Kampf um Zinsen: Alte Bausparverträge sind Kassenschlager
Bausparkassen nehmen bei übersparten Verträgen immer häufiger ihr Kündigungsrecht in Anspruch.
Selten kamen Bauherren preiswerter an Geld als zurzeit. Die Zinsen für Bauspardarlehen sind niedrig, die für Immobilienkredite ebenfalls. Vor diesem Hintergrund versuchen zahlreiche Bausparkassen nach Angaben von Verbraucherschützern derzeit, ihre Kunden aus alten Verträgen zu drängen: Häufig sind die vor Jahren vereinbarten Bausparzinsen höher als die Minizinsen, die für andere Geldanlagen derzeit gezahlt werden.
Die „Stuttgarter Nachrichten“ berichteten kürzlich, dass allein die Bausparkasse Wüstenrot 15 000 Kunden den Vertrag gekündigt haben soll, weil ihr die Zinsen auf die Guthaben zu hoch seien. Die Verbraucherzentralen hätten aber auch Beschwerden von Kunden etwa der Aachener Bausparkasse oder BHW, berichtete das Blatt. Betroffen von den Kündigungen der Bausparkassen sind der Verbraucherzentrale zufolge vor allem Sparer, die ihre Einzahlungen gezielt gedrosselt oder ganz gestoppt haben, um von den vergleichsweise hohen Zinsen auf ihr bisheriges Guthaben länger zu profitieren. Wie reagieren Bausparkassen auf die Vorwürfe?
Das Unternehmen Wüstenrot & Württembergische AG bezeichnete das Vorgehen bei Übersparung der Verträge als „legitim“ und beruft sich auf einen Passus in seinen Allgemeinen Bausparbedingungen, wonach es Verträge kündigen kann, sobald Guthaben und Bonuszinsen die Bausparsumme übersteigen. Die von Verbraucherschützern kritisierte und vermeintliche Praxis einiger Bausparkassen, Kunden aus zugeteilten Altverträgen zu drängen, verfolge Wüstenrot nicht, erklärte ein Sprecher des Unternehmens auf Anfrage dieser Zeitung.
Die Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen, Andrea Heyer, kritisiert, dass sich Bausparkassen gelegentlich einen Trick zueigen machen. Damit die vereinbarte Sparsumme möglichst rasch erreicht werde, würden vereinbarte Boni schon vor ihrer Fälligkeit dem Sparguthaben zugerechnet. „Ob die Bausparkasse aber mit dem vertraglich vereinbarten Bonus so umgehen kann, ist fraglich – zumindest wenn sich dies nicht eindeutig aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ergibt und anderen Aussagen der Bausparkasse widerspricht“, erklärte die Verbraucherschützerin Andrea Heyer gegenüber den Nachrichtenagentur AFP.
Wüstenrot hat nach Unternehmensangaben den Besitzern älterer Bausparverträge ein bis zum 30. September befristetes Angebot zu einem Tarifwechsel unterbreitet – „auf freiwilliger Basis“, wie Sprecher Dirk van Issem betont. Durch den Verzicht auf die sonst übliche Tarifwechselgebühr sei das Angebot besonders interessant. Bei Wüstenrot beträgt der Anteil von Altverträgen mit hohen Zinsen am gesamten Segment Bausparen nach eigenen Angaben rund zwanzig Prozent. Der Wüstenrot Bausparkasse entstehe dadurch eine jährliche Ergebnisbelastung von 100 Millionen Euro, sagte ein Sprecher. Angesichts eines Gesamtbestands von 3,6 Millionen Verträgen seien die gekündigten 15 000 Verträge eine sehr geringe Zahl.
Kündigt eine Bausparkasse einen voll besparten Vertrag, können Kunden sich kaum wehren. Es sei äußerst problematisch, etwas dagegen zu unternehmen, sagte Annabel Oelmann von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen der Deutschen Presse-Agentur: „Die Bausparkassen kündigen die Verträge so, dass man die Kündigung in der Regel nicht angreifen kann.“ Sparer mit Altverträgen, die noch nicht voll bespart sind, sollten sich aber überlegen, ob sie weiter einzahlen. So könnten sie dasselbe Schicksal vermeiden.
Kündigungen nicht gleich hinnehmen und den Einzelfall prüfen
Nach Angaben der Finanzexpertin kommt es seit gut eineinhalb Jahren immer wieder vor, dass Bausparkassen Kunden mit gut verzinsten Verträgen kündigen. Das sei nur zulässig, wenn die Bausparsumme vollständig angespart ist. Laut Paragraf 488 Absatz 3 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) dürfe die Bausparkasse an drei Punkten nicht kündigen: in der Ansparphase, wenn der Vertrag in die Zuteilung kommt, und wenn der Bausparer das zuteilungsreife Darlehen in Anspruch nimmt.
Die Verbraucherzentrale Thüringen rät, Kündigungen nicht gleich hinzunehmen und den Einzelfall zu prüfen. Das einseitige Kündigungsrecht aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) auf das sich einige Bausparkassen berufen, sei nicht haltbar. Kunden hätten ein Recht auf die Erfüllung ihres langfristig vereinbarten Vertrags. Das Drosseln oder Aussetzen der Einzahlungen müsse möglich sein, um von den vergleichsweise hohen Zinsen auf bisherige Guthaben länger zu profitieren.
Es gebe keine Verpflichtung, die vereinbarten Sparraten auch einzuzahlen, erklärte Heyer. Teilweise werde Kunden auch die Kündigung angedroht, wenn sie ihre Beiträge nicht innerhalb weniger Wochen nachzahlten. Auch für diese Fälle riet die Finanzexpertin den betroffenen Kunden, die AGB genau zu prüfen. Die Landesbausparkassen der öffentlich-rechtlichen Sparkassenorganisation LBS halten Vertragskündigungen bei Erreichen der vereinbarten Summe für legitim. Natürlich müssten die Klauseln des Vertrages dies gestatten.
Die Details könnten dabei von Fall zu Fall unterschiedlich sein, sagte die Sprecherin der Landesbausparkassen in Berlin, Ivonn Kappel. Sie erinnerte daran, dass Bausparverträge als Baustein bei der Finanzierung von Wohneigentum gedacht seien. LBS Nord, zu der Niedersachsen und Berlin gehören, sprechen jene Kunden an, die mehr als 100 Prozent der Bausparsumme angespart haben. „Dem Kunden werden Angebote zum Wechsel in unsere aktuellen Classic-Tarife gemacht“, sagte LBS Nord-Pressesprecherin Monika Grave auf Anfrage dieser Zeitung: „Die seinerzeit gezahlte Abschlussgebühr wird dabei auf die neue Abschlussgebühr angerechnet.“
Die Bausparkasse Schwäbisch Hall („Auf diese Steine können Sie bauen“) erklärte auf Anfrage des Tagesspiegels: „Bei einer Übersparung, wenn also das Guthaben die Bausparsumme überschreitet, haben beide Seiten den Vertrag erfüllt. Wir überweisen dann das Guthaben an den Kunden.“ Wer einen älteren Bausparvertrag besitze, profitiere von attraktiven Guthabenzinsen. Wer heute einen Bausparvertrag abschließe, profitiere in Zukunft von niedrigen Darlehenszinsen, die bei Schwäbisch Hall bei 1,5 Prozent beginnen würden.
Wer über einen Bausparvertrag mit Bonusverzinsung verfügt, sollte sich von seinem Anbieter nicht zum Wechsel in einen neuen Vertrag überreden lassen, rät die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Der Wechsel in einen neuen Vertrag sei nachteilig, weil dabei in der Regel der Zinsbonus verloren gehe. Außerdem müssten Kunden manchmal auch einen Teil der Guthabenzinsen aus dem alten Vertrag als sogenannten Tarifumwandlungsbetrag zurückzahlen. Der Verlust, den Verbraucher dabei machen, sei nichts anderes als eine extra Gebühr für das Bauspardarlehen, die allerdings nicht im Effektivzins enthalten ist. Nach Einschätzung der Verbraucherzentrale handeln Bausparkassen, die solche Angebote machen, in der Grauzone zur Falschberatung.
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