Berlin kauft wieder Wohnungen: Alles auf Anfang
Bis 2008 wurden die städtischen Bestände abgebaut. Jetzt will die Gewobag ihre Bestände aufstocken.
Für Ephraim Gothe ist es „ein Paradigmenwechsel“ und eine „absolute Kehrtwende“: Berlin kauft wieder Wohnungen. Nach Angaben des Staatssekretärs in der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung haben die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften in den eineinhalb Jahren seit Beginn der Legislaturperiode gut 14 000 Wohnungen erworben. Damit ist der Bestand an landeseigenen Wohnungen auf 284 000 gestiegen – und es sollen noch mehr werden: Nach dem Willen des Senats soll es bis zum Ende der Legislaturperiode 300 000 städtische Wohnungen geben.
Um das Pathos von Staatssekretär Gothe zu verstehen, muss man nur wenige Jahre zurückblicken. Bis zur Finanzmarktkrise des Jahres 2008 stand nicht etwa der Ankauf städtischer Wohnungen auf der politischen Agenda, sondern im Gegenteil deren Verkauf – „im Rückblick ein Fehler“, wie Gothe sagt, dessen Partei, die SPD, das Verkaufsprogramm damals nach Kräften vorantrieb. 2004 veräußerte das Land Berlin die Wohnungsbaugesellschaft GSW mit ihren damals 65 700 Wohnungen an ein Konsortium von Finanzinvestoren. Die verbliebenen landeseigenen Unternehmen warfen unter der Last ihrer Schulden größere Wohnsiedlungen auf den Markt. 2006 zum Beispiel verkauften sowohl Stadt und Land als auch die WBM jeweils weit über tausend Wohnungen in Neukölln an Finanzinvestoren.
Die Ironie der Geschichte will es, dass die städtischen Gesellschaften bei der Suche nach Kaufgelegenheiten jetzt ausgerechnet bei den damaligen Investoren fündig werden. Deren Geschäftsmodell ist nämlich in manchen Fällen nicht aufgegangen. „Die Verkäufer sind in einer wirtschaftlichen Schieflage und müssen unter Zeitdruck große Bestände verkaufen“, sagt Markus Terboven, Vorstand der Gewobag. Dies habe den Vorteil, dass die Wohnhäuser relativ günstig erworben werden könnten.
Allein in den letzten zwölf Monaten hat die Gewobag rund 5500 Wohnungen und 200 Gewerberäume in verschiedenen Stadtteilen (darunter Pankow, Prenzlauer Berg, Kreuzberg, Neukölln und Spandau) aufgekauft. Damit ist ihr Portfolio auf 56 000 Wohnungen gewachsen – und es soll durch weitere Ankäufe und durch Neubau auf bis zu 65 000 Wohnungen aufgestockt werden. „Was den Ankauf betrifft, ist die Gewobag quasi der Musterschüler“, lobt Staatssekretär Gothe, der auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Gewobag ist.
Mit ihren Ankaufsaktivitäten steht die Gewobag jedoch nicht alleine da. Bereits Ende 2011 übernahmen Gesobau und Degewo gemeinsam 4680 Wohnungen, die das Unternehmen Corpus Sireo 2005 in einem aufsehenerregenden Bieterverfahren von der Verkehrsgesellschaft BVG erworben hatte. Und die Howoge sicherte sich im Jahr 2012 rund 1500 Wohnungen, die zuvor einem renditeorientierten Unternehmen gehört hatten. Zu den neuen Gewobag-Mietern zählen beispielsweise die Bewohner der Naunynstraße 30/31 in Kreuzberg und der Kuglerstraße 23 in Prenzlauer Berg. Viele der neu erworbenen Wohnhäuser seien von den früheren Eigentümern nicht gut gepflegt worden, sagt Vorstand Terboven. Unter Gewobag-Führung sei es gelungen, den Leerstand rasch abzubauen. Im gesamten Gewobag-Portfolio stehen 2,3 Prozent aller Wohnungen leer, davon lediglich 0,6 Prozentpunkte wegen Vermietungsschwierigkeiten.
Ebenfalls wieder einsteigen will die Gewobag – wie die meisten landeseigenen Wohnungsunternehmen – in den Neubau. Bis 2015 sollen 150 Wohnungen fertig sein, „mittelfristig“ dann 3000. Bei „gegebener wirtschaftlicher Situation und Marktlage“, sagt Aufsichtsratspräsident Lutz Freitag, seien auch bis zu 5000 neue Wohnungen denkbar. Zunächst würden dabei eigene Grundstücke bebaut; darüber hinaus seien diverse Grundstücke des Liegenschaftsfonds in Prüfung. Als erstes Projekt will die Gewobag 2014 mit der Bebauung einer Lücke in der Chodowieckistraße 7 in Prenzlauer Berg beginnen. Entstehen sollen dort 23 Mietwohnungen und zwei Gewerbeeinheiten.
Staatssekretär Gothe möchte die Neubauaktivitäten der städtischen Gesellschaften jedoch noch stärker ankurbeln. Der Senat diskutiere derzeit über ein Programm, das günstige Neubaumietwohnungen fördern soll und sich an Modellen in Hamburg und München orientiert. Es solle allen Investoren, also auch privaten Unternehmen, offenstehen, erläutert Gothe, „wird aber so gestaltet sein, dass es sich nur für Unternehmen rechnet, die die Wohnungen langfristig behalten“. Die Erfahrungen aus Hamburg und München zeigen laut Gothe, „dass die privaten Entwickler dann von selbst auf die Idee kommen, Genossenschaften und städtische Gesellschaften mit ins Boot zu nehmen“.
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