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Anshu Jain: Im Zentrum der Kritik

Der Druck auf Deutsche-Bank-Chef Jain wächst: Was wussten Top-Manager von Zinsmanipulationen und wo ist der Kulturwandel?

Frankfurt am Main - Anshu Jain ist weitgehend abgetaucht. Seit Monaten schon überlässt der Ko-Vorstandschef der Deutschen Bank das Feld bei öffentlichen Auftritten Jürgen Fitschen, seinem Partner an der Spitze des Instituts. Selbst in Frankfurt bekommen Journalisten den indischstämmigen Briten, wie kurz vor Weihnachten, allenfalls bei einem kurzen Treffen zu Gesicht. Mehr als lockeres Hintergrund-Geplauder ist auch dann nicht drin. Jain lässt nicht erkennen, wie und ob ihn die sich häufenden Vorwürfe, etwa von der deutschen Finanzaufsicht Bafin treffen und beschäftigen. Der von ihm und Fitschen Mitte 2012 versprochene Kulturwandel ist auch eineinhalb Jahre danach nur schwer auszumachen. Jedenfalls deutlich weniger als Vorwürfe, dass Jain als langjähriger Chef der Sparte möglicherweise von den Machenschaften seiner Investmentbanker doch etwas gewusst haben könnte. Dass sich die Deutsche Bank auch nach Einschätzung von Jain nicht koscher verhalten hat, ist klar: Nicht umsonst hat sie im Dezember wegen Manipulationen der Interbankenzinsen Libor und Euribor 725 Millionen Euro an die EU-Kommission gezahlt.

Spätestens am 29. Januar wird Jain zu den Vorhaltungen und Vermutungen Stellung nehmen müssen. Dann legt er zusammen mit Fitschen die vorläufigen Zahlen der Bank für 2013 vor. Die dann aber vermutlich weniger interessieren werden als die zahlreichen Rechtsstreitigkeiten und die Frage nach dem Wissen und der Verantwortung des Vorstandes für die fragwürdigen Geschäfte.

Jain, der am Dienstag seinen 51. Geburtstag gefeiert hat, ist durch den jüngsten Bericht der Bafin zur Zinsaffäre noch stärker unter Druck geraten, auch wenn die Analyse knapp fünf Monate alt ist. Die Finanzaufseher bemängeln die Aufarbeitung der mutmaßlichen Manipulationen und beklagen, dass es keine Antworten auf die Frage gibt, ob und inwieweit Top-Manager von den Aktivitäten ihrer Händler wussten. Es habe keine hinreichende Aufklärung und Untersuchung der Vorgänge gegeben. Besonders vermisst die Bafin „klare Konsequenzen, vor allem personeller Art“ und spricht Jain und Fitschen indirekt Fortschritte beim angekündigten Kulturwandel ab.

Personelle Konsequenzen hat die Bank gezogen – mehrere Händler mussten gehen, darunter ein Banker, dem für 2008 ein unglaublicher Bonus von 80 Millionen Euro versprochen worden war. Allerdings sind noch nicht alle Entlassungen durch, vor dem Frankfurter Arbeitsgericht haben mehrere Betroffene erfolgreich geklagt. Die Bafin vermisst personelle Konsequenzen auf der für die Zinsgeschäfte verantwortlichen Ebene direkt unter dem Vorstand im Group Executive Committee, dem erweiterten Vorstand. Dort hat mit dem Südafrikaner Alan Cloete ein enger Vertrauter Jains bis 2012 die Zinsgeschäfte verantwortet. Ihm macht die Bafin schwere Vorwürfe. Aus der Bank selbst heißt es nur, die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen, man kooperiere vollumfänglich mit den Behörden.

Kritiker der Bank, wie der Banken-Analyst Dieter Hein von Fairesearch, fordern schon länger drastische Konsequenzen, zumal vom Kulturwandel in der Bank nichts zu spüren sei. Hein betrachtet Jain ohnehin als Fehlbesetzung. Schließlich sei das der Mann, der „für das unmoralische Verhalten seiner Leute verantwortlich ist“. Wenn die Bank selbst nicht handelt, hält es Hein für notwendig, dass die Bafin von ihrem Recht Gebrauch macht, bei Unregelmäßigkeiten Top-Banker abzuberufen.

Dass es am Ende soweit kommt, ist in den Augen des Kritikers aber dann doch unwahrscheinlich. Obwohl das Investmentbanking unter der Leitung von Jain längst nicht nur für die mutmaßlichen Manipulationen beim Interbankenzins verantwortlich gemacht wird. Das trifft auch zu auf Geschäfte mit Hypothekenpapieren in den USA – wo die Bank in einem Vergleich im Dezember 1,4 Milliarden Euro gezahlt hat. Und auf Zinsgeschäfte mit Kommunen und Unternehmen, auf Geschäfte um den wichtigen Zins Isdafix und auf mutmaßliche Manipulationen auf dem Devisen- und Goldmarkt. Allein beim Streit um die Pleite des Medienunternehmers Kirch ist Jain definitiv außen vor. Rolf Obertreis

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