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Ein vermeintlicher Held. Job-Kandidaten stellen sich meist aus Eitelkeit und Geltungssucht besser dar als sie sind. Mehr Männer als Frauen werden dabei erwischt, mehr Jüngere als Ältere.
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Schummeln bei der Bewerbung: Ich bin Superman

Um die Chancen auf ein Vorstellungsgespräch zu verbessern, schönt jeder dritte Bewerber seine Unterlagen. Doch das Risiko, erwischt zu werden, ist groß.

Ein Stellenbewerber wollte einen Arbeitgeber im Lebenslauf verschweigen, bei dem er nur kurz angestellt war. Ein anderer versuchte, eine Arbeitslosigkeitslücke im beruflichen Werdegang zu kaschieren. Und der dritte Job-Kandidat hatte sein letztes Arbeitszeugnis mal eben mit Photoshop um eine ganze Seite Eigenlob ergänzt.

Manipulierte Lebensläufe und Zeugnisse von drei potenziellen Job-Anwärtern in nur einem Monat – das findet Personalberaterin Renate Schuh-Eder aus Baldham in der Nähe von München nicht mehr normal.

„Die Fälschungen in Bewerbungsunterlagen häufen sich“, konstatiert sie. Sogar an offiziellen Dokumenten wie Arbeits- und Hochschulzeugnissen mache sich mancher Bewerber nachträglich zu schaffen, um besser dazustehen und seine Chancen auf ein persönliches Vorstellungsgespräch zu verbessern. Besonders beunruhigend: Schuh-Eder vermittelt Ingenieure auf Fach- und Führungspositionen – eine Berufsgruppe, die sowohl als gewissenhaft als auch als sehr gefragt am Arbeitsmarkt gilt, und somit Schummeln gar nicht nötig hätte.

Was nach einem subjektiven Eindruck vom Rand des Arbeitsmarkts klingt, bekommt eine andere Dimension, befragt man Manfred Lotze zum Thema „frisierte Bewerbungsunterlagen“. Der Chef der Detektei Kocks in Düsseldorf ist auf den Check von Stellenbewerbern im Auftrag von Arbeitgebern spezialisiert.

Er untermauert die Beobachtung der bayerischen Personalberaterin mit Zahlen: Nach Überprüfung von rund 5000 Bewerbungen auf Wahrheitsgehalt und Vollständigkeit kam er schon vor Jahren zu dem Ergebnis, dass durchschnittlich ein Drittel der Bewerbungen zu beanstanden ist. Die Vorwürfe reichen von Schönfärberei bis Urkundenfälschung und der Anmaßung von Titeln. „Dieser Anteil dürfte im Zeitalter von Internet und Photoshop noch gestiegen sein“, vermutet er jetzt.

Vermeintliche Experten geben Tipps zum Schwindeln

Denn im Internet werden von selbst ernannten Spezialisten bereits Tipps gegeben, wie sich Lebensläufe tunen und sich so unangenehme Nachfragen von Personalchefs vermeiden lassen. „Vermeintliche Experten suggerieren, dieser Schwindel sei üblich, ja sogar notwendig, um sich im Haifischbecken der Bewerber zu behaupten“, sagt Personalberaterin Renate Schuh-Eder.

Getrickst wird offenbar auf jeder Hierarchie-Ebene und in jeder Branche, egal, ob es um eine neue Stelle bei einem Konzern oder bei einem mittelständischen Unternehmen geht. Allerdings fliegen mehr Männer als Frauen auf, und es gibt offenbar zwei Schummel-Schwerpunkte im Berufsleben. Lotzes Auswertungen zeigen: Besonders viele Leute mogeln im Alter zwischen 25 bis 34, die zweite auffällige Gruppe sind Angestellte Mitte vierzig. Der Detektiv interpretiert das so: „Berufseinsteiger wollen besonders schnell aufsteigen, und bei den Mittvierzigern soll sich beim Gehalt und beruflich auch noch mal ein deutlicher Sprung ergeben. Die Älteren werden häufig beim Titelbetrug erwischt.“ Nach Lotzes Einschätzung sind Eitelkeit und Geltungssucht der Grund dafür.

Und so stößt der Düsseldorfer Detektiv bei seinen Überprüfungen immer wieder auf Titel ausländischer Bildungsstätten, deren Abschlüsse in Deutschland nicht anerkannt sind oder auf Adressen im In- und Ausland, die für ihren Handel mit Doktor- und Professorentiteln berüchtigt sind. Besonders dreist allerdings war ein Jobbewerber, der sich schlicht mit dem Doktortitel eines Namensvetters schmückte und darauf setzte, dass dieser Schwindel keinem auffällt – im Zeitalter von Google regelrecht naiv.

Auch Marcus Lentz von der gleichnamigen Wirtschaftsdetektei weiß aus seinem Ermittlungsalltag, wie breit das Spektrum der Schwindeleien ist: „Uns sind schon sehr dreiste Lügen untergekommen. In einem Fall hat ein Bewerber zum Geschäftsführer eine mehrmonatige Projektleitung in New York angegeben. Tatsächlich hatte er diese Zeit wegen Betrugs in einer Strafvollzugsanstalt verbracht.“

Schönfärberei fällt schnell auf

Es gibt Schönfärberei, die sofort ins Auge springt. So hatte Renate Schuh-Eder neulich den Fall, dass ein Kandidat sein Arbeitszeugnis nachträglich aufgewertet, aber dummerweise für die neuen Passagen eine zweite Schriftart verwendet hat. Und Detektiv Lotze wurde gleich argwöhnisch, als ein international erfahrener Manager sämtliche Zeugnisse seiner angeblichen unterschiedlichen in- und ausländischen Ex-Arbeitgeber auf Papier mit dem gleichen Wasserzeichen vorlegte.

Andere Kandidaten gehen vorsichtiger vor. Sie lassen bestimmte Daten im Lebenslauf einfach weg oder verlängern Zeiträume um ein paar Monate, um zu glätten. „Solche kleinen Falschaussagen sind schwerer zu erkennen und zeigen sich meist erst durch Widersprüche im persönlichen Gespräch oder in Verbindung mit offiziellen Zeugnissen“, sagt Schuh-Eder.

Und manchmal ist es schlicht Zufall, wenn Falschaussagen ans Tageslicht kommen. Doch in jeder Branche gibt es einen Mikrokosmos, in dem man sich kennt und übereinander spricht. Hier begeben sich Kandidaten mit frisierten Unterlagen auf dünnes Eis. Karsten Turck, der in den vergangenen 15 Jahren als Personalleiter großer US-Unternehmen in Deutschland tätig war, kennt die Reaktion auf einen fragwürdigen Stellenwechsel: „Was, den habt ihr als Direktor eingestellt, der war bei uns doch nur ein ganz kleines Licht.“

Wer trickst, riskiert nicht nur auf-, sondern auch nachträglich beim Arbeitgeber rauszufliegen. Und wer Zeugnisse manipuliert, macht sich sogar strafbar wegen Urkundenfälschung, was mit bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen geahndet werden kann. Schon der Versuch ist eine Straftat.

Wer fälscht, nimmt es oft auch mit Korruption nicht so genau

Personalchefs sollten auf gar keinen Fall ein Auge zudrücken, wenn ein Bewerber oder sogar ein Mitarbeiter nachträglich beim Bewerbungsunterlagen-Tuning erwischt wird. Karsten Turck weiß aus eigener Erfahrung, „es verursacht einen massiven Vertrauensverlust – der Arbeitgeber wird den Verdacht nicht los, dass es der Betreffende auch auf anderen Gebieten nicht genau nimmt“.

Personalmanager und Firmenchefs, die bei der Einstellung zu lax vorgehen, können weitaus größere Sorgen bekommen. Das zeigen ebenfalls die Analysen der Detektei Kocks. Denn rund 70 Prozent derjenigen Führungskräfte, die korrupt sind oder Geschäftsgeheimnisse verraten, haben schon bei ihrer Bewerbung geschummelt.

Das ergab die nachträgliche Analyse der Bewerbungsunterlagen von denjenigen, die später zum Beispiel als Top-Einkäufer von Lieferanten hohe Vermittlungsprämien kassiert haben oder Preislisten oder Konstruktionspläne beim Wechsel zur Konkurrenz mitgenommen haben.

Experte Lotze: „Alle Alarmsignale sind an, aber sie werden häufig ignoriert.“ Nicht selten liegt das daran, weil Personalmanager angesichts der Bewerberflut, die heute nicht mehr nur auf Papier, sondern eben auch über die unterschiedlichsten digitalen Kanäle bei ihnen anlandet, deutlich überlastet sind.

Doch Fehlbesetzungen sind teuer. Sie kosten nicht nur Geld, sondern auch Reputation. In den USA geht man deshalb weiter. Da wird auch das familiäre Umfeld eines Kandidaten von Spezialisten unter die Lupe genommen. Lotze: „Eine Finanzexpertin, die zum Beispiel einen Ehemann mit großen Schulden hat, bekommt in Amerika noch nicht mal einen Job als Buchhalterin.“ Auch ein kriminelles Familienmitglied kann so zum Ausschlusskriterium bei der Einstellung werden.

Das ist in Deutschland anders. Hier setzen Datenschutz-Bestimmungen Grenzen. So muss ein Stellenbewerber schriftlich in den Check seines Umfelds einwilligen. Detektiv Lotze weiß: Zwischen fünf und sieben Prozent ziehen dann ihre Bewerbung gleich wieder zurück.

Claudia Obmann

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