmen vermietet.
Aus alten Fassadenplatten wurde ein neuer Fußboden
Das neu eingebaute Material von „Edge Olympic“ ist natürlich recycelbar; das alte Betonmaterial wurde zerbröselt und neuen Zementmischungen beigefügt. Aus den alten Fassadenplatten wurde der neue Fußboden.
Ein digitaler Zwilling hält im Computer genau fest, wo was verbaut wurde: „In dreißig bis vierzig Jahren gibt es einen noch viel größeren Bedarf an Material“, sagt Gritti. Der Sandmangel ist da erst der Anfang.
Der Clou aber ist die Gebäudetechnik. Eingebaut wurden intelligente Decken, die neben Sauerstoffgehalt, Luftfeuchtigkeit und Temperatur so ziemlich alles messen können, was Kopf und Seele freier machen könnte. Die 600 bis 700 Menschen, die hier arbeiten, sollen sich wohlfühlen. Sie können über ihre Smartphones Einfluss auf die Helligkeit des künstlichen Lichts nehmen. Das Gebäude ist über eine Cloud fest mit dem Internet verbunden.
„Diese Gebäude sind nicht teurer als andere Bürogebäude“, sagt Erik Ubels, der Technikchef (CTO) von OVG Real Estate. „Sie verschlingen weniger Geld im laufenden Betrieb, haben weniger Kabel und verbrauchen bis zu siebzig Prozent weniger Energie.“
- bbbbbb
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