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Andreas Dombret (57) beim Gespräch im Tagesspiegeö-Verlagshaus in Berlin. Der deutsch-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige Bankmanager ist seit 2010 Mitglied des Vorstands der Bundesbank.
© Mike Wolff

Bundesbank-Vorstand Dombret: „Ich sorge mich um die Ertragskraft der Banken“

Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret hat in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel die schwache Ertragskraft der deutschen Geldinstitute kritisiert. "Die Ampel steht auf Dunkelgelb"

Herr Dombret, bevor Sie zur Aufsicht gewechselt sind, waren Sie selbst Banker. Sind Sie geschockt, wenn Sie hören, welch hohe Strafzahlungen die Banken zahlen müssen?

Ja, da kann man durchaus von Schock sprechen. Die Strafen, die Banken in den USA zahlen müssen, sind nicht nur hoch: Es ist auch nicht nachvollziehbar, wie ihre Höhe zustande kommt. Ohne Frage hat es Verfehlungen bei den Banken gegeben, weshalb Strafzahlungen sehr wohl angebracht sind. Aber bei dem Ausmaß der Strafzahlungen in den USA fragt man sich schon, wie so etwas in dieser schwindelerregenden Höhe zu Stande kommt.

Halten Sie hohe Strafzahlungen für falsch?

Finanzielle Strafen sind wichtig – aber sie allein werden Banker nicht davon abhalten, etwas zu tun, das verboten ist oder in der Grauzone liegt. Vielmehr muss auch an die Moral der Banker appelliert werden, um Verfehlungen vorzubeugen. Wie wichtig das ist, zeigen die vergangenen Jahre. Als wir bereits über Strafen für die Manipulation der Libor-Zinsen gesprochen haben, haben parallel Übeltäter abermals das System austrickst – denken Sie zum Beispiel an die Manipulationen am Devisenmarkt. Das heißt: Verfehlungen haben in den Banken sogar noch Nachahmer hervorgebracht. So etwas darf es nicht geben.

Es gibt inzwischen sehr viel mehr Regeln, an die sich Banken halten müssen. Ist das Bankensystem dadurch stabil genug?

Banken müssen heute deutlich mehr Kapital und Liquidität vorhalten als bei Ausbruch der Finanzkrise. Der Stresstest im vergangenen Jahr hat gezeigt, dass die deutschen Institute dabei vernünftig aufgestellt sind. Auch im Worst Case erfüllen sie die Anforderungen der Regulierer. Allerdings mache ich mir zunehmend Sorgen um die nachhaltige Ertragskraft der Banken. Es geht um die Frage, ob und wie die Institute langfristig noch auskömmlich Geld verdienen.

Liegen diese schwachen Erträge einzig und allein an den niedrigen Zinsen?

Die niedrigen Zinsen spielen eine große Rolle. In Deutschland hängen 75 Prozent der Erträge der Banken von der Zinsmarge ab. Derzeit laufen immer mehr hochverzinste Kredite aus, während die Banken neue Kredite nur zu sehr viel niedrigeren Zinsen ausreichen können. Gleichzeitig schrecken die allermeisten Institute im Großen und Ganzen davor zurück, von den Sparern Negativzinsen zu verlangen. Wenn sie aber auf der einen Seite weniger einnehmen und auf der anderen Seite gleich viel ausgeben, dann schrumpft das Ergebnis. Auf Dauer kann das nicht gut gehen.

Wie bedrohlich ist die Lage?

Wenn wir das mit Ampelfarben vergleichen, steht die Ampel für die Ertragskraft der Banken auf Dunkelgelb und wir müssen aufpassen, dass sie nicht auf Rot umschlägt. Das ist vor allem angesichts der guten Konjunktur in Deutschland bedenklich: Die Arbeitslosigkeit ist gering, die Bürger konsumieren mehr, die Unternehmen wachsen, die Kreditausfälle sind niedrig. In solch einer Phase sollten Banken in der Lage sein, wenigstens ihre Eigenkapitalkosten zu verdienen. Daher frage ich mich, wann, wenn nicht jetzt die Banken Rücklagen für schlechtere Zeiten bilden sollen.

Kommen die Banken also um einen Strafzins für Sparer nicht herum?

Ob Banken oder Sparkassen Negativzinsen einführen oder nicht, ist einzig und allein die Entscheidung des Managements. Das haben wir als Bundesbank nicht zu kommentieren. Klar ist aber: Banken und Sparkassen müssen unabhängiger von der Zinsmarge werden. Die einen schaffen das, indem sie die Gebühren anheben. Andere stellen Geschäfte ein, die sich nicht mehr rentieren. Wieder andere denken über Fusionen nach. Das alles ist legitim. Was nicht legitim ist, ist, nichts zu tun. Die Zinsen werden auf absehbare Zeit niedrig bleiben. Banken, die meinen, sie könnten durch diese Phase einfach hindurchtauchen, werden mit der Zeit ernsthafte Probleme bekommen. Aber das wissen sie und stellen sich mehr und mehr um.

Sind auch Filialschließungen legitim?

Ja, auch das kann legitim sein. Die Banken und Sparkassen müssen schauen, wo sie sparen können. Dazu gehört, dass sie prüfen, wie viele Filialen und Zweigstellen sie noch brauchen. Schließlich haben sie ihre Filialnetze in einer Zeit aufgebaut, als die Kunden noch regelmäßig vorbei gekommen sind. Aber mal ehrlich, wann waren Sie das letzte Mal in einer Filiale? Das Kundenverhalten hat sich gewandelt. Vieles, was Kunden früher vor Ort erledigt haben, lässt sich heute bequemer und schneller online regeln. Darauf müssen Banken reagieren. Wir müssen aber sehr darauf achten, dass bestimmte Bevölkerungsschichten durch diesen Trend nicht von Finanzdienstleistungen ausgeschlossen werden.

Was bedeutet die stärkere Digitalisierung für die Bankenaufsicht?

Die Anforderungen an die Bankenaufsicht ändern sich durch die Digitalisierung stark. Denken Sie zum Beispiel an die Gefahr, die von Sicherheitslücken in den beaufsichtigten Instituten ausgeht. Eine zunehmende Cyberkriminalität ist die Kehrseite der Digitalisierung. Darauf müssen wir als Aufseher reagieren und tun dies auch. Für die IT-Sicherheit haben wir längst strenge Vorgaben.

Trotzdem gab es zuletzt häufig Probleme: Da konnten Kunden plötzlich fremde Konten einsehen oder es gab Doppelbuchungen.

So etwas ist misslich. Aber auch die Banken und Sparkassen haben erkannt, wie wichtig IT-Sicherheit ist. Ich kann mich noch gut an meine Anfangsjahre in der Branche erinnern, als die IT ein Nischenbereich in der Bank war. Heute gibt es dagegen in jedem großen Institut einen „IT-Vorstand“. Das Thema der IT-Sicherheit ist längst zur Chefaufgabe geworden.

Sie loben die stärkere Regulierung der Banken. In den USA soll Donald Trump planen, einige der Bankenregeln wieder abzuschaffen. Halten Sie das für realistisch?

Wir müssen abwarten, was Präsident Trump tatsächlich tut. Was sich bereits abzeichnet, ist, dass er Schlüsselpositionen in der Bankenaufsicht neu besetzt. Das hat erfahrungsgemäß auch einen Umbruch in der Aufsichtspraxis zur Folge. Sollten wir weltweit eine Deregulierungswelle bekommen, wäre das problematisch. Ich finde, wir müssen die Lehren aus der Finanzkrise ziehen. Und wenn wir etwas in der Finanzkrise gelernt haben, dann, dass eine zu laxe Bankenregulierung gefährlich ist.

Dombret über das Risiko aus Italien

In Deutschland klagen verstärkt kleine Institute über die starke Regulierung. Müsste man da nicht nachjustieren?

Ja, das sehe ich auch so. Der deutsche Bankenmarkt ist gerade deshalb so stabil, weil es hier neben den Großbanken viele kleine, regionale Institute gibt. Als man nach der Finanzkrise eine neue Regulierung verabschiedet hat, hat man dabei vor allem auf die Großbanken gezielt – schließlich sind bei ihnen auch die Risiken am größten. Die kleinen Institute müssen sich aber an die gleichen Regeln halten und werden davon übermäßig stark getroffen. Ich sehe das kritisch.

Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret über Trumps Politik: "Sollten wir weltweit eine Deregulierungswelle bekommen, wäre das problematisch", sagt er im Tagesspiegel-Gespräch.
Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret über Trumps Politik: "Sollten wir weltweit eine Deregulierungswelle bekommen, wäre das problematisch", sagt er im Tagesspiegel-Gespräch.
© Mike Wolff

Was sollte man konkret tun?

Kurzfristig sollten wir auf nationaler Ebene nachjustieren, was die Umsetzung der Vorgaben aus Brüssel angeht. Die Institute leiden stark unter der enormen Bürokratie. Sie müssen zum Teil Formulare für Geschäfte ausfüllen, die sie gar nicht tätigen. Dabei sollten wir sie entlasten. Mittel- bis langfristig sollten wir prüfen, ob auf internationaler Ebene ein eigenes Regelwerk für kleine und mittlere Banken sinnvoll ist. Dafür will ich mich einsetzen.

In Italien stehen die Banken immer noch sehr viel schlechter da als in Deutschland. Warum bekommen die Italiener die Probleme nicht in den Griff?

Am Ende sind Banken und Sparkassen immer ein Spiegelbild der Wirtschaft im Land. In Italien hat die Rezession sehr viel länger angehalten als in Deutschland. Deshalb sitzen die italienischen Banken noch immer auf vielen faulen Krediten – also Krediten, die die Unternehmen nicht mehr zurückzahlen können. Bauen die Banken die faulen Kredite nicht schnell ab, fehlt ihnen der Spielraum für neue Kredite. Darunter leiden dann auch die Unternehmen, die weniger investieren können. Das schwächt die Wirtschaft weiter. Aber die italienische Regierung hat ja bereits reagiert und einen Staatsfonds für die Banken geschaffen.

Halten Sie es für richtig, dass der Staat nun wieder die Banken rettet?

Das ist heikel. Das Regelwerk der EU ist schließlich eindeutig und erlaubt nur unter bestimmten, sehr engen Voraussetzungen staatliche Unterstützungen. Der Steuerzahler soll nicht mehr für die Rettung der Banken zahlen müssen – da waren sich alle einig. Stattdessen sollen erst die Eigentümer und Gläubiger herangezogen werden. Ein Sonderfall ist allerdings, wenn sich – wie in Italien – viele Kleinanleger aufgrund von Fehlberatungen über nachrangige Anleihen an den Banken beteiligt haben und nun zur Verlusttragung herangezogen werden müssen. Dann kann es durchaus legitim sein, wenn der italienische Staat diese Kleinanleger entschädigt. Das muss dann aber streng von einer Bankenrettung durch den Staat getrennt werden.

Das heißt, man sollte die Anleger retten, nicht die Banken?

Letztlich muss die Regierung in Italien entscheiden, ob sie den Kleinanlegern hilft. Klar ist: Das rechtfertigt nicht automatisch auch die Rettung der Banken. Die Regierungen müssen die Vorgaben der EU einhalten – und zwar ohne Wenn und Aber. Dabei baue ich auch auf die Europäische Kommission: Sie ist die Hüterin der Verträge und muss darauf pochen, dass sich die Mitgliedstaaten an die EU-Regeln halten.

Zur Person: Andreas Dombret (57) sitzt seit 2010 im Vorstand der Bundesbank, wo er unter anderem für die Bankenaufsicht zuständig ist. Dombret kennt die Branche, er war selbst lange Banker. Unter anderem hat er bei JP Morgan und Rothschild gearbeitet. 2005 bis 2009 war er Vice Chairman Europa der Bank of America und hat für das US-Institut das Geschäft in Deutschland, Österreich und der Schweiz verantwortet. Dombret hat in Münster Betriebswirtschaftslehre studiert und wurde in Erlangen promoviert. Die Bundesbank mit Hauptsitz in Frankfurt am Main ist die Zentralbank Deutschlands und ist hierzulande zusammen mit er der Bafin für die Bankenaufsicht zuständig.

Lesen Sie hier ein Interview mit Ifo-Chef Clemens Fuest über die Probleme der italienischen Banken.

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