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Hausgemachtes Problem. Die Hersteller, hier VW in seiner Wolfsburger Autostadt, hätten den Markt mit ihren Tricks bei der Zulassung ruiniert, sagen Branchenexperten. Foto: dpa
© dpa

Automarkt Deutschland: Im Rückwärtsgang

Die Nachfrage bricht ein, viele Autohändler verdienen kein Geld mehr und hoffen auf den Frühsommer und die enormen Rabatte.

Berlin - Kein halbes Jahr ist der neue VW Golf auf dem Markt – und schon bieten Händler das Auto wie ein Auslaufmodell an. Bis zu knapp 20 Prozent Rabatt sind bei Internetvermittlern für das am häufigsten in Deutschland verkaufte Auto zu bekommen. Aber man muss nicht unbedingt ins Netz gehen, um Geld zu sparen: Auch in konventionellen Autohäusern gewährt VW kräftige Nachlässe – und mitunter supergünstige Finanzierungskonditionen. Bei einigen Händlern kann man den Golf 7 in der Basisausstattung schon für 139 Euro im Monat auf Pump kaufen. Ein Darlehen von 14 490 Euro vergibt die Volkswagen-Bank für 48 Monate zu einem effektiven Jahreszins von 0,00 Prozent.

„Wenn Sie mir vor zehn Jahren gesagt hätten, dass man für einen Neuwagen zehn Prozent Rabatt und mehr bekommt, hätte ich das ausgeschlossen“, sagt Robert Rademacher, Präsident des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK). Doch das Unmögliche ist in der Branche mit 37 800 Betrieben und mehr als 450 000 Beschäftigten alltäglich geworden. „Wir stumpfen ab“, warnt Rademacher. Einige Händleraktionen seien „völlig unvertretbar“.

Die Vehemenz, mit der sich die Autohersteller erneut in die Rabattschlacht werfen, ist ein Indiz für das Ausmaß der Absatzkrise, die sich längst vom europäischen auf den deutschen Automarkt ausgebreitet hat. Im März sind die Neuzulassungen in Deutschland – dem größten Automarkt Europas – um gut 17 Prozent auf 281 000 Fahrzeuge eingebrochen. In den ersten drei Monaten ging es um rund 13 Prozent auf rund 674 000 Neuwagen nach unten. Zugleich kletterte das Rabattniveau nach Angaben des Duisburger Experten Ferdinand Dudenhöffer auf ein 17-Jahres-Rekordhoch.

Die deutschen Hersteller konnten sich lange damit trösten, dass vor allem ihre Wettbewerber PSA Peugeot-Citroën, Fiat oder Renault unter den Folgen der Schuldenkrise im Süden Europas zu leiden hatten. Volkswagen, BMW und Daimler machten derweil glänzende Geschäfte in Asien und in den USA. Doch das Minus im März – dem für die Branche wichtigsten Verkaufsmonat – und im ersten Quartal hat die Schwäche der erfolgsverwöhnten deutschen Autokonzerne auf ihrem Heimatmarkt offenbart (siehe Grafik).

„Der Start ins Autojahr 2013 war deutlich schwächer, als wir es erwartet hatten. Das ist schon überraschend“, sagt Eric Heymann, Autoanalyst bei DB Research. Zwar gebe es auch statistische Gründe für den Einbruch: „Es gab im März zwei Arbeitstage weniger als im Vorjahresmonat – das macht rund zehn Prozent aus“, erklärt der Experte. Hinzu sei der lange Winter gekommen, der bis in den März reichte. „Auch die Abwrackprämie wirkt noch nach“, gibt Heymann zu bedenken. „Bei Klein- und Kompaktwagen gibt es einen relativ geringen Ersatzbedarf.“ Auch aus diesem Grund sind Forderungen nach einer Neuauflage der staatlich geförderten Altautoentsorgung (noch) nicht zu hören. Die Abwrackprämie von 2009 hatte das margenschwache Geschäft mit Klein- und Kompaktwagen zwar kurzzeitig belebt. Nun liegt das Segment brach.

Doch ob Klein-, Kompakt- oder Mittelklassewagen – viel Geld verdienen die Händler im Neuwagengeschäft ohnehin nicht. Hier werde vor allem „Geld gewechselt“, sagt der ZDK-Präsident. Gäbe es das Service- und Werkstattgeschäft nicht, stünden viele Autohäuser längst vor der Pleite. 2012 lag die Rendite der ZDK-Betriebe bei durchschnittlich 1,4 Prozent – 0,6 Prozentpunkte unter dem Vorjahreswert. 2013 wird es weiter bergab gehen, fürchtet Rademacher: „Wir bewegen uns in Richtung Nulllinie – und sind angesichts der Rabattschlacht froh, wenn es eine schwarze Null wird.“

Neben strukturellen Gründen macht der ZDK-Präsident auch die Hersteller für die schwache Ertragslage der Händler verantwortlich. „Die neuen Autos halten länger und werden seltener und auf kürzeren Strecken bewegt“, sagt Rademacher. Dies erkläre unter anderem das hohe Durchschnittsalter deutscher Autos von 8,7 Jahren. Aber: Die Autokonzerne seien am enormen Preisdruck im Handel auch selbst schuld. So wurden 2012 mehr als 900 000 Neufahrzeuge auf Hersteller und Händler zugelassen und dann mit teilweise hohen Preisnachlässen als Tageszulassung, Vorführ- oder Dienstwagen verkauft. „Das waren 300 000 Fahrzeuge zu viel“, klagt Rademacher. Doch der Trend hält an. Laut Dudenhöffer waren im März mehr als 31 Prozent aller verkauften Neuwagen Eigenzulassungen. Spitzenreiter Opel kam sogar auf knapp 41 Prozent – gefolgt von VW mit gut 33 Prozent.

Viel mehr geht nach Meinung von Experten nicht, wenn sich die Hersteller beim Drehen an der Preisschraube nicht verrechnen wollen. „Die Spielräume sind in vielen Fällen ausgereizt“, sagt Eric Heymann von DB Research. „Salopp gesagt, müssen sich die Autohersteller und Händler fragen: Wie weit zieht man sich vor den Kunden aus.“ Mit Rabatten würden zwar bestenfalls Marktanteile gekauft, „aber zu sehr hohen Preisen“.

Nach dem schwachen ersten Quartal hofft die Branche nun auf den Frühsommer. Das zuletzt miserable Geschäftsklima – fast 50 Prozent der Kfz-Betriebe bezeichnete ihr Neuwagengeschäft im ersten Quartal als „schlecht“ – hat sich etwas aufgehellt. Die Auftragslage ist laut ZDK weniger gut als im Vorjahreszeitraum, aber nicht eingebrochen. „Wir sollten nicht zu schnell zu stark jammern“, warnt Rademacher. Doch der 73-Jährige, der den ZDK seit 2006 führt, bleibt realistisch. „Der deutsche Markt ist gesättigt.“ Die vom Autoverband VDA für 2013 prognostizierte Zahl von „etwa drei Millionen“ Neuzulassungen sei nicht zu erreichen. „Es sieht so aus, dass wir eher bei 2,8 oder 2,9 Millionen landen“, sagt Rademacher. Auch Deutsche-Bank-Analyst Heymann ist vorsichtig: „2013 wird es ein weiteres Minus bei den Neuzulassungszahlen geben – selbst wenn das zweite Halbjahr besser wird.“

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